Hamburg. Die Gründer bezeichnen die Früchte der Rotbuche als „lokales Superfood“. Auch Hersteller von Schokolade und Müsli sind interessiert.

Die Buchecker führt im Leben der Menschen allenfalls ein Nischendasein. Für die nahrhaften Früchte der Rotbuche, die im Herbst von den Ästen fallen, interessieren sich bislang vor allem Eichhörnchen und Wildschweine.

Wirtschaftlich genutzt werden die Baumsamen hauptsächlich von Saatgutfirmen, die Baumschulen beliefern und von kleinen Ölmühlen, die kaltgepresstes Bucheckernöl herstellen. Ist aber gerade ausverkauft. Doch jetzt baut ein junges Hamburger Unternehmen sein Geschäftsmodell rund um Bucheckern auf. „Wir machen den Wald für die Ernährung des Menschen nutzbar“, sagt Sven Brummerloh.

Hamburger Start-up bietet Bucheckernöl an

Er ist einer der Gründer der Firma, die hinter Buchengold steht. Unter diesem Markennamen bietet das Unternehmen unter anderem Bucheckernöl an, geschälte und ungeschälte Früchte, erwärmt oder geröstet, im Ganzen oder zu kleineren Bruchstücken flockiert. Größe und Geschmack erinnern ein bisschen an gehackte Mandeln oder Nüsse. Zum Sortiment gehört zudem hochkonzentriertes Bucheckernprotein, das tatsächlich goldig glitzert. Daher der Markenname.

In früheren Jahrhunderten war es üblich, dass Bauern ihre Schweine im Herbst in den Wald trieben, damit die sich an Eicheln und Bucheckern fettfressen. Und vor allem in Notzeiten – zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg – standen die sogenannten Bucheln oder Buchen-Nüsslein auch bei Menschen auf dem Speiseplan. Dort sollen sie jetzt wieder hin. Als eine gesunde, nachhaltig und regional gewonnene Spezialität und Alternative zu Hasel- und Walnüssen, Pinienkernen und Mandeln.

Buchecker ist ein „lokales Superfood“

Die Gründer nennen die Buchecker ein „lokales Superfood“. „Wahrscheinlich gibt es kein anderes Öl, das so gesund ist wie Bucheckernöl“, sagt Brummerloh. Die Bundeszentrale für Ernährung konstatiert: „Die Nüsschen sind reich an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Zudem enthalten sie wertvolles Eiweiß, Mineralstoffe und Spurenelemente wie Zink und Eisen.“ Roh und in größeren Mengen sind Bucheckern allerdings mit Vorsicht zu genießen. Sie enthalten auch den Wirkstoff Fagin, der zu Unwohlsein und leichten Vergiftungserscheinungen führen kann. Deshalb werden die Früchte bei der Verarbeitung entweder gedämpft oder geröstet, dann zersetzt sich das Fagin.

Mitgründer Johannes Frankenfeld hat gerade die Vorbereitungen für die Ernte 2021 abgeschlossen. Um die 100 Tonnen Bucheckern sollen in diesem Jahr eingesammelt und verarbeitet werden. Im vergangenen Jahr waren es 30 Tonnen, im Gründungsjahr 2019 zehn Tonnen. Die Ernte ist mit hohem Aufwand verbunden. Auf dem Waldboden unter mindestens 40 Jahre alten Buchen werden für mehrere Wochen Netze ausgelegt, in denen sich die Früchte nach und nach sammeln.

Die Ernte ist kompliziert

Die besondere Herausforderung ist: Die Bäume bilden jedes Jahr unterschiedlich viele Früchte aus, manchmal auch gar keine. „Das ist von der Wetterlage abhängig. Besonders in eher trockenen Jahren versuchen die Buchen, das Überleben zu sichern, indem sie viele Samen bilden“, sagt Frankenfeld. So wurden die Bucheckern im ersten Jahr vorwiegend in den schleswig-holsteinischen Landesforsten geerntet. Weil es dort im vergangenen Jahr aber nur wenige Früchte gab, bezog das Unternehmen sie aus Wäldern im mittleren und südlichen Deutschland. In diesem Jahr verspricht erneut Schleswig-Holstein eine gute Ernte.

