Hamburg. Das Unternehmen Tiger Media will mit seinem Touchscreengerät kräftig wachsen – auch dank Unterstützung des Weltkonzerns Sony.

Martin Kurzhals hält den Technikwürfel in der Hand und streicht mit dem Finger über den Touchscreen. „Man sieht hier die Charaktere und Themen, die die Eltern für das Kind ausgewählt haben“, sagt der 46-Jährige. Conni, Bibi und Tina sowie Benjamin Blümchen sind auf dem kleinen Bildschirm nebeneinander zu sehen. Per Fingerdruck auf dem Display können Kinder ihre Hörspiele auf der Tigerbox Touch starten.

Vor gut zwei Jahren brachte das Hamburger Start-up Tiger Media den Hörspielwürfel mit der Kantenlänge von zwölf Zentimetern auf den Markt. Jetzt soll das Geschäft richtig durchstarten. „Wir rechnen in diesem Jahr mit mehr als 100.000 verkauften Boxen“, sagt Tiger-Media-Geschäftsführer Kurzhals. Derzeit läge der Absatz 50 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Start-up Hamburg: Der Erfolg des Hörspielwürfels von Tiger Media

Seit zehn Jahren gibt es das Unternehmen mit Sitz am Eppendorfer Baum. Gegründet wurde es als Spin-off des Oetinger Verlags, der den Klassiker Pipi Langstrumpf oder den Bestseller Olchis herausbringt. Zunächst wurde der Ableger Tigerbooks für interaktive Bücher entwickelt. Die Bücher werden in einer App hinterlegt, es gibt Animationen, und die Texte werden digital vorgelesen. Integriert darin sind Lernspiele und Puzzles zum Entspannen. 2016 entwickelte das Start-up dann die erste Tigerbox.

Allerdings musste ein Smartphone oder Tablet damals die Inhalte noch per Bluetooth auf die seinerzeit rund 35 Euro teure Box senden. Als man sah, dass das Produkt grundsätzlich ankam, forcierte man die Weiterentwicklung. Die Tigerbox Touch hat Handy-Technik im Inneren und kann die Inhalte per WLAN-Verbindung selbst streamen.

Tiger Media verkauft 150.000 Hörspielwürfel in 25 Monaten

Für das Weihnachtsgeschäft 2019 kamen die Boxen Mitte Dezember zu spät auf den Markt. Dann wirbelte Corona die Verkaufsplanung kräftig durch­einander. Der Lockdown kam, Geschäfte mussten schließen. „Wir hatten viele Boxen im Handel platziert – aufgrund der umfassenden Ladenschließungen konnten Kinder und Eltern die Hörbox nicht in dem Umfang erleben und ausprobieren wie wir es uns gewünscht haben“, sagt Kurzhals. Lebte man früher vor allem vom Verkauf im Fachhandel, werden mittlerweile drei von vier Geräten online abgesetzt. Erhältlich sind sie beispielsweise auf den Webseiten von Amazon, Saturn und Thalia und auf tigermedia-shop.de.

Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 99,90 Euro. Allerdings bieten sie einige Händler auch für weniger als 80 Euro an. In 25 Monaten seien nun 150.000 Hörspielwürfel verkauft worden. Es hätten wohl mehr sein können, wenn die Firma nicht bereits 2020 die Lieferkettenprobleme zu spüren bekommen hätte. Grafikprozessoren, Lithium-Ionen-Akkus und Displays wurden zur Mangelware.

Sony investiert seit Sommer in Hamburger Start-up

Auf dem Markt für Hörspielwürfel sieht sich das Start-up auf dem zweiten Platz. Angeführt wird das Segment mit großem Vorsprung von dem in Düsseldorf gegründeten Unternehmen Tonies, das 2,4 Millionen Geräte absetzte. Der mittlerweile in Luxemburg sitzende, börsennotierte Lautsprecherhersteller hat im vergangenen Jahr 185 Millionen Euro umgesetzt – ein Plus von 37 Prozent zum Vorjahr. Bei Tiger Media wurden im Jahr 2020 4,3 Millionen Euro erlöst. „Wir wachsen weiter und planen die Zehn-Millionen-Euro-Umsatzmarke zu knacken“, sagt Kurzhals. Gewinn weise man noch nicht aus. Das werde auch in den nächsten zwei bis drei Jahren so bleiben.

Um weiter zu expandieren, „investieren wir sowohl in Personal als auch unsere Vermarktungs- und Vertriebsaktivitäten“, sagt Kurzhals. 20 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen. Seit Sommer ist mit Sony auch ein neuer Investor an Bord. Der japanische Weltkonzern sei – wie die anderen Gesellschafter auch – von der Produktidee überzeugt und schätze die Innovationskraft, heißt es. Und: Es gebe durchaus Ambitionen, irgendwann mal die Nummer eins am Markt zu werden.

