Hamburg. Ein 85-Jähriger kommt rasch auf einen doppelt so hohen Betrag wie ein 55-Jähriger. Wie man dennoch sparen kann – die Abendblatt-Tipps.
Überall steigen die Preise, da kann ein Versicherungs- oder auch nur Tarifwechsel bei der Kfz-Versicherung wenigstens einige Hundert Euro im Jahr sparen. Seit Mitte des Jahres ist der durchschnittliche Haftpflichtbeitrag um 16 Prozent gesunken. In der Regel kann die alte Police bis zum 30. November gekündigt werden.
Vor allem ältere Autofahrer sind von hohen Prämien belastet. Warum ist das so? Wie lässt sich sparen? Was macht die Kfz-Police günstig oder teuer? Auf welche Leistungen soll man achten? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen – nicht nur für ältere Autofahrer.
Kfz-Versicherung: Wie stark steigt der Beitrag bei älteren Versicherungsnehmern?
Mit zunehmendem Alter wird die Kfz-Versicherung spürbar teurer. Bei 65-Jährigen fällt der Altersaufschlag mit 13 bis 14 Prozent im Vergleich zu einem 55-Jährigen mit ansonsten identischen Rahmenbedingungen noch moderat aus. „75-Jährige zahlen bei gleicher SF-Klasse aber schon bis zu 67 Prozent mehr als 55-Jährige“, sagt Wolfgang Schütz, Geschäftsführer von Verivox Versicherungsvergleich. Das Unternehmen hat exklusiv für das Abendblatt die Prämien für ältere Autofahrer anhand verschiedener Fahrzeuge berechnet.
85 Jahre alte Autofahrer zahlen mit einem Aufschlag von bis zu 128 Prozent sogar deutlich mehr als das Doppelte (s. Grafik). Beispiel: Der Golf VIII kostet den 85-Jährigen für Haftpflicht sowie Voll- und Teilkasko mit jeweils 150 Euro Selbstbeteiligung 665 Euro im Jahr, und der 55-Jährige zahlt 291 Euro für das Fahrzeug. Dabei sind die Rahmenbedingungen – bis auf das Alter – identisch. So zahlen 85-Jährige bei gleicher Schadenfreiheitsklasse etwa doppelt so viel für Haftpflicht plus Voll- und Teilkasko wie 20 Jahre jüngere Autofahrer.
Ein versicherter Mercedes-Benz B 180 als Beispiel: Der Jahresbeitrag des 85-Jährigen für Haftpflicht, Voll- und Teilkasko mit je 150 Euro Selbstbeteiligung beträgt 700 Euro, während der 65-Jährige im Jahr nur 355 Euro zahlt. Die Werte gelten für Neuabschlüsse von Versicherungsverträgen. Berechnet wurde jeweils der Durchschnittswert der zehn günstigsten Anbieter. Die Unterschiede zum jeweils teuersten Anbieter sind noch gravierender. So müsste der 85-Jährige BMW-Fahrer beim teuersten Versicherer 1140 Euro mehr im Jahr bezahlen. Die Versicherungsprämie läge bei 2048 Euro, beim Mercedes-Benz sogar bei 3222 Euro. Das ist um mehr als 2500 Euro teurer als im Schnitt der zehn günstigsten Anbieter.
Wie kommen die Prämien bei der Kfz-Versicherung für die Altersgruppen zustande?
Für eine optimale Vergleichbarkeit unter den Senioren sind die Profile der 65-, 75- und 85-Jährigen abgesehen vom Alter identisch. Die Rentner haben die Schadenfreiheitsklasse (SF) 35 und fahren das Auto allein 10.000 Kilometer im Jahr. Der 55 Jahre alte Fahrer ist Angestellter, ansonsten ist sein Profil ebenfalls gleich. Telematik- und Basistarife wurden nicht berücksichtigt. Alle Fahrer wohnen in Hamburg, wohnen zur Miete und parken ihr Auto auf der Straße. Diese Bedingungen und die jährliche Fahrleistung gelten auch für die jüngeren Fahrer, sie unterscheiden sich aber in der SF-Klasse und beim Kreis der Fahrer, die das Auto mitnutzen (s. Grafik unten).
Ist man nur bei einem Neuabschluss vom Alterszuschlag betroffen?
Mit den Jahren rutscht man automatisch in die Gruppe der Risikobehafteten, auch wenn man ein ganzes Autofahrleben unfallfrei geblieben ist, stellt die Stiftung Warentest fest. Spätestens ab 65 Jahren sei ein Preisanstieg unverkennbar.
Welche Probleme haben ältere Autofahrer noch?
Einige Versicherer nehmen ältere Leute in manchen Tarifen gar nicht erst an, heißt es von Stiftung Warentest. So berichten Leser, dass ihnen nach mehreren kleinen Kaskoschäden die Kaskoversicherung gekündigt wurde. Auch das ist zulässig. Stiftung Warentest schreibt: „In der Kfz-Haftpflicht herrscht Annahmezwang. In der Regel müssen die Versicherer jedem Interessenten mindestens die gesetzlich vorgeschriebene Deckung geben. Aber es reicht, wenn sie dafür nur einen Tarif anbieten – in anderen Tarifvarianten dürfen sie Ältere ablehnen.“
Warum zahlen Ältere höhere Beiträge?
