Hamburg. Vorstandssprecher Vogelsang über Strafzinsen, den Schließfachraub von Norderstedt und in welchen Stadtteilen sich Immobilienkäufe lohnen.

In der Pandemie konnte die Hamburger Sparkasse ihre Ertragslage deutlich verbessern. Zufrieden ist Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang mit dem Ergebnis dennoch nicht. Im Abendblatt-Interview erzählt der wichtigste Banker in Hamburg, was er mit Blick auf die Strafzinsen erwartet, in welchen Stadtteilen sich noch Immobilienkäufe lohnen könnten und wie sich die Verbraucherpreise entwickeln werden.

Hamburger Abendblatt: Wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsverlauf 2021, nachdem das Nachsteuerergebnis im ersten Halbjahr mit zehn Millionen Euro schon höher war als der gesamte Jahresgewinn 2020 von neun Millionen Euro?

Harald Vogelsang: Wir rechnen zum Jahresende mit einem Gewinn von etwa 20 Millionen Euro. Damit sind wir zwar vor dem Hintergrund der aktuellen Rahmenbedingungen zufrieden. Aber auf Dauer ist das viel zu wenig für eine Sparkasse unserer Größenordnung. Vor allem beeinträchtigt uns nach wie vor die anhaltende extreme Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Aber wir leiden auch unter Auswirkungen der Corona-Pandemie. Wenn wenige Touristen in der Stadt sind, fehlen uns mehrere Millionen Euro an Einnahmen aus dem Kreditkartengeschäft und für Fremdabhebungen an Geldautomaten.

Hat es auch etwas mit dem inzwischen angelaufenen Sparprogramm zu tun, dass der Gewinn trotz der Belastungen mehr als verdoppelt werden konnte? Und wie viele Beschäftigte und Filialen hat die Haspa derzeit überhaupt noch?

Vogelsang: Unser Zukunftsprojekt „Spring“ beginnt sich auszuzahlen. Per Jahresende haben wir etwa 4500 Beschäftigte, vor einem Jahr waren es rund 4700. Derzeit haben wir 108 Filialen. Wie geplant sollen es im Jahr 2024 noch 100 sein. Wir investieren aber auch weiter in den Umbau dieser Standorte in Nachbarschaftsfilialen genauso wie in unsere IT. Mit der Übertragung unserer Wertpapierabwicklung auf die spezialisierte dwp Bank können unsere Kunden nun ganz bequem online ihr Anlagevermögen analysieren und Wertpapier-Sparpläne aus einem großen Angebot an Aktien oder ETFs einrichten.

Wirkt sich die Corona-Situation dämpfend auf das Kreditgeschäft aus – etwa bei den Immobiliendarlehen, die zuletzt immer ein Wachstumsträger waren?

Vogelsang: Nein, wir können nicht erkennen, dass es bei Finanzierungen eine Zurückhaltung aus Verunsicherung über die Wirtschaftsperspektiven gäbe. Unser Start-up-Team hat in diesem Jahr 364 Existenzgründungen unterstützt – das ist das beste Ergebnis aller Zeiten. Insgesamt rechnen wir bei Krediten – und das sind zum großen Teil gewerbliche und private Immobilienfinanzierungen – mit einem Neugeschäft von sieben Milliarden Euro, deutlich mehr als im Vorjahr.

Im privaten Sektor ist viel Eigenkapital vorhanden, auch weil die Menschen seit fast zwei Jahren deutlich weniger reisen. Mancher zögert eher wegen der hohen Preise, was mehr als verständlich ist. Andererseits gibt es selbst innerhalb der Stadtgrenzen immer noch Lagen, in denen man Eigentumswohnungen für 4500 Euro pro Quadratmeter kaufen kann und trotzdem sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln an die City angebunden ist. In Stadtvierteln wie Rönneburg, Wilstorf, Rahlstedt, Meiendorf, Jenfeld, Bergedorf, Öjendorf oder Horn kann man gut wohnen, ohne die weite Anfahrt aus entfernteren Umlandgemeinden in Kauf nehmen zu müssen.

Sehen Sie eine Zunahme der Kreditausfälle wegen der Corona-Auswirkungen?

Vogelsang: Wir hatten eine solche Zunahme bereits für Ende diesen Jahres erwartet, aber die Ausfälle liegen weiter auf einem sehr niedrigen Niveau. Ich fürchte nur, dass das nicht so bleibt. Viele Menschen beschleicht ja jetzt das Gefühl, dass es auch noch eine fünfte oder sogar sechste Corona-Welle geben wird – und die Gefahr, dass gerade kleinere Firmen das Handtuch werfen, nimmt mit jeder Welle zu. Insofern ist es gut, dass die Hilfsprogramme weiterlaufen und auch die Finanzbehörde zusammen mit der IFB und den Hamburger Banken den Schulterschluss für eine Unterstützung der Unternehmen vor Ort noch mal verlängert haben.

Wie entwickelt sich das Wertpapiergeschäft, und wie beurteilen Sie den Plan der neuen Bundesregierung, wenigstens für einen kleinen Teil der Rente in den Aktienmarkt zu investieren?

Vogelsang: Der Plan geht genau in die richtige Richtung, die Dimension ist aber nicht ausreichend. Es wäre zudem wünschenswert, wenn die Politik auch das private Aktiensparen wieder stärker fördern würde, wie das bis in die 1980er-Jahre ja getan wurde. Man könnte zum Beispiel die Kapitalertragssteuer auf Aktienverkäufe nach einer gewissen Haltedauer wegfallen lassen, um kleinere Anleger zu unterstützen. Immer mehr Menschen erkennen, dass Aktien eine sinnvolle Anlage sind, wir sehen das auch an unseren Wertpapierumsätzen, die in diesem Jahr um 20 Prozent zugenommen haben, wobei Aktiensparpläne eine große Rolle spielen.

