Hamburg. Nicht erst seit Corona sind die Anbieter von Lebensmitteln auf Wachstumskurs. Welche Pläne die großen Ketten jetzt verfolgen.
Während der Pandemie war und ist Einkaufen bei Edeka, Rewe, Lidl oder Aldi für viele Menschen oft die einzige Abwechslung im trüben Corona-Alltag. Mit einem Teller voller Tapas eine Reise nach Spanien simulieren, mit einem süßen Schokopudding das Seelentief im Homeoffice überstehen, solche kleinen Belohnungen gönnten sich die Menschen in den vergangenen Monaten immer wieder. Der Umsatz der Lebensmittelhändler stieg, während in Modegeschäften oder bei Reisebüros die Krise tiefe Spuren hinterließ.
Der Corona-Turbo beflügelt den Lebensmittelhandel in einer Phase, in der die Branche ohnehin stark expandiert. Eine ganze Reihe von großen Handelsketten ist derzeit auf der Suche nach geeigneten Immobilien für neue Standorte für weitere Supermärkte, ergab eine Umfrage des Abendblattes.
Einzelhandel in Hamburg: Edeka eröffnete 50 neue Standorte
Allein Edeka hat in den vergangenen drei Jahren 50 neue Standorte in Norddeutschland eröffnet. „Zusätzlich wurden diverse Märkte erweitert oder modernisiert“, sagt ein Unternehmenssprecher von Edeka Nord mit Blick auf das Geschäftsgebiet dieser Gruppe. Es umfasst Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern sowie die nördlichen Teile von Niedersachsen und Brandenburg.
Und das Wachstum bei Edeka soll weitergehen. „Wir sehen sowohl in Hamburg als auch in ländlichen Gegenden großes Potenzial“, betonte der Sprecher. Wo immer Wohngebiete entstehen, sind neue Supermärkte schon am Start. Beispiel Baakenhafen in Hamburg, wo derzeit Familien, Senioren oder Studenten in neugebaute Wohnhäuser mit Blick auf Schiffe und Schuten einziehen: Hier hat Magdalena Petersen im Sommer eine neue Edeka-Filiale eröffnet. Die 42-Jährige, die selbst ebenfalls in der HafenCity wohnt, glaubt an einen anhaltenden Erfolg nach der Pandemie: „Früher haben gerade junge Leute Tütensuppen gekauft, heute kochen sie mit frischen Zutaten und geben viel Geld für Lebensmittel aus“, sagt Petersen über einen Trend, den sie schon vor Ausbruch der Pandemie beobachtet hat.
Edeka, Rewe, Aldi und Lidl gehören zu den großen Spielern
Durch die Übernahme der Supermarktkette Spar Mitte des vorvergangenen Jahrzehnts und später von Plus hat Edeka in den vergangenen Jahren stark an Einfluss und Präsenz gewonnen. Zusammen mit der Rewe-Gruppe, die auch Penny und Nahkauf unter ihrem Dach vereint, sowie der Schwarz-Gruppe mit Lidl, sowie der Metro-Gruppe und Aldi gehört Edeka zu den großen Spielern im Lebensmittelhandel.
Wegen dieser ohnehin schon starken Konzentration ist ein Machtungleichgewicht zwischen Lebensmittelhandel und -anbietern entstanden, insbesondere gegenüber Landwirten. In Preisverhandlungen sehen sich die Bauern einem Oligopol gegenüber, beklagen Betriebe und Verbände, und die Schere wird sich absehbar noch weiter öffnen: Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Handelsberatung BBE, bestätigt, dass wichtige Lebensmittelketten ihre Macht noch stärker ausweiten.
Einzelhandel: Auch kleine Firmen expandieren
Es sei eine weitere Konzentration zu beobachten, eine Filialisierung aus einer kaufmännischen Hand, etwa auch bei Rewe. Das Unternehmen mit Sitz in Köln wollte sich auf Abendblatt-Anfrage nicht zu seinen Expansionsplänen äußern. „Die Großen haben Interesse an der Übernahme guter Standorte“, sagt Stumpf über die Veränderungen in der Handelslandschaft. Das Ziel sei die Sicherung der Marktposition.
