Hamburg. Drogeriemarktkette Budnikowsky entdeckt Berlin als lukrativen Markt. In Hamburg könnten Corona-Testcenter bald wiedereröffnet werden.

Es ist eine Premiere in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Traditionsunternehmens Budnikowsky: Erstmals plant der Hamburger Drogeriemarktführer mehr Neueröffnungen in Berlin als im Stammgebiet in der Metropolregion. Sechs neue Märkte sollen bis Ende 2022 in der Bundeshauptstadt dazukommen.

„Wir sind in Berlin angekommen. Unsere beiden Filialen in Prenzlauer Berg laufen sehr gut, und können durchaus mit guten Hamburger Standorten mithalten“, sagt Nicolas Wöhlke, jüngster Sohn des langjährigen Budnikowsky-Chefs Cord Wöhlke und Expansionsleiter des Unternehmens.

Bereits zwei weitere Märkte haben in den Stadtteilen Friedrichshain und Frie­denau eröffnet. „Im Januar starten wir mit unserem ersten Berliner Prestige-Standort in der Friedrichstraße“, so der 36-Jährige. Die Suche nach weiteren Verkaufsflächen im gesamten Stadtgebiet ist in vollem Gang.

Budni eröffnet neue Filialen in Berlin

Nach wirtschaftlich schwierigen Jahren ist Budnikowsky wieder auf Wachstumskurs. Nachdem das Familienunternehmen im vergangenen Jahr aus den roten Zahlen gekommen war, erwartet Geschäftsführer Christoph Wöhlke auch für 2021 einen positiven Geschäftsverlauf. „Auf der Ergebnisseite werden wir uns wesentlich besser entwickeln als die schwarze Null, die wir 2020 erreicht haben“, sagt er im Abendblatt-Doppelinterview mit seinem Bruder Nicolas Wöhlke.

Dabei sei das Jahr quasi zweigeteilt: Während der Phase des Lockdowns habe es Wachstum in den Filialen gegeben. Nachdem dann quasi alle Geschäfte im Mai wieder öffnen durften, hätten sich die Umsätze erneut stärker verteilt. Entscheidend für den Abschluss sei jetzt der Dezember. „Weihnachten entscheidet sich, wie das Geschäftsjahr ausgehen wird.“

Budnikowsky: Pandemie beeinflusst auch die Expansionspläne

Die Pandemie beeinflusst auch die Expansionspläne. „Corona hat für den Handel ein bisschen was von einem Sprung in die Zukunft. Das, was vorher schon schwieriger war, ist noch schwieriger geworden. Was in der Vergangenheit stärker geworden ist, hat sich weiter verstärkt“, sagt Christoph Wöhlke. Der Trend, vor allem in der Nachbarschaft rund um den Wohnort zu kaufen, verfestige sich. Frühere 1a-Lagen in der Innenstadt oder in Einkaufszentren erholten sich dagegen nicht wie erwartet.

In Hamburg und Umgebung, wo die 1912 gegründete Gesellschaft mit mehr als 180 Märkten bis in die Stadtteile hinein engmaschig vertreten ist, drückt die Geschäftsführung bei der Expansion daher eher auf die Bremse. Gerade mal zwei Neueröffnungen in Tostedt (Landkreis Harburg) und Wedel (Kreis Pinneberg) stehen aktuell auf der Agenda. „Wir gucken auch dahin, wo die Hamburger ihr zweites Zuhause haben. An der Nord- und Ostsee sehen wir noch Potenzial“, so Christoph Wöhlke.

In den Budni-Märkten gibt es Fanartikel des FC St. Pauli

Großer Schwerpunkt der Expansion ist allerdings Berlin. Bis Ende 2022 will die Inhaberfamilie etwa drei Millionen Euro in der Bundeshauptstadt investieren und 140 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigen. Dabei tritt die Nummer vier auf dem deutschen Drogeriemarkt in der Hauptstadt mit einem regionalisierten Konzept gegen die zen­tralgesteuerte Konkurrenz von dm, Rossmann und Müller an. In den drei Jahren seit dem Start sei das Angebot immer stärker an die Bedürfnisse der Kunden angepasst worden.

„Wir schöpfen aus dem gleichen Grundsortiment wie in Hamburg, aber ergänzen dort mit regionalen Lebensmitteln und Artikeln von Berliner Start-ups“, so Expansionsleiter Nicolas Wöhlke. Dabei solle die Hamburger Identität nicht versteckt werden. „Wir sind wie ein Hamburger, der nach Berlin zieht, viele gute Dinge mitbringt und sich zugleich stark vom neuen Umfeld inspirieren lässt“, sagt sein Bruder Christoph Wöhlke. So gebe es in den Märkten auch Fanartikel des FC St. Pauli, die sehr gut verkauft würden. Langfristig, so das Ziel, soll Berlin als zweites Standbein aufgebaut werden.

