Hamburg. Die neue Technologie soll im neuen Showroom im Dockland-Haus anfassbar gemacht werden. Für wen das Angebot zunächst geplant ist.
Mit künstlicher Intelligenz (KI) kommen die Hamburger schon jetzt vielfach im Alltag in Berührung. Meist bleibt sie unsichtbar, etwa in Sprachassistenten wie Alexa oder Siri, in den Routenplanern von Navigationssystemen sowie in den Filmvorschlägen von Streamingdiensten wie Netflix.
Doch man kann dieser Technologie auch wortwörtlich auf der Straße begegnen: Einer der beiden Lieferroboter, die bei der Eröffnung des neuen Hamburger KI-Showrooms zu sehen waren, kurvte noch wenige Stunden zuvor im Einsatz für Lebensmittelhändler und Kioske durch Eimsbüttel. Auch in diesem putzigen sechsrädrigen Gefährt arbeiten Computerprogramme, die nicht starr immer die gleichen Regeln anwenden, sondern die dazulernen können.
Künstliche Intelligenz: Autonomes Fahren und automatische Bilderkennung
Neben dem autonomen Fahren ist die automatische Bilderkennung eine der Stärken der KI. Zwei Anwendungsbeispiele aus dem Showroom zeigen das: Ein Roboter des Hamburger Start-ups Synergeticon sortiert nicht nur Werkstücke anhand von Videobildern, er kann auch mit Menschen gewissermaßen im Team arbeiten, ohne dass es zu riskanten Situationen kommt, weil er das rechtzeitig sehen würde. Lufthansa Industry Solutions wiederum zeigt anhand eines Modells mit kleinen Koffern, wie eine KI in der Gepäckförderanlage eines Flughafens mittels einer Kamera rechtzeitig merkt, wenn etwa der ausgefahrene Griff eines Rollkoffers über den Förderkorb hinausragt und sich zu verhaken droht – was die gesamte Anlage stoppen würde.
„Es ist wichtig, dass wir der Gesellschaft zeigen können, was wir hier tun“, sagte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) bei der Eröffnung des Showrooms im Artificial Intelligence Center Hamburg (Aric) im Dockland-Haus am Elbufer.
Senator Westhagemann: KI soll die Arbeit erleichtern
„Wenn sie von KI hören, fragen sich viele Menschen: Ist das vielleicht gefährlich? Hiermit können wird deutlich machen, dass es nicht gefährlich ist“, so Westhagemann. Es gehe vielmehr darum, den Menschen die Arbeit zu erleichtern. „Wir haben aber schon jetzt einen großen Fachkräftemangel – auch daher wird die Bedeutung von KI in den nächsten Jahren extrem zunehmen, und aus diesem Grund ist sie in unserer regionalen Innovationsstrategie verankert“, sagte der Senator.
Nach Angaben von Aric-Vorstand Michael Koch werden zunächst Studenten und Schulklassen den Showroom besuchen können. Es ist aber vorgesehen, ihn ständig mit neuen Anwendungsbeispielen zu erweitern und künftig auch an anderen Plätzen in Hamburg der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Auch die Lufthansa nutzt bereits KI für viele Anwendungen
Neben Westhagemann nahmen Susan Wegner, Leiterin der Geschäftseinheit Artificial Intelligence & Data Analytics bei Lufthansa Industry Solutions, sowie Andres Sutt, Minister für Unternehmertum und Informationstechnologie der Republik Estland, an der Eröffnungszeremonie teil. Lufthansa Industry Solutions mit Sitz in Norderstedt nutzt KI für eine Reihe von Anwendungen – etwa um frühzeitig abschätzen zu können, wie viele Mahlzeiten für die Bordverpflegung einer Fluggesellschaft oder auch in einer Firmenkantine voraussichtlich wirklich benötigt werden.
„Durch die Digitalisierung wird sich die Wirtschaft in den nächsten Jahren noch schneller wandeln, als sie sich schon in den vergangenen 25 Jahren verändert hat“, ist Andres Sutt überzeugt. Estland selbst treibt diesen Wandel mit an: Nirgendwo auf der Welt ist die Zahl der sogenannten „Einhörner“, das sind Start-ups mit einer Milliardenbewertung, pro Kopf höher. Der Showroom zeige, wie internationale Zusammenarbeit funktioniert, sagte Sutt: Hersteller des Starship-Lieferroboters ist eine in Estland gegründete Firma.
Insgesamt 120 Hamburger Unternehmen und Institutionen mit KI beschäftigt
In Hamburg beschäftigen sich dem Branchennetzwerk AI.Hamburg zufolge rund 120 Unternehmen und Institutionen mit KI-Technologien. Im Dezember erhielt das Kooperationsprojekt „Alstartup.hub Hamburg“ als eine von bundesweit vier Modellregionen für KI-Start-ups einen Zuschuss von 3,8 Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium. Damit soll die Entstehung von Unternehmen in Zukunftstechnologien angeregt und gefördert werden.
Das Know-how-Zentrum Aric ist im September 2019 gegründet worden, um die Potenziale dieser Zukunftstechnologie in der Metropolregion durch anwendungsorientierte Forschung zu fördern und die Chancen einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen. Es ist kein Zufall, dass Vertreter aus Estland bei der nun erfolgten Showroom-Eröffnung persönlich anwesend waren, denn Hamburg und der baltische Staat haben bereits im Februar 2020 ein Abkommen unterzeichnet, das eine engere Zusammenarbeit im Hinblick auf KI und Digitalisierung zum Inhalt hatte – und bei dieser Gelegenheit kam von der estnischen Delegation die Anregung zu einem Showroom.
Estland gilt weltweit als einer der Vorreiter in der öffentlichen Verwaltung
Estland gilt aber auch weltweit als einer der Vorreiter, wenn es darum geht, moderne Technologie für die öffentliche Verwaltung nutzbar zu machen. So können die Bürgerinnen und Bürger dort schon jetzt auf 99 Prozent aller staatlichen Dienstleistungen online zugreifen, 98 Prozent der Menschen reichen ihre Steuererklärung digital ein.
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Sogar Rechtsstreitigkeiten können in der ersten Instanz und bis zu einem Streitwert von 7000 Euro durch eine KI entschieden werden. Gefällt das Urteil einer der beiden Streitparteien nicht, kann Berufung eingelegt werden, dann kommt die Sache vor einen menschlichen Richter.