Aber auch vergleichsweise kleinere Firmen expandieren. Im Norden wächst etwa die Bartels-Langness Handelsgesellschaft, zu der die Marken Famila und Markant gehören. „Wir planen neue Märkte in unserem gesamten Vertriebsgebiet im Norden Deutschlands“, sagte Solveig Hannemann von der Handelsgruppe mit Sitz in Kiel. In den vergangenen drei Jahren seien neue Famila-Standorte in Jesteburg und Neu Wulmstorf (Landkreis Harburg), Diepholz, Weyhe und in Trittau (Kreis Stormarn) eröffnet worden. Dazu kommen Filialen von Markant in Flintbek und ebenfalls in Trittau. Die Pläne seien aber unabhängig von der Pandemie realisiert worden, so die Sprecherin.
Bringdienste und Onlineanbieter stellen Konkurrenz dar
Die oft traditionsreichen Handelsgruppen stehen auch deshalb unter Druck, weil ihre Position immer stärker von Onlineanbietern angegriffen wird, aber auch von Bringdiensten, die während der Pandemie wie Pilze aus dem Boden schossen, etwa Flink, Gorillas oder Getir. Zudem drängen internationale Internetkonzerne auf den Markt. So erzielt der chinesische Online-Handelsriese Alibaba in Europa bereits 22 Milliarden Euro Umsatz mit Lebensmitteln.
Die neuen Spieler im Geschäft mit Gemüse oder Getränken sparen sich das Verkaufspersonal, betreiben teilweise eigene Lager, benötigen aber keine großen Parkplätze und sichern sich durch Kooperationen gute Konditionen im Einkauf. Bei den klassischen Supermärkten seien zuletzt zwar die Erlöse stark gestiegen, sagt Handelsexperte Stumpf. Grundsätzlich seien die Margen aber gering. „Ertrag bringen hier hauptsächlich Convenience, Gastronomie und Regionalität in Verbindung mit hoher Qualität und Non-Food-Randsortimenten“, zählt Stumpf die Gewinnbringer auf.
Verkaufsflächen von der Größe eines Fußballfeldes
Magdalena Petersen, die Chefin des neuen Edeka in der HafenCity, nennt die ausreichende Größe eines Geschäfts als Grundlage für den Erfolg: Das Bio-Sortiment wachse stark, dazu kämen Produkte für Veganer, die auch nicht nur zwischen zwei Sorten fleischfreier Wurst wählen wollten. Ihr Mann betreibt einen Edeka-Markt in Pansdorf (Kreis Ostholstein). Auch hier zähle die breite Auswahl eines Vollsortimenters, der sich trotz der starken Konkurrenz von immer mehr Geschäften an der Ostsee gut rechne, so Petersen.
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Edeka oder Rewe setzen inzwischen oft auf Läden mit der Fläche eines Fußballplatzes – aber auch die Anbieter schmalerer Sortimente expandieren. So will etwa Lidl neue Läden eröffnen. Das Filialnetz werde vor dem Hintergrund einer wachsenden Bevölkerungszahl in der Metropolregion Hamburg kontinuierlich weiterentwickelt, heißt es von dem Discounter.
Einzelhandel in Hamburg: Aldi expandiert weiter
Auch Aldi, die Mutter der Discounter in Deutschland, will in immer mehr Dörfern und Städten seine Birnen, Bananen und Backwaren verkaufen. Bisher ist Aldi Nord allein im Hamburger Stadtgebiet bereits mit knapp 90 Filialen vertreten, inklusive Umland sind es 250 Märkte. Die Suche nach weiteren Standorten läuft. „Wir wollen unter anderem große Verkaufsflächen von 1000 bis 1200 Quadratmetern mit breiteren Gängen ermöglichen, um unser Sortiment übersichtlich zu platzieren“, sagt ein Sprecher der Gruppe.
Aldi expandiere dabei gleichermaßen in der Stadt und in eher ländlichen Regionen. Ziel seien sowohl zentrale städtische Knotenpunkte, wie es Aldi Nord bereits mit seinem weltgrößten Markt im sogenannten Geschäftshaus Ottensen gleich neben dem Einkaufszentrum Mercado in Altona realisiert habe, aber auch Innenstadtlagen – und nach wie vor das „klassische“, frei stehende Aldi-Geschäft. Für Magdalena Petersen ist die wachsende Konkurrenz in der HafenCity kein Grund zur Sorge. „Gleich nebenan hat Aldi eröffnet“, sagt die Kauffrau. „Das ist eine Win-win-Situation.“