Budni: Konkurrenz unter gleichen Namen

Dabei gibt es inzwischen quasi Konkurrenz unter gleichen Namen. Die Inhaberfamilie Wöhlke hatte 2017 einen Strategiewechsel eingeleitet und ist eine Kooperation mit dem Edeka-Verbund eingegangen. Das Gemeinschaftsunternehmen, in dem die Bereiche Einkauf, Logistik, Marketing und IT ausgegründet worden waren, ist inzwischen komplett in der Hand von Edeka. Das Ziel: günstigere Einkaufspreise in dem hart umkämpften Drogeriegeschäft.

Parallel betreibt Edeka bundesweit auch eigene Budnikowsky-Märkte. In diesem Jahr hat die zuständige Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover erstmals auch zwei Filialen in Berlin eröffnet. Gerade ist ein weiterer Standort in Potsdam dazugekommen. „Das ist sogar ein Vorteil. Denn so wird der Name Budni in Berlin bekannter“, sagt Geschäftsführer Christoph Wöhlke. Er hatte die Expansion in die Hauptstadt 2018 mit dem ersten Budni-Markt in Gang gesetzt.

Inzwischen leitet der 44-Jährige gemeinsam mit dem früheren Edeka-Manager Carsten Neumann das operative Geschäfte der Ivan Budnikowsky GmbH & Co. KG. Hinter den Kulissen haben die Wöhlkes die Strukturen im Stammunternehmen neu geordnet. Dabei übernimmt auch Nicolas Wöhlke mehr Verantwortung. Zusätzlich zu seinen Aufgaben als Expansionsleiter steuert er als Geschäftsführer einer neu gegründeten Tochtergesellschaft den verstärkten Markteintritt direkt vor Ort in Berlin. Der Absolvent der renommierten Universität St. Gallen arbeitet seit zehn Jahren an unterschiedlichen Positionen im Familienunternehmen, war aber lange weniger präsent als seine älteren Geschwister Christoph und Julia, die zunächst auch in der Geschäftsführung des Unternehmens war und inzwischen die Budnianer-Stiftung leitet.

2022 will Vater Cord Wöhlke sich komplett zurückziehen

Die Neuordnung an der Spitze hat auch mit dem Rückzug von Cord Wöhlke zu tun, der sich nach mehr als 50 Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat mit der Ankündigung 2022 komplett aus der Geschäftsführung auszuscheiden. Für das Unternehmen ist das eine Zäsur. Ambitionen, in die Geschäftsführung einzuscheren, habe er im Moment nicht, sagt Nicolas Wöhlke. „Mein Bruder macht das super und ich halte ihm in anderen Bereichen den Rücken frei. Das ist eine gute Lösung.“

Dass sich die Brüder bei Entscheidungen etwa über neue Standorte in die Quere kommen, erwarten sie trotz unterschiedlicher Führungsebenen nicht. „Wir glauben nicht an hierarchische Entscheidungen, sondern an Diskussion und Wahrheitsfindung im Dialog“, sagt Christoph Wöhlke. Das letzte Veto habe sowieso der Gesellschafter – in diesem Fall ist das Vater Cord Wöhlke. „Aber ich kann nicht erinnern, dass es das jemals gegeben hat.“

Öffnen die Corona-Testcenter bei Budni in Hamburg wieder?

Eine Entscheidung, die schon in den nächsten Tagen fallen wird, ist die Wiedereröffnung von Corona-Testcentern. Budnikowsky war 2020 in das Geschäft eingestiegen und hatte zunächst mit einem Partner und später unter eigener Regie bis zu neun Schnellteststationen in Hamburg betrieben. „Wir sprechen gerade mit den Bezirken“, sagt Christoph Wöhlke.

Dabei gehe es darum, mehr Kapazitäten bei den kostenlosen Bürgertests aufzubauen. Ob es weitere Angebote geben wird, womöglich auch Impfangebote, soweit sie mit rechtlichen Rahmenbedingungen vereinbar seien, ist noch offen. „Wir sind bereit an jeder Stelle zu helfen. Und wenn es beim Impfen sein soll, dann sind wir auch bereit, den Zugang zum Impfen zu erleichtern.“