Hamburg. Gerade hatten Dietmar Poszwa und Klaus-Peter Kohl das Schachcafé übernommen. Nun machen sie Pläne für das nächste Lokal in Barmbek.
14,20 Meter hoch, 380 Tonnen schwer – die Namensgeberin ist nicht zu übersehen. Auf dem Platz zwischen Barmbeker Bahnhof und Osterbekkanal ragt die senkrecht stehende Trude am Museum für Arbeit in die Höhe. Ende der 90er-Jahre bohrte sich das Schneidrad für die vierte Röhre des Elbtunnels unter dem Fluss durch. Trude steht als Abkürzung für Tief runter unter die Elbe – und für das gleichnamige Restaurant.
Vor 16 Jahren eröffnete Geschäftsführer Holger Völsch die Gaststätte. „Trude ist mein Baby. Mein Herzblut brennt für sie“, sagt der 54-Jährige: „Aber man soll die Party verlassen, wenn sie am schönsten ist.“ Er und sein langjähriger Geschäftspartner Klaus-Peter Köpke haben ihre Anteile verkauft, erzählt Völsch im Gespräch mit dem Abendblatt im „Weintraum“ genannten Separee des Restaurants. Und einer der neuen Besitzer ist mit dabei: Es ist Dietmar Poszwa, der mit seinem Schwiegervater Klaus-Peter Kohl einst als Boxpromoter agierte und mittlerweile mit ihm zusammen zahlreiche Restaurants in Hamburg führt.
Restaurant: Hofbräu-Chefs kaufen "Trude"
Der Antrieb für den Verkauf sei von Köpke ausgegangen, erzählt Völsch. Er lebe seit Jahren in den USA und wollte aus dem Lokal aussteigen. Völsch suchte eigentlich nach einem Partner, um eine Einkaufsgemeinschaft zu gründen. Denn mit einer gewissen Größe ließen sich bessere Konditionen erzielen. Zwar fanden mehrere Gespräche statt, einen Abschluss gab es aber nicht.
Über einen gemeinsamen Rechtsanwalt kamen im August erste Verhandlungen mit der KPK-Group von Kohl und Poszwa zustande. „Die Chemie stimmte gleich“, sagt Völsch. Allerdings wollte die KPK-Group 100 Prozent der Anteile, um die alleinige Entscheidungsgewalt zu haben. Völsch überlegte kurz und stimmte dann auch einem Verkauf seiner Anteile zu. Über den Kaufpreis haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart.
Restaurant "Trude" sollte 2021 wieder Gewinn bringen
Ein wirtschaftlicher Notverkauf wegen einer coronabedingten angespannten Finanzlage sei es nicht gewesen, betont Völsch. Wie die gesamte Gastronomie habe auch die Trude unter den Lockdowns gelitten und sinkende Umsätze hinnehmen müssen. Aber dank staatlicher Hilfen und dem Aufbau des eigenen Lieferdienstes, bei dem die Servicekräfte die Speisen zustellten, sei man ordentlich durch die Krise gekommen.
- Ex-Boxprofi Krasniqi übernimmt Traditionslokal in Geesthacht
- Was Gastronomen zur neuen 2G-Regelung sagen
- Fachmagazin verleiht Gastro-Oscars – auch an einen Hamburger
- Wo 2G in Hamburg nun zur Pflicht wird – der Überblick
„Wir verdienen 2021 wieder Geld – wenn die Corona-Regeln nicht noch deutlich verschärft werden“, sagt Völsch. Bis Mitte Februar wird er noch als Berater an Bord der Trude bleiben, dann sich als Gastronomieberater selbstständig machen und für sich einen neuen Lebensabschnitt einleiten – was er in einigen Jahren ohnehin geplant hatte. „Ich übergebe an Leute, die bewiesen haben, dass sie erfolgreich in Hamburgs Gastronomie agieren können“, sagt Völsch.
Poszwa: „Das Herz der Trude bleibt bestehen“
Kohl und Poszwa stiegen 2010 in die Hofbräu-Wirtshäuser ein und übernahmen 2018 auch die Anteile ihres Geschäftspartners Frank Blin. Neben den bekannten Hamburger Hofbräu-Wirtshäusern gehören auch eins in Berlin und mehrere Imbisse und Cafés in der Wandelhalle des Hauptbahnhofs zum 14 Betriebe umfassenden Imperium.
Die nun erfolgte Übernahme finanziere man aus eigenen Mitteln, man wolle Mitarbeitern und Partnern zeigen, dass man aus einer Position der Stärke agiere, sagt Poszwa: „Die Trude ist ein super-schöner Laden. Ihr Kauf war eine strategische Entscheidung, um alle Bereiche Barmbeks abzudecken.“ Denn in dem Stadtteil gehören bereits das Quartier 21 und das Schachcafé zur KPK-Group. Anfragen für Veranstaltungen könne man gut auf die drei Gaststätten verteilen. Dass sie sich untereinander Gäste wegnehmen, schließe er aus, sagt der 49-Jährige.
