Hamburg. Eier in Bio-Qualität kosten bis zu 50 Cent. Ab Januar 2022 ist Kükenschreddern verboten – was das mit der Preisentwicklung zu tun hat.
Wenn Jasper Schultz in diesen Tagen seine Kunden besucht, sind die Gespräche meistens schwierig. Es geht ums Geld. „Auch wir werden die Preise für unsere Eier erhöhen müssen“, sagt der Landwirt, der den Familienbetrieb Nessendorfer Mühle in der Nähe von Lütjenburg mit 35.000 Legehennen führt und elf Millionen Eier im Jahr im Großraum Hamburg verkauft, etwa die Hälfte davon in Bio-Qualität.
„In diesem Jahr sind die Kosten für Futtermittel um bis zu 45 Prozent gestiegen. Vor allem Getreide ist deutlich teurer geworden“, beschreibt der 37-Jährige die Situation. Dazu kommen höhere Preise für Verpackungen und Transport. Das sei auf Dauer ohne Preiserhöhungen unternehmerisch nicht durchzuhalten, sagt er. Aktuell klappert Schultz deshalb die Lebensmittelhändler ab, um im Rahmen der Jahresgespräche über die Preise zu verhandeln. Vor allem, weil Anfang 2022 mit dem Verbot des Tötens der männlichen Küken noch ein weiterer Kostenfaktor dazukommt.
Warum Eier immer teurer werden
Der Landwirt aus Schleswig-Holstein ist kein Einzelfall. Viele Eierproduzenten haben in den vergangenen Monaten schon die Preise angehoben. Im aktuellen Verbraucherpreisindex für September stellt das Statistische Bundesamt für Eier ein Plus von 13,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fest. 50 Cent für ein Bio-Ei sind längst keine Ausnahme mehr.
„Anders als in den Vorjahren hat es in diesem Jahr zwei Preiserhöhungen im April und noch mal im Juli gegeben“, sagt Judith Dittrich, Marktanalystin für Verbraucherpreise bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Gab es einen Zehner-Karton mit Eiern beim Discounter vorher noch für 1,29 Euro, sind nach ihren Angaben auch Eier aus Boden- und Freilandhaltung im Schnitt um drei Cent teuer geworden. Und es zeichnet sich ab, dass die Verbraucher im nächsten Jahr für ihr Frühstücksei noch mehr zahlen müssen.
Eier: Wirtschaft massiv unter Druck
Eier gehören zu den beliebtesten Nahrungsmitteln der Deutschen. 20 Milliarden Stück wurden im vergangenen Jahr gegessen. Das sind umgerechnet 239 Eier pro Kopf – und vier mehr als 2019. Der Bundesverband Ei, in dem die Legehennenhalter organisiert sind, rechnet mit einer weiteren Zunahme. Dabei wächst vor allem der Bereich von Eiern aus Freiland- und Biohaltung, der inzwischen gut ein Drittel des Marktes ausmacht.
Gut 60 Prozent der Eier kommen aus Bodenhaltung. „Der Kostendruck setzt der Eierwirtschaft massiv zu. Seit Monaten zeichnet sich eine dramatische Situation ab“, sagt Henner Schönecke, Vorsitzender des Bundesverbands Ei und Chef des Geflügelhofs Schönecke in Neu Wulmstorf im Landkreis Harburg. Schon vor einigen Wochen hat er in einem Appell an den Lebensmittelhandel faire Preisverhandlungen angemahnt. Neben dem Preisanstieg bei Futtermitteln, Verpackungen und Transportkosten wirke sich auch der Ausstieg aus dem Kükentöten auf die Kosten aus, betont auch er.
Eier-Preise durch Verbot beeinflusst
Nach jahrelanger Debatte und Protesten von Tierschützern hat der Bundestag im Mai 2021 ein Gesetz verabschiedet, das das sogenannte Kükenschreddern verbietet. Bislang werden in Deutschland jährlich mehr als 40 Millionen männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen routinemäßig getötet – weil sie keine Eier legen und nur wenig Fleisch ansetzen. Für die Lebensmittelindustrie gelten sie daher als unbrauchbar, ihre Aufzucht lohnt sich nicht.