Begünstigt wird dieses Interesse an Wertpapieren auch durch sogenannte Neo-Broker, die gerade jüngeren Menschen einen neuen Zugang zur Börse ermöglichen. Das ist nicht in jedem Fall eine gute Sache – jedenfalls dann nicht, wenn es dazu führt, dass jemand in Titel eines einzelnen Unternehmens investiert, ohne genau zu wissen, was er da eigentlich kauft und womit diese Gesellschaft ihr Geld verdient. Manches daran erinnert dann doch an die Blütezeit des Neuen Marktes. Hier würde ich mir mehr Aufklärung wünschen. Gleiches gilt für Krypto-Anlagen, die aus unserer Sicht sehr spekulativ sind.

Die Inflationsrate für November lag bundesweit bei sechs Prozent. Wie geht es an der Preisfront weiter?

Vogelsang: Es ist extrem schwierig zu prognostizieren, wie viel davon nur vorübergehend ist. Ich denke aber schon, dass wir auch auf längere Sicht noch mit Preissteigerungsraten irgendwo zwischen 2,5 Prozent und vier Prozent leben müssen.

Wäre das nicht eigentlich der Anlass für die EZB, von den Negativzinsen endlich wieder wegzukommen?

Vogelsang: Die EZB hat es schwerer als die amerikanische Fed, jetzt den richtigen Weg zu finden. Sie will nicht riskieren, die konjunkturelle Erholung nach dem tiefen Corona-Einbruch wieder zu gefährden, zumal südeuropäische Länder weiter am Tropf der Niedrigzinsen hängen. Die Deutschen sparen allerdings vor allem über Lebensversicherungen und auf Bankkonten und leiden damit besonders unter der Zinssituation.

Die Haspa verlangt ihrerseits von Privatkunden einen Negativzins von 0,5 Prozent bei Beträgen oberhalb von 50.000 Euro. Ist das eigentlich nötig, da die EZB den Geschäftsbanken hohe Freibeträge einräumt, bis zu denen sie keinen Negativzins an die Notenbank zahlen müssen?

Vogelsang: Zunächst einmal reichen wir nur einen Teil dessen weiter, was wir selber zahlen müssen. Einschließlich weiterer Abgaben sind es sogar 0,63 Prozent, die die Einlagen uns kosten. Unser Freibetrag dort liegt bei zwei Milliarden Euro. Das klingt viel, aber pro Haspa-Kunde gerechnet sind es nur gerade einmal 2000 Euro, während wir jedem Privatkunden einen Freibetrag von 50.000 Euro einräumen und dem Geschäftskunden 100.000 Euro. Das heißt, die restlichen Beträge gleichen wir auf eigene Kosten aus.

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes sind Gebührenerhöhungen von Banken und Sparkassen seit dem 1. Januar 2018 unwirksam. Die Postbank hat ihren Kunden bereits freiwillig zu viel gezahlte Gebühren zurückgezahlt. Warum tut die Haspa dies nur nach Aufforderung durch die Kunden?

Vogelsang: Bei uns liegt der Fall etwas anders. Wir haben nicht – wie die Postbank – plötzlich Gebühren auf ein vorher kostenloses Konto erhoben. Wir haben mit unseren Kunden im Gegenzug für unsere Leistungen einen fairen Preis vereinbart. Aber auch wir müssen nun Hunderttausenden unserer Kunden aufgrund des Urteils 144 Seiten Allgemeine Geschäftsbedingungen per Post schicken, was nicht gerade klimaschonend ist. Wenn sich einzelne Kunden bei uns beschweren, dann vor allem darüber, dass sie jetzt diese 144 Seiten lesen sollen.

Kriminelle haben vor fast fünf Monaten bei der Haspa in Norderstedt 600 Schließfächer ausgeräumt – nur in 150 Fällen wurde der Schaden bisher reguliert. Warum dauert das so lange?

Vogelsang: Bis zum Jahresende werden es etwa 200 Fälle sein. Auch uns dauert das zu lange. Aber Sie können sich nicht vorstellen, wie es in dem Tresorraum nach dem Einbruch aussah: Der Inhalt aller Schließfächer war einfach auf den Boden geworfen worden, bevor sich die Kriminellen bedient haben. Wir waren wochenlang allein damit beschäftigt, die Gegenstände und Dokumente zu sortieren und den Kunden zuzuordnen. Schließlich muss alles plausibel dokumentiert werden, damit die Versicherung auch den Schaden übernimmt. Zur Zeit arbeiten 30 Haspa-Mitarbeiter nur an der Regulierung der Schäden.

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Wann wird das Kapitel für die Haspa abgeschlossen sein – und sind die Schließfachräume vielleicht auch in anderen Filialen nicht sicher genug?

Vogelsang: Ich kann nicht ausschließen, dass uns Einzelfälle insbesondere bei fehlender Dokumentation auch noch über 2022 hinaus beschäftigen werden. Was die Sicherheit angeht, so haben wir uns nichts vorzuwerfen. Es ist vorher noch nirgendwo in Deutschland mit derart exorbitanter krimineller Energie in einen Tresorraum eingebrochen worden. Die Täter haben eine leer stehende Arztpraxis über der Filiale für Monate angemietet, um schräg durch die Decke bohren zu können. Ich habe mir das vor Ort angeschaut: Unglaublich!