Die 42 Trude-Mitarbeiter sollen übernommen werden, es habe gute Gespräche mit ihnen gegeben. Künftig zentral gesteuert aus der KPK-Group-Zentrale in Wandsbek werden Bereiche wie Einkauf, Logistik, Buchhaltung, Controlling und das Reservierungssystem – bestehende Buchungen bleiben übrigens gültig.
„Das Herz der Trude bleibt bestehen. Am Konzept werden wir nichts ändern. Der Laden ist erfolgreich“, sagt Poszwa und lobt die Speisekarte, auf der auch viele fleisch- und fischlose Gerichte zu finden sind. „Vegetarisch-vegan und Nachhaltigkeit ist in aller Munde – da ist Holger ein Vorreiter“, sagt Poszwa. Die Tiere würden artgerecht gehalten und lebten (zumindest einen Großteil des Jahres) im Freien, heißt es auf der Trude-Homepage.
Restaurant-Terrassen großer Vorteil in der Pandemie
In normalen Zeiten können 250 Gäste innen Platz finden, coronabedingt sind es derzeit nur rund 180. Auf der Terrasse kommen ebenfalls bis zu 250 Menschen unter. Der Außenbereich war für die Branche in den vergangenen Monaten unheimlich wichtig als Erlösbringer. „Wer im Sommer eine große Terrasse hatte, konnte Geld verdienen“, sagt Caspar Schmidt (46), der als Geschäftsführer für eine Reihe der Betriebe von Kohl und Poszwa zuständig ist.
An der frischen Luft ließ sich wegen der geringen Ansteckungsgefahr durch das Virus relativ unbesorgt essen und trinken. So sei der Sommer 2021 des Hofbräus am Speersort sogar besser gewesen als zwei Jahre vorher und damit vor der Pandemie. Das Hofbräu an der Esplanade wurde im August wieder geöffnet, um die Abläufe für den Besucherandrang zu den ab September gefeierten Oktoberfesten einzuspielen.
Weihnachtsfeiern wegen steigender Corona-Zahlen abgesagt
Der Umsatz der KPK-Gruppe mit an die 500 Beschäftigten liegt aber immer noch weit unter Vor-Corona-Niveau. Im vergangenen Jahr brach er um einen zweistelligen Millionenbetrag oder etwa 80 Prozent ein. Für 2021 dürfte er etwa 60 Prozent unter dem Niveau von 2019 liegen. Zufrieden sei er damit natürlich nicht, sagt Poszwa. Weil man die eigenen Firmen in der Krise habe konsolidieren können, sei er über die Geschäftsentwicklung aber immerhin glücklich.
Allerdings erwartet er angesichts der wieder steigenden Corona-Zahlen im November und Dezember nun ein schwächeres Geschäft als in den Vormonaten. So würden auch schon vereinbarte Weihnachtsfeiern aus Verunsicherung wieder abgesagt. Für das nächste Jahr wird Optimismus ausgestrahlt. „Der Drang der Menschen zum Ausgehen ist da. Sobald Feste möglich sind, werden sie stattfinden – und uns wird das eine Welle an Buchungen bringen“, sagt Schmidt.
Auf hohen Zuspruch der Gäste wird auch im Schachcafé gehofft. Im Frühjahr hatte Poszwa den 108 Jahre alten, denkmalgeschützten Bahnhof am Rübenkamp übernommen. Im August sollte die Eröffnung sein. Doch noch immer sind die Türen für Hungrige und Durstige geschlossen. Es habe Materialengpässe und Handwerkermangel gegeben, heißt es. Doch immerhin ist jetzt die Küche drin, und die Zapfanlage ist auch schon eingeweiht.
Restaurant: Das "Schachcafé" in Barmbek eröffnet bald
„Am 1. Dezember soll es im Schachcafé losgehen“, sagt Schmidt, der allerdings noch Personal für dieses Lokal und das Quartier 21 braucht – ein branchentypisches Problem. Über alle Kategorien suche er rund 15 Leute. Um die Chancen zu erhöhen, gebe es einen Willkommensbonus, eine Umsatzbeteiligung der Servicekräfte, für Köche einen Mindestverdienst von 1800 Euro netto im Monat und einen (erhöhten) Einstiegsstundenlohn von elf Euro brutto – hinzu kommen die in der Branche so wichtigen Trinkgelder.
Das nächste Lokal der KPK-Gruppe wartet also auf den (verspäteten) Startschuss. Ob die KPK-Group in Zukunft nochmals zukauft, lässt Poszwa offen: „Zunächst konzentrieren wir uns darauf, die Trude bei uns in die Firmengruppe zu integrieren und das Schachcafé auf ein solides Fundament zu stellen. Aber man soll nie nie sagen.“