Hamburg. In den ersten neun Monaten wurden im Hafen 2,9 Prozent mehr Seegüter umgeschlagen. Rotterdam und Antwerpen wachsen aber schneller.

Sie wurden mit Spannung erwartet, die Umschlagszahlen des Hamburger Hafens für die ersten neun Monate des Jahres 2021. Geht es aufwärts? Bleibt die Lage kompliziert? Am Dienstag nach Bekanntgabe der Zahlen war allen Beobachtern klar: Steckt der Hafen erst einmal im Morast, kommt er dort nur schwer wieder heraus. Zwar haben sich der gesamte Seegüter- und auch der Containerumschlag nach den massiven Rückgängen im Corona-Jahr 2020 wieder stabilisiert.

Eine Rückkehr zu alter Stärke aus der Vor-Corona-Zeit ist aber nicht absehbar. Die Marketingorganisation des Hafens, die im vergangenen Jahr ein Abrutschen der Umschlagsmengen auf 8,5 Millionen 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) verzeichnen musste, erwartet für 2021 nun 8,7 Millionen TEU. Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es noch 9,3 Millionen TEU gewesen.

Hafen Hamburg erholt sich nur mühsam

Im Einzelnen erreichte der Hafen in den ersten neun Monaten 2021 mit 95,8 Millionen Tonnen beim Seegüterumschlag ein Plus von 2,9 Prozent, wobei der Massengutumschlag mit einem Zuwachs von 6,1 Prozent auf 29,7 Millionen Tonnen besonders stark zulegte. An den vier Hamburger Containerterminals wurden insgesamt 6,5 Millionen Transportboxen über die Kaikanten gehievt, 2,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. 2019 waren es zu diesem Zeitpunkt aber schon sieben Millionen TEU gewesen. Das zeigt, dass sich Hamburg nur mühsam vom Corona-Einbruch erholt.

Umso deutlicher wird das beim Blick darauf, wie die Wettbewerbshäfen die Zeit nach dem Lockdown nutzen konnten. Rotterdam hat in den ersten neun Monaten 11,5 Millionen TEU umgeschlagen – ein Plus von 7,8 Prozent. In Bremerhaven konnte der Containerumschlag sogar um 10,2 Prozent auf 3,8 Millionen Standardcontainer gesteigert werden. Antwerpen verzeichnete mit einem Plus von 2,8 Prozent auf 9,1 Millionen TEU zwar auch nur eine leichte Zunahme, hatte aber im Gegensatz zu Hamburg in der Corona-Krise gar keine Rückgänge zu verzeichnen gehabt.

Konkurrenten haben Hamburger Hafen eingeholt

Doch warum kommt der Hamburger Hafen schwerer aus dem Corona-Sumpf als seine westlichen Konkurrenten? Es gebe nicht die eine Ursache, sondern eine Vielzahl von Gründen, meinen Hafenexperten. Beispielsweise schwinde Hamburgs herausragende Bedeutung für den Weitertransport von Waren ins östliche Hinterland, etwa nach Polen und Tschechien, sagt Jan Ninnemann, Logistik-Professor an der Hamburg School of Business Administration (HSBA). Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte der Hamburger Hafen gerade wegen dieser Verbindungen rasant zugelegt. „Die Versorgung dieser Märkte wird den Hamburgern aber inzwischen von anderen Häfen streitig gemacht.“

Hamburgs Hafen ist zwar schon länger teurer als seine Konkurrenten, galt aber stets als einer der produktivsten in Kontinentaleuropa und konnte von diesem Wettbewerbsvorteil profitieren. Doch hier haben die Konkurrenten aufgeholt. „Schaut man sich das APM Terminal an der Maasvlakte II in Rotterdam an, so ist dort der Automatisierungsgrad höher als an Hamburgs modernstem Terminal in Altenwerder, das auch bald 20 Jahre alt ist. Und schaut man sich Antwerpen an, so ist die Produktivität je Mitarbeiter höher“, sagt Ninnemann.

Im Osten und Süden wächst die Konkurrenz

Dem Hamburger Hafen wird aber nicht nur kräftig aus den Westhäfen zugesetzt: Immer mehr Ostseehäfen machen Hamburg die Stellung als sogenannter „westlichster“ Ostseehafen streitig. In der Vergangenheit wurde nämlich Ladung für Skandinavien und das Baltikum vielfach in Hamburg abgeladen und mit kleineren Schiffe durch den Nord-Ostsee-Kanal gebracht.

Inzwischen fahren die großen Seeschiffe ihre Ladung selber dorthin, weil Häfen wie Göteborg und Danzig ausgebaut wurden. Auch im Süden wächst die Konkurrenz: Von den Mittelmeerhäfen wird jetzt verschärft um Ladung aus Süddeutschland und Österreich gebuhlt, die bisher über Hamburg verschifft wurde.

„Es muss jetzt um jeden Container gekämpft werden"

„Das sind geografisch nahe liegende Entwicklungen, die durch die mittlerweile weite Verbreitung des Containers noch begünstigt werden. Erst durch den standardisierten Container, der Transportrevolution des letzten Jahrhunderts, stehen der Ladung mittlerweile so viele intermodale Transportketten zur Verfügung, dass die Austauschbarkeit der Verschiffungshäfen dramatisch gestiegen ist“, sagt Hafenexperte Ulrich Malchow. Loyalität der Ladung oder ihrer Spediteure zu einem Hafen gebe es nicht mehr, wenn es sie überhaupt je gegeben habe.

Prof. Ulrich Malchow.
Prof. Ulrich Malchow. © Ulrich Malchow

„Es muss jetzt um jeden Container gekämpft werden. In dieser Hinsicht sind Rotterdam und Antwerpen einfach aggressiver, smarter sowie pragmatischer und vor allem günstiger“, sagt er. Aggressivität sei naturgemäß die Grundvoraussetzung, um sich auf fremden Märkten zu tummeln. Rotterdam und Antwerpen würden um Container von oder nach Deutschland kämpfen. „Aus Hamburger Sicht ist Deutschland dagegen immer noch der angeborene Heimatmarkt, dessen Ladung dem Hafen quasi automatisch zufließt.“

Hamburger Hafen hat noch eine Chance

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Götz Wiese, bilanziert: „Die bittere Wahrheit ist: Rotterdam und Antwerpen kommen viel schneller aus der Krise. Der Hamburger Hafen muss in allen Bereichen besser werden.“ Nach einem von ihm initiierten Gesprächskreis mit zahlreichen Hafenexperten im Rathaus sagte Wiese: „Fakt ist: Der Hafen ist zu teuer geworden, die Flächenproduktivität ist viel zu gering. Viele Investoren machen um Hamburg einen Bogen. Daher muss jetzt in Innovation und moderne Infrastruktur investiert werden.“

Nun verbleibt dem Hafen noch das vierte Quartal, um seine Jahreszahlen zu verbessern. Und die Chancen sind vorhanden: Durch massive Probleme in den Lieferketten komme Ladung, die eigentlich für das dritte Quartal bestimmt war, erst jetzt nach Hamburg, heißt es Die Umschlagterminals berichten, dass sie aktuell an den Kaikanten volllaufen würden. Vielleicht gibt es ja doch noch eine positive Überraschung zum Jahresende.