Hamburg. Schwere Zeiten für Händler – und Einkäufe. Spielwaren und Elektronikartikel werden knapp. Droht ein Fest ohne Geschenke?

Rohstoffmangel, gestörte Lieferketten, Staus in den Häfen und eine hohe Nachfrage der Konsumenten – seit Monaten kämpfen Händler in Deutschland mit extremen Lieferverzögerungen bei vielen Produkten. Jetzt gerät sogar das Weihnachtsgeschäft des Hamburger Einzelhandels in Gefahr. Viele Waren sind derzeit nicht lieferbar oder kommen erst im neuen Jahr in die Läden. Da drohen ausgedünnte Regale, und der Gabentisch unterm Weihnachtsbaum könnte leerer ausfallen.

„Die Lage ist dramatisch“, sagt beispielsweise Nils Hartfelder, Geschäftsführer der Hartfelder Spielwaren mit sieben Geschäften in Hamburg. Viele Artikel seien jetzt schon ausverkauft, dabei habe das Weihnachtsgeschäft noch gar nicht begonnen. Insbesondere Bestellungen in Asien seien derzeit problematisch. „Wir haben im Februar dieses Jahres begonnen, unsere Waren fürs Weihnachtsgeschäft aufzustocken, und aufgrund der sich abzeichnenden Knappheit zum Teil die Bestellungen verdoppelt“, sagt Hartfelder. „Wir haben zusätzliche Lagerflächen angemietet. Einiges haben wir in ausreichenden Mengen, anderes fehlt. Es heißt, das komme im Februar. Dann ist Weihnachten aber vorbei.“

Einzelhandel Hamburg: Schwere Zeiten fürs Weihnachtsgeschäft

Bis Ostern, so rechnet der Spielwarenhändler, werde der Handel mit dem Problem wohl noch kämpfen. Kinder-CD-Player seien seit einem halben Jahr nicht mehr zu erhalten, ebenso Spielkonsolen. Lieferschwierigkeiten gibt es bei allem, was kleine elektronische Bauteile wie Chips enthält. Die Nachfrage ist riesig, das Angebot gering. Die großen asiatischen Chiphersteller wie in Malaysia haben im Lockdown ihre Produktion heruntergefahren und sind noch nicht wieder bei 100 Prozent.

Hinzukommt ein riesiger Transportstau bei bereits fertiggestellter Ware, weil Container fehlen und der Platz auf den Schiffen knapp ist. Die Reedereien freut das. Sie können derzeit Transportpreise in Rekordhöhe verlangen. So kostet der Transport eines Containers derzeit bis zum Zehnfachen dessen, was dieser vor Corona gekostet hat.

Papiermangel, gestörte Lieferketten – zahlreiche Probleme

Für die Händler ist dies aber ein Problem: Insbesondere kleine Produkte, die normalerweise günstig zu haben sind, werden aufgrund der extrem hohen Transportpreise derzeit gar nicht versendet. „Wer ist schon bereit, für eine Dose Spielschleim, die normalerweise 3 Euro kostet, nun 10 Euro oder mehr zu zahlen?“, fragt Hartfelder. Er rät Kunden, dieses Jahr schnell zu sein, um noch gewünschte Produkte zu erhalten.

Doch nicht nur elektronische Waren aus Asien sind knapp. Probleme gibt es unter anderem auch bei einigen Gesellschaftsspielen. Viele davon werden in Osteuropa hergestellt. Dort gibt es zwar keine Probleme mit den Lieferketten, die Hersteller leiden aber unter dem globalen Papiermangel und müssen deshalb ihre Produktion drosseln.

Beim Hamburger Elektro-Fachhändler Euronics/Buddenhagen schlägt der Mangel an Halbleitern wie Siliziumchips durch. Diese sind in programmierbaren Geräten verbaut. „Bestimmte Geschirrspüler und Waschmaschinen sind in diesem Jahr nicht mehr lieferbar“, sagt Geschäftsführer Manfred Ludwig – obgleich er bereits Anfang des Jahres begonnen habe, Ware zu bestellen.

