Hamburg. Ein Hamburger Start-up verspricht viel Rendite für wenig Geld: Finexity nimmt sich Superreiche zum Vorbild und investiert in Sachwerte.

Für 500 Euro indirekt Mitbesitzer eines Ferrari-Klassikers, eines seltenen blauen Diamanten oder eines Original-Siebdrucks von Andy Warhol werden – das ermöglicht ein Hamburger Unternehmen. Inzwischen hat das im Jahr 2018 gegründete Start-up Finexity fast 60 solcher Sachwerte im Angebot, darunter auch edle Weine und Wohnimmobilien.

Ausgangspunkt der Geschäftsidee sei die Analyse der Anlagestrukturen von Privatpersonen mit einem Vermögen im mindestens zweistelligen Millionenbereich gewesen, sagt Finexity-Vorstand Paul Hülsmann: Sie erzielen überproportional hohe Wertsteigerungen, weil bis zu 50 Prozent ihres Gesamtvermögens aus sogenannten „alternativen Anlagen“ bestehen. Doch bisher war es für die breite Masse der Privatanleger kaum praktikabel, ebenfalls in solche sehr teuren und nicht teilbaren Sachgüter zu investieren.

Hamburger Start-up gibt Anteile zu geringen Kosten heraus

Durch die Digitalisierung – vor allem mittels der Blockchain-Technologie – wird es nun aber möglich, virtuelle Anteile an derartigen Sachwerten zu vergleichsweise geringen Kosten herauszugeben. „Diese Anteile, die sogenannten ‚Token‘, geben dem Anleger ein Recht darauf, an Mieteinnahmen und am Erlös beim Verkauf des Gutes teilzuhaben“, sagt Hülsmann.

Finexity stellt den mehr als 6000 registrierten Privatanlegern je nach Objekt eine Jahresrendite zwischen fünf und sieben Prozent in Aussicht. „Man muss einen Großteil des Gewinns schon mit dem Einkauf erwirtschaften“, so Hülsmann. Einem Laien werde es aber kaum gelingen, günstig genug zum Beispiel an besondere Diamanten oder Kunstobjekte wie Skulpturen von Ai Weiwei und Jeff Koons zu kommen: „Bei einem Juwelier wären die Diamanten doppelt so teuer, Kunstgalerien haben oftmals eine Gewinnmarge von 50 Prozent.“

„Wir müssen die Sachgüter vorher ankaufen"

Doch Finexity könne selbst wie ein Händler agieren und habe unter anderem vier Fachleute für die Immobilienbewertung im eigenen Unternehmen sowie ein „großes Netzwerk von unabhängigen Experten“ etwa für Edelsteine oder Oldtimer wie einen Porsche 911 2,7 Targa aus dem Jahr 1975, der für 165.000 Euro angekauft wurde. „Ich selbst sammele seit sieben Jahren Kunst und habe viele Kontakte in der Szene aufgebaut“, ergänzt Hülsmann.

Für die Kunden ist der Kauf der „Token“ im Wert von jeweils mindestens 500 Euro mit Kosten zwischen fünf und acht Prozent verbunden, die die Rendite schmälern. „Wir müssen die Sachgüter vorher ankaufen und haben dadurch Vorfinanzierungskosten, außerdem sorgen wir für die sachgemäße Aufbewahrung“, sagt Hülsmann. Manche der Kunstwerke befinden sich in einem Zollfrei-Lager in Luxemburg – laut Hülsmann „das sicherste der Welt“ – andere sind in Hamburg und in Düsseldorf gelagert. Weine sind in speziell klimatisierten Lagern in London und Bordeaux untergebracht.