Auch wenn immer wieder von „Schreddern“ die Rede ist, werden die Tiere meist mit Gas getötet. Statt der umstrittenen Praxis sollen künftig Verfahren eingesetzt werden, mit denen sich das Geschlecht im Ei erkennen lässt – das sogenannte In-Ovo-Sexing. Ist das Küken männlich, wird es nicht weiter bebrütet und schlüpft so gar nicht erst. Das Ei wird entsorgt. Eine weitere Option ist, dass auch die männlichen Küken, oft als Bruderhähne bezeichnet, ausgebrütet und aufgezogen werden und später als Masthähnchen verkauft werden. Für den Bio-Bereich ist dieses Verfahren verpflichtend.
Eier: Wer Tierwohl will, muss zahlen
Die Kosten, die in der Kette zwischen Eier legen, Brut und Aufzucht der Jungtiere entstehen, werden weitergereicht. Auch der Geflügelhof Schönecke in Neu Wulmstorf hat im vergangenen Jahr die Preise im Schnitt um drei Cent pro Ei erhöht. „Wir geben bislang nur einen Teil der Kosten weiter“, sagt Ruth Staudenmayer, die den Hof gemeinsam mit ihrem Ehemann Henner Schönecke managt.
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Der Betrieb mit 55.000 Legehennen setzt schon jetzt ausschließlich Tiere aus Aufzuchtbetrieben ein, die bereits die sogenannten Sexing-Programme durchführen. „Eine Entscheidung für Tierwohl und Transparenz schlägt sich natürlich im Preis nieder. Ich bin stolz darauf, dass wir genau so produzieren, wie wir es hier tun. Lokal und mit sehr hohen Standards“, sagt Staudenmayer.
Verkauf männlicher Küken schwierig
Auch bei Landwirt Jasper Schultz von der Nessendorfer Mühle wird die neue Rechtslage maßgeblich zu weiteren Preiserhöhungen beitragen. „Die Herausforderung ist, dass im Bio-Bereich jetzt männliche Küken aufgezogen werden müssen, für die es eigentlich keinen Markt gibt“, sagt er. Die Hühnerrassen, die in der Eierproduktion eingesetzt werden, seien so gezüchtet, dass sie im Vergleich zu Masthähnchen wenig und nicht so gutes Fleisch ansetzten.
„Die lassen sich in der Kühltheke im Prinzip nicht verkaufen“, so der Unternehmer. Wenn er die männlichen Hühnchen an die Schlachtbetriebe verkauft, bekomme er dafür praktisch nichts. In der Regel würden sie an die Lebensmittelindustrie verkauft, wo sie dann weiter verarbeitet werden. „Das kann ja auch nicht der Sinn sein“, sagt er und hofft in diesem Bereich auf innovative Verbesserungen.
Eier-Preise: Zweitnutzungshühner als Lösung?
Eine Lösung könnten sogenannte Zweinutzungshühner sein, die nicht auf spezielle Hochleistungen in einem Bereich, also Eierlegen oder Fleischansatz, gezüchtet werden. Bundesweit gibt es inzwischen Betriebe im Öko-Landbau, die sich mit der Aufzucht beschäftigen. Allerdings: Bislang reichen die produzierten Eiermengen nicht aus, um die große Marktnachfrage zu decken, heißt es etwa bei der Bio-Supermarktkette Alnatura. Ein weiterer Aspekt ist der Preis dieser Produkte: Die Eier der Zweinutzungshühner sind im Vergleich zu den „normalen“ Bio-Eiern zwischen 15 und 20 Cent pro Stück teurer.
Schon jetzt sind Eier nicht die einzigen Lebensmittel, für die Verbraucher an der Supermarktkasse tiefer in die Tasche greifen müssen. Insgesamt lag der Preisanstieg im September laut Statischem Bundesamt bei 4,9 Prozent. Auch Gemüse ist teurer (plus 4,9 Prozent), genau wie Obst (plus 1,8 Prozent) oder Fleisch- und Wurstwaren (plus vier Prozent). Dahinter steckt einerseits der sogenannte Basiseffekt.
Das heißt, dass die Preise 2020 etwa für Energie besonders niedrig waren und die Mehrsteuersenkung im vergangenen Jahr noch obendrauf wirkte. Dazu kommt: „Viele haben im Windschatten von Corona die Preise erhöht. Das ist ein Phänomen, das wir beobachten“, sagt der Hamburger Verbraucherschützer Armin Valet. Ob das immer gerechtfertigt sei, sei schwer zu beurteilen. Denn nicht immer gehe mit den Steigerungen auch höhere Qualität einher. „Fakt ist aber, dass es selten eine Rückkehr gibt, wenn die höheren Preise erst mal eingeführt sind.“