Handelsverband warnt vor „luftigen Regalen im Dezember“

„Ich habe sogar nachts am Computer gesessen und direkt bei den Herstellern frisch produzierte Chargen von Produkten geordert, die am nächsten Morgen schon nicht mehr im Netz zu finden waren“, sagt er. Die Verkaufsräume der Läden, stünden voll mit noch verpackter Ware, und dennoch seien gewisse Produkte nicht mehr erhältlich. „Große Anbieter wie Bosch und Siemens sind dazu übergegangen, ihre Geräte ohne Smartfunktionen anzubieten, um trotz des Chipmangels Ware zu verkaufen.“ An diesen Geräten sei die entsprechende Taste blind. Auch Ludwig rät den Kunden: „Jetzt schnell losfahren und kaufen, sonst gibt es zu Weihnachten keinen neuen Geschirrspüler oder keinen neuen Backofen für die Weihnachtsgans.“

Der Präsident des Handelsverbands Nord, Andreas Bartmann, warnt bereits vor „luftigen Regalen im Dezember“ vor allem bei qualitativ hochwertigen Produkten. Primär bei Unterhaltungselek­tronik, Spielwaren und Möbeln seien Lücken absehbar. „Viele Händler verkaufen bereits jetzt die Sortimente, die sie eigentlich für das Weihnachtsgeschäft eingeplant haben“, so Bartmann. Er befürchtet deshalb, dass in den nächsten Wochen kaufwillige Kunden in die Geschäfte kommen, aber nicht fündig werden.

Einzelhandel rechnet mit drei bis fünf Prozent Einbußen

„Die Kunden sind gut informiert. Sie wissen heutzutage sehr genau, welches Produkt sie kaufen wollen. Und wenn das nicht vorrätig ist, gehen sie wieder.“ Einige Händler hätten in der Lockdown-Phase auch zu vorsichtig bestellt, sagt Bartmann.

Er rechnet mit „evidenten Umsatzeinbußen“ bei den Hamburger Einzelhändlern, weil Produkte, die eigentlich verkauft werden könnten, nicht da sind. „Je nach Branche dürften diese Einbußen zwischen drei und fünf Prozent liegen“, so Bartmann. Das sei insofern für den Einzelhandel sehr belastend, weil dieser im Schnitt 25 Prozent seines Jahresumsatzes im Weihnachtsgeschäft erwirtschafte. Hinzu komme, dass die Händler wegen des Corona-Lockdowns ohnehin schon Einbußen verzeichnet hätten. Das Problem werde sich auch nicht schnell lösen, befürchtet Bartmann: „Wir erleben erhebliche zeitliche Verzögerungen bei Lieferungen, sodass Ware, die für das Weihnachtsgeschäft bestimmt war, erst im Februar kommt.“

Kunden sollten „eher mit den Einkäufen beginnen“

Das Problem fehlender Spielkonsolen kennt auch der Otto-Konzern, der rund sieben Millionen Artikel in seinem Onlineshop hat. „Wir haben uns in der Lockdown-Phase stark bevorratet, sodass wir in der Regel fast alles liefern können“, sagte ein Sprecher. Und sei ein bestimmter Toaster in einer bestimmten Wunschfarbe nicht mehr lieferbar, können der Kunde zwischen 20 weiteren Produkten wählen. Das falle nicht auf. „Aber bei Spielekonsolen und elektronischen Bauteilen wie AV-Receivern spüren auch wir einen Mangel.“

Selbst elek­trische Zahnbürsten würden knapp, weil sie heutzutage einen Mikrochip enthalten. Komischerweise seien auch Gartenhäuser seit Monaten ausverkauft – obgleich die keinen Chip enthielten. „Das ist jetzt im Winter kein Problem, aber wir wissen ja nicht, wie lange die Mangelzeit noch anhält“, so der Otto-Sprecher. „Es gibt keinen Grund zur Panik, aber auch wir raten Kunden dazu, eher mit den Einkäufen zu beginnen.“

273 Euro wollen die Verbraucher diesmal übrigens für Weihnachtsgeschenke ausgeben – vorausgesetzt, sie finden, was sie für die Liebsten suchen.