Finexity richtete 2021 einen Zweitmarkt ein

Während Finexity nach Angaben des Vorstands im vergangenen Jahr Sachwerte im Volumen von 11,5 Millionen Euro finanziert hat, sollen es 2022 schon 50 Millionen Euro sein. Vor allem aber will man noch in diesem Jahr erste Verkäufe in jeder Anlageklasse realisieren, um auch beweisen, zu können, dass die beworbenen Renditen realistisch sind. Denn bisher kann das Unternehmen dazu nur auf historische Wertsteigerungen verweisen – wie etwa bei den Top-Klasse-Weinen, zu denen es heißt, sie hätten über die zurückliegenden zehn Jahren Renditen von jährlich mehr als zehn Prozent erzielt, und das bei sehr geringen Wertschwankungen von höchstens etwa fünf Prozent.

Allerdings binden sich die Kunden für zum Teil recht lange Anlagezeiträume, bei den Immobilien für immerhin 15 Jahre. Um diese Hemmschwelle abzubauen, hat Finexity im Sommer 2021 einen eigenen Zweitmarkt eingerichtet, auf dem die „Token“ anderen Kunden angeboten werden können. „Das schafft maximale Transparenz für die Anleger“, sagt Hülsmann: „Aktuell wurden zwölf Prozent der ausgegebenen Anteile schon tatsächlich über den Zweitmarkt gehandelt.“

Zwei Gruppen von Kunden

Nach der Beobachtung von Hülsmann gibt es zwei Gruppen von Kunden: Personen über 50, die über ein gewisses Vermögen verfügen, aber mit Blick auf den Ruhestand in zusätzliche neue Anlageklassen investieren wollen, und jüngere Menschen zwischen 25 und 40, die sich noch keine eigene Immobilie leisten können, aber dennoch von den Chancen dieses Marktes profitieren wollen.

Von den knapp 40 Finexity-Beschäftigten sind etwa die Hälfte IT-Fachleute, die sich um die Blockchain-Technologie kümmern. Mithilfe dieser Technologie werden Vermögensgegenstände in digitale Anteile, eben die „Token“, zerlegt. Das tut seit 2019 zum Beispiel auch das Hamburger Unternehmen Exporo mit Immobilien. Rechtlich gesehen werden die Käufer solcher Anteile allerdings nicht direkte Miteigentümer des jeweiligen Gegenstands, sondern sie geben dem Anbieter quasi einen Kredit. Im Unterschied zu dem Käufer eines Immobilienfondsanteils wird man also nicht tatsächlich Teilhaber des Objekts, sondern Gläubiger einer Finexity-Tochter, die die Immobilie gekauft hat. Was der Finexity-Kunde erhält, ist eine nachrangige Schuldverschreibung – und hier setzt regelmäßig Kritik an.

Höheres Zinsversprechen bedeutet höheres Risiko

„Grundsätzlich kann man sagen, dass es sich hierbei um riskante Anlageprodukte handelt“, sagt Sandra Klug, Geldanlageexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg, dem Abendblatt. „Es handelt sich um Nachrangdarlehen, im Falle einer Insolvenz steht die eigene Forderung hinter allen anderen Gläubigern.“

Diese Art von Finanzprodukten eigne sich auch nicht als Altersvorsorge: „Wenn überhaupt, sollte hier nur ‚Spielgeld‘ eingesetzt werden“, so Klug. Mit Blick auf die in Aussicht gestellten Renditen sagt die Expertin: „Je höher das Zinsversprechen, desto höher das Risiko.“ Auch auf der Internetseite von Finexity selbst findet sich der gesetzlich vorgeschriebene Hinweis: „Der Erwerb dieser Wertpapiere ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen.“

Hamburger Start-up will auf mehr Vielfalt setzen

Doch mehr als 70 Prozent der Kunden haben in mindestens drei verschiedene der angebotenen Sachgüter investiert, sagt Hülsmann. In diesem Jahr will er den Interessenten noch mehr Vielfalt bieten und drei neue Klassen von Anlagegütern einführen – welche das sind, verrät er noch nicht. Spätestens im zweiten Quartal will Hülsmann zudem den Vertrieb, der bisher über das Internet und über selbstständige Vermögensverwalter erfolgt, noch breiter aufstellen: „Wir werden dann mit einer größeren Bank kooperieren.“