Berlin. Die Mietpreise steigen weiter. Laut eines Gutachtens der sogenannten Immobilienweisen bringt das vor allem Familien in Bedrängnis.
Hohe Energiepreise, teurer werdende Lebensmittel und nach wie vor steigende Mieten: Viele Haushalte werden derzeit vor finanzielle Herausforderungen gestellt. Laut des Frühjahrsgutachtens des sogenannten Rates der Immobilienweisen, der ähnlich wie die Wirtschaftsweisen die Konjunktur die Entwicklung auf dem Gebäudemarkt beobachtet und analysiert, spitzt sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt vor allem für Familien in Metropolen zu.
Die Angebotsmieten haben laut des 260-seitigen Berichts im vergangenen Jahr um 3,7 Prozent zugelegt. Durchschnittlich zahlen Mieterhaushalte nun 8,46 Euro pro Quadratmeter. Immerhin: In den Metropolen, wo der Preisdruck in den vergangenen Jahren besonders stark war, schwächte sich die Entwicklung ab, der Anstieg betrug 2,7 Prozent auf 12,27 Euro. In ländlichen Regionen steigen die Preise dagegen viel stärker, teils über vier Prozent.
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Miete: Bundesregierung droht Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu verfehlen
Die Ampel-Koalition will gegensteuern. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr wollen SPD, Grüne und FDP bauen, so steht es im Koalitionsvertrag. Nur: „Nach unserer Auffassung sind die 400.000 Wohnungen kaum erreichbar“, sagte Immobilienexperte Harald Simons, der Mitglied des Vorstands des Forschungsinstituts Empirica und einer fünf Immobilienweisen ist.
Was in dieser Legislaturperiode an neuen Wohnungen angeschoben werde, werde größtenteils erst in der kommenden Legislaturperiode fertiggestellt, sagte Simons. Im Interview mit unserer Redaktion hatte sich Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zuversichtlich gezeigt, das Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr erreichen zu können.
In den Metropolen entstehen kleinere Wohnungen
Vor allem aber werde in den Metropolen falsch gebaut, kritisierte der Immobilienweise Simons: „Es werden nur noch kleine Wohnungen gebaut.“ Eigentlich nicht verwunderlich, denn es sprechen viele Argumente für eine Platzreduktion: Die mögliche Baufläche für neue Gebäude ist in den Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart knapp. Auch die Zahl der Single-Haushalte wächst.
Das spiegele sich bei den Neubauten wider, sagte Simons. Seien Anfang der 2000er Jahre noch 60 bis 80 Prozent der Wohnungen im Geschosswohnungsbau mit vier oder mehr Räumen – wobei Küche und Bad jeweils als Raum zählen – gebaut worden, seien es jetzt nur noch 20 bis 40 Prozent. „Im Geschosswohnungsbau bauen wir jetzt kleine Schuhschachteln und keine großen Familienwohnungen mehr“, sagte Simons.
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Familien ziehen verstärkt aus Metropolen weg
Fatal sei das aber mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung: Während 18- bis 30-Jährige weiterhin für einen hohen Zuzug in den Metropolen sorgen, würden Familien zwischen 30 und 39 Jahren sie zunehmend verlassen.
Aus Simons Sicht ist das auch deshalb ein Problem, weil die Zahl der Familienhaushalte in den vergangenen Jahren in den Metropolen deutlich schneller gewachsen sei als die der Single-Haushalte, teilweise sogar dreimal so schnell. „So ganz überraschend ist diese Entwicklung nicht, da wir einen starken Zuwachs an Geburten hatten in den letzten zehn Jahren. Das war eine Folge der Zuwanderung junger Menschen. Die müssen aber irgendwo wohnen“, sagte Simons.
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Geringverdiener-Familien leben oft beengt
Es seien zwar viele Schulen, aber keine Kinderzimmer gebaut worden. „Kein Wunder also, dass die Familien hier unter Druck kommen“, sagte der Immobilienexperte.