„Ältere Fahrer bezahlen einen Aufschlag, weil sie statistisch mehr Schäden verursachen“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Wie die Statistiken des Verbandes zeigen, verursachen ältere und jüngere Fahrer im Schnitt vergleichsweise mehr Schäden als Fahrer mittleren Alters. So liegt der Anteil der über 75-Jährigen, die Unfälle mit Personenschäden verursachen, etwa so hoch wie bei den Fahrern in der Altersgruppe 18 bis 21 Jahre. Deshalb zahlten 75-Jährige zum Beispiel einen Aufschlag von 54 Prozent zum Mittelwert, so Asmussen.
Tendenziell wirke das Alter beitragserhöhend, sagt Christian Weishuber von der Allianz, denn das Alter habe einen Einfluss auf die Höhe der Schäden. Die höheren Beiträge für ältere Fahrer hat auch die Finanzaufsicht BaFin abgesegnet, weil sie auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruhen und somit nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters möglich, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt.
Was sagen Verbraucherschützer?
Auch die halten sich zurück. „Es mag für den Einzelnen, wenn er keine Unfälle verursacht, ungerecht erscheinen, dass er in einem Kollektiv risikogerecht höhere Prämien zahlen muss“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Aber die gesetzlichen Grundlagen und die Unfallstatistik ermöglichten das wohl. Zu einem ähnlichen Urteil kommt auch die Verbraucherzentrale Hamburg.
Wie können ältere Autofahrer den Beitrag senken?
„Für niedrige Versicherungskosten ist ein gründlicher Tarifvergleich das A und O. Die Zuschläge der einzelnen Versicherer unterscheiden sich deutlich“, sagt Schütz von Verivox. „Ein Anbieter, der für den 65 Jahre alten Fahrer das beste Angebot gemacht hat, muss für den Fahrer mit 75 oder 85 Jahren längst nicht mehr günstig sein.“ Dafür können Vergleichsportale wie Verivox, Check24 oder www.nafiauto.de genutzt werden.
Auch interessant
Auch interessant
„Fahrer, die jahrelang unfallfrei fahren, profitieren von einem hohen Schadenfreiheitsrabatt. Somit werden die Zuschläge fürs Alter in der Regel durch einen höheren Schadenfreiheitsrabatt deutlich reduziert“, sagt Asmussen vom GDV. Für Ältere mit vielen schadenfreien Jahren sind Versicherer interessant, deren SF-Staffel nicht bei 35 endet. Eine Rabattstaffel bis 50 haben etwa Axa, Bruderhilfe, Huk-Coburg, Huk24 und WGV.
Gibt es Versicherer, die für Ältere besonders günstig sind?
Vier Versicherer sind in den Berechnungen von Verivox mehr als zehnmal in den Top-5-Tarifen der Senioren ab 55 Jahren vertreten: Verti, HUK24, R&V24 und HDI. Verti und R+V24 sind vor allem für 85- und 75-Jährige interessant.
Welche Unterschiede gibt es bei jüngeren Fahrern?
Der 45 Jahre alte Fahrer hat nicht wegen seines Alters die höchsten Versicherungsbeiträge in der Kfz-Versicherung, sondern weil neben seiner Partnerin auch der erwachsene Sohn das Auto mitnutzt (Grafik). Der 25-Jährige fährt das Auto allein, hat aber noch eine niedrige SF-Klasse und zahlt deshalb die zweithöchsten Versicherungsbeiträge. Für den jüngsten Fahrer und den 45-Jährigen wurden HUK-Coburg und HUK24 als die günstigsten Anbieter ermittelt. Für den 35-Jährigen machen Verti und R+V24 die preiswertesten Angebote. Das Sparpotenzial ist enorm, denn für einen BMW 318i verlangt der teuerste Anbieter bei dem 45-Jährigen knapp 1700 Euro mehr als im Schnitt der zehn günstigsten Versicherungen.
Was macht die Kfz-Versicherung teuer oder preiswert?
Teuer wird die Police laut Check24 durch einen beliebigen Fahrerkreis, eine jährliche Fahrleistung von mehr als 35.000 Kilometern und das höhere Alter des Versicherungsnehmers. Sparen kann man, indem man nur eine Haftpflichtversicherung abschließt, wenn das Fahrzeug schon älter ist, weniger als 10.000 Kilometer im Jahr fährt und wenn man doch Vollkasko möchte, dann dafür eine hohe Selbstbeteiligung wählt und umsichtig unterwegs ist.
Welche Leistungen sind für alle wichtig für eine Kfz-Versicherung?
„Wir raten zur Höchstdeckung von 100 Millionen Euro für den Gesamtschaden“, sagt Sandra Klug, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Personenschäden sollten mit mindestens 15 Millionen Euro versichert sein. Bei der Vollkaskoversicherung sollte durch den Versicherer auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet werden.