Hamburg. Im Parkhaus des Hamburger Wahrzeichens finden Autos von ganz alleine einen freien Platz – aber noch sehr, sehr vorsichtig.
Im Schnitt 41 Stunden pro Jahr suchen die Deutschen nach einem Parkplatz – und in Städten verbringen die Autofahrer angeblich rund 30 Prozent ihrer Fahrzeit damit. Dass es auch anders geht, können Gäste des ITS-Weltkongresses in dieser Woche an der Elbphilharmonie erleben. Wer sich rechtzeitig angemeldet hat, darf sogar in einem Auto mitfahren, das völlig selbsttätig durch das Parkhaus des Konzerthauses rangiert und rückwärts auf einen freien Platz manövriert, ohne dass jemand das Lenkrad, das Gaspedal oder die Bremse berührt.
So richtig zügig bewegt sich der weiße Kompakt-SUV von Ford nicht durch das Parkhaus: Selbst auf gerader Strecke erreicht er mit zwei bis drei Kilometern pro Stunde nicht einmal Fußgängertempo, auf dem schmalen Abschnitt zwischen den Ticketautomaten sowie in der engen Kurve abwärts ins