Die Buchecker wird von einer stacheligen Fruchthülle umschlossen.
Die Buchecker wird von einer stacheligen Fruchthülle umschlossen. © Getty Images/iStockphoto | macroart

Frankenfeld baut die Kontakte zu den Waldbesitzern auf. Sie erhalten eine Pacht, wenn die Hamburger in ihren Forsten ernten. Zugleich entsteht eine digitale Datenbank, die künftig genaue Vorhersagen erlauben soll, an welchen Standorten im Herbst die Ernte voraussichtlich lohnt. „Satellitenaufnahmen zeigen, wo viele Buchen stehen und ob dort eine Ernte überhaupt möglich ist. Die Wetterdaten ermöglichen dann eine genauere Prognose, ob die Bäume viele Bucheckern bilden“, sagt Frankenfeld. Geprüft werde das letztlich mit Flugdrohnen bevor die Fangnetze ausgelegt werden.

2,5 Millionen Euro bisher in Food-Tech-Firma investiert

Es ist nicht die einzige Innovation, die dazu führen soll, dass Bucheckern zum Lebensmittel werden. Sie werden vor der Verarbeitung zumeist geschält. „Die Technologie dafür haben wir gemeinsam mit Partnern entwickelt. Sie ist zum Patent angemeldet“, sagt Brummerloh.

Er ist wie Frankenfeld und ein dritter Gründer, der sich gerade zurückgezogen hat, promovierter Wirtschaftswissenschaftler und Absolvent der renommierten privaten Wirtschaftshochschule WHU in Vallendar bei Koblenz. Die Enddreißiger sind erfahrene Unternehmensgründer. Bislang seien 2,5 Millionen Euro in die junge Food-Tech-Firma investiert worden, heißt es.

Köche kreieren Wildbraten mit Bucheckernkruste

Ein Teil der Produktion geht an aufgeschlossene und experimentierfreudige Köche, die zum Beispiel Hirschbraten in Bucheckernkruste kreieren. „Schmeckt nussig und ein bisschen wie ein Waldspaziergang“, sagt Sven Brechtmann von Brechtmanns Bistro in Eppendorf, der mit der knusprigen Bucheckern-Variante bereits experimentiert hat.

Erstmal nur für sich. Als Streusel über einem Dessert würde das gut passen, findet Brechtmann. „Ich kann mir gut vorstellen, mit Bucheckern auch bei Wild- und Geflügelgerichten zu arbeiten.“ In der Branche traut man Buchengold viel zu. Beim sogenannten WeltverbEsserer-Wettbewerb für nachhaltige Food-Konzepte und -Produkte wurden die Hamburger in diesem Jahr mit dem ersten Preis ausgezeichnet.

Hauptabnehmer sind Lebensmittelhersteller

Hauptabnehmer der Buchengold-Produkte sind aber Lebensmittelhersteller, die Bucheckern etwa ins Müsli mischen oder mit der Zutat aus dem Wald Proteinriegel produzieren. „In den nächsten Monaten kommt unter anderem Bucheckern-Schokolade auf den Markt, eine Obstbrennerei wird Bucheckernbrand destillieren und es wird ein Porridge mit Bucheckern-Protein geben“, sagt Brummerloh. Er war einst Vorstand beim Sportlernahrungs-Hersteller Foodspring und ist gut vernetzt in der Branche.

„Im Grunde kann überall dort, wo heute in der Zutatenliste eines Lebensmittels Nüsse oder Mandeln steht, auch Bucheckern stehen“, umreißt Mitgründer Frankenfeld das mögliche Einsatzspektrum. Schon auf dem Markt ist ein Produkt namens Wilder Kaffee vom Berliner Wildkräuter-Start-up Kruut, der auch Bucheckern enthält.

Hamburger Start-up sieht Potenzial in Eicheln

Bei Buchengold denken sie bereits über die Buchennüsslein hinaus. Die Firma hinter der Marke heißt Forest Garden Labs, was sich mit Waldgarten-Labor übersetzen lässt. Auch mit und aus Eicheln und Esskastanien aus dem Wald lässt sich etwas machen, sind die Gründer überzeugt.