Die Folge: Familien würden die Großstädte verlassen. Wer das nicht könne, müsse sich immer öfter mit einer ungleichen Platzverteilung arrangieren. Während die Hälfte der einkommensschwachen Ein-Personen-Haushalte in Wohnungen mit mehr als 50 Quadratmetern wohnen würden, würden 20 Prozent der einkommensschwachen Familien mit mindestens vier Personen auf unter 65 Quadratmetern wohnen, die Hälfte unter 80 Quadratmetern. „Die Städte sind dringend aufgefordert, stärker auf die Familien zu achten“, sagte Simons.
Mieten dürften auch 2022 weiter steigen
Mit Blick auf das laufende Jahr rechnet der Immobilienweise damit, dass die Preisentwicklung in den Metropolen weiter unter dem Durchschnitt der Gesamtmieten liegen könnte, möglicherweise auch unter der Inflation, die in diesem Jahr aber auch hoch eingeschätzt wird.
Deutliche Kritik äußerten die Immobilienweisen an dem abrupten Ende der Förderung für energiesparende Gebäude. Laut einer jüngsten Erhebung des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW seien mehr als 200.000 Wohnungen allein bei den sozialen Vermietern betroffen. Möglicherweise könnten sie nicht mehrgebaut werden. Einzelne Wohnungswirtschaftsverbände empfehlen bereits Klagen.
Harald Simons hält die Zahl der betroffenen Wohnungen dabei zwar für hochgegriffen und meint: „Die werden nicht alle verloren sein, aber wir haben eine Verzögerung.“ Diese Verzögerung würde das Ziel der 400.000 Wohnungen in noch weitere Ferne rücken lassen. Vor allem sei aber nicht die eigentliche Zahl, sondern die Art des Vorgehens das Problem gewesen, kritisierte Simon.
Kaufpreise ziehen weiter kräftig an
Viele Häuserbauer hatte der plötzliche Förderstopp überraschend getroffen. Mittlerweile hat die Bundesregierung beschlossen, die gestellten Anträge zu genehmigen – eine Erleichterung für viele, denn der Bau ist gerade ohnehin teuer. Die Baupreise erzielten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr eine Rekordsteigerung. Konstruktionsvollholz etwa wurde um 77 Prozent teurer, Dachlatten um 65 Prozent.
Nicht nur das Bauen wird immer teurer, auch die Kaufpreise werden zunehmend unerschwinglich. Um 14,3 Prozent legten die Kaufpreise im bundesweiten Mittel im vergangenen Jahr zu, sie betragen nach Angaben des Frühjahrsgutachtens der Immobilienweisen nun 3.140 Euro pro Quadratmeter im Bundesdurchschnitt. Die hohen Preise geben auch den Branchenbeobachtern zunehmend Grund zur Sorge. Die Bundesbank warnte bereits vor massiven Überbewertungen im Immobilienmarkt.
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Droht eine Immobilienblase?
Lars Feld, früherer Chef der Wirtschaftsweisen und jetziges Mitglied der Immobilienweisen sagte, dass man die Entwicklung, dass Mieten deutlich schwächer als Kaufpreise steigen, skeptisch begutachten müsse. Der Präsident des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft, dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), Andreas Mattner, erwiderte: „Es ist überhaupt nicht zwingend, dass es eine Blase gibt, die platzen wird.“
Neben den Wohnimmobilien befinden sich laut des Gutachtens vor allem Gebäude für die Logistik im Aufwand. Mit 10,3 Milliarden Euro Transaktionsvolumen lagen sie hinter den Büroimmobilien (27,8 Milliarden Euro) im Vorjahr auf dem zweiten Platz bei den Investoren. Deutlich schwerer haben es dagegen Handels- und Hotelimmobilien. Bei Hotels wurden im Vorjahr lediglich knapp zwei Milliarden Euro in Transaktionen investiert – nicht einmal halb so viel wie noch vor der Pandemie.