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Mit Tigercards Hörspielen lauschen

Das hängt wohl auch mit der Qualität der Box zusammen. Während Konkurrenzprodukte laut Kurzhals nur Mono abspielen, gibt es bei der Tigerbox Stereosound. Die Zeitschrift „Computer Bild“ kam bei einem Test von sechs Hörspielgeräten vor Kurzem zu dem Urteil: „Klanglich den besten Job macht die Tigerbox, die fast schon wie eine kleine Boombox klingt.“ Die Hamburger kooperieren dabei mit dem Hi-Fi-Unternehmen Lenco. Deren Mitarbeiter wüssten, wie man Lautsprecher anordnet, wie groß ein Klangkörper sein muss, wo man Holz anbringen muss, damit es gut klingt – und wie man einen Equalizer einstellt, damit sich Hörbücher gut anhören, so Kurzhals: „Die Synergie mit einem verlässlichen Partner wie Lenco, der die Box nach unseren Vorgaben umsetzt, war für einen schnellen Markteintritt entscheidend. Produktionsstandort ist China.“

Zum Marktführer gibt es noch weitere Unterschiede. Die Tonie-Box gilt als sehr gut gepolstert und ist kinderleicht zu bedienen. Eltern müssen kleine Figuren wie Biene Maja oder Leo Lausemaus für bis zu 15 Euro pro Stück kaufen. Diese werden dann auf die Box gestellt, und das Hörspiel läuft ab. Das ist schon für Kinder im Kita-Alter leicht verständlich. Bei Tiger Media gibt es mit den Tigercards ein ähnliches System.

Großes Angebot: „Computer Bild“ kürt die Hamburger Box zum Testsieger

Ein Hörspiel kostet 8 Euro, die Karte davon wird auf der Rückseite in einen Schlitz des Lautsprechers gesteckt und das Abenteuer startet. Auch Wildcards gibt es, auf die eigene MP3-Dateien aufgespielt werden können. Zwar könnten auch schon Dreijährige die Tigerbox bedienen, sagt der studierte Wirtschaftsingenieur, aber: „Unsere Kernzielgruppe sind Fünf- bis Achtjährige.“ Ältere Kinder würden schon häufig ein eigenes Smartphone besitzen. Robust sei die Hamburger Box zwar auch, aber eher wie ein Handy.

Die meisten Nutzer greifen auf das Tigerticket zurück. Es wird ebenfalls hinten in die Box gesteckt, die Eltern müssen einen Sicherheitscode aktivieren und dann können die Kinder mehr als 10.000 Titel aus einer Bibliothek streamen. Es ist ein System, das Erwachsene von der Musikplattform Spotify kennen. Statt CDs zu kaufen, werden die Inhalte bei Bedarf einfach gehört. Für einen Monat kostet das Streaming bei Tiger Media 9,99 Euro. Wer sich für ein Jahr bindet, zahlt 74,99 Euro. Ein Großteil der Hörspiele stammt vom Sony-Label Europa, das als deutscher Marktführer beispielsweise die drei Fragezeichen, TKKG und Fünf Freunde herausbringt. Wegen des großen Angebots kürte „Computer Bild“ die Hamburger Box zum Testsieger.

Start-up Hamburg: Verlage erhalten von Tiger Media eine Gebühr

„Von den deutschen Top 100 im Bereich Hörspiele findet man fast alle auf der Hörbox“, sagt Kurzhals. Fans vom Drachen Kokosnuss werden beispielsweise nicht fündig, weil sich der dahinterstehende Verlag gegen eine Verbreitung per Streaming entschieden habe. Andere Verlage erhalten von Tiger Media eine Gebühr, die sekundengenau abgerechnet werde. Die Eltern können einstellen, wie lange die Kinder den Hörspielwürfel nutzen und welche Inhalte sie hören dürfen, die Lautstärke abregeln oder das eingebaute Nachtlicht programmieren. Wer verreist, bekommt auch offline Inhalt für die Ohren. In den acht Gigabyte großen Speicher können rund 100 Hörbücher runtergeladen werden.

Immer häufiger wird mittlerweile Musik über den 500 Gramm schweren Würfel gestreamt. „In unseren Top 20 finden sich je zu gleichen Teilen Musik­titel und Hörspiele“, sagt Kurzhals. Zu Halloween werden Lieder zum Gruseln gewünscht, zu Weihnachten Christmas-Songs. In Zukunft sollen auch Mark Forster, Lea und internationale Popstars zu hören sein.

Nach absoluten Hörminuten dominieren Hörbücher mit 75 Prozent deutlich, weil sie schlichtweg länger sind als die Pophits. Vor der Pandemie verbrachten Kinder übrigens maximal zwei Stunden täglich vor dem Gerät. Mit der Ausbreitung des Coronavirus und den Schulschließungen schnellte dieser Wert auf 4,5 Stunden hoch. Nun normalisiert es sich wieder: Es sind rund 2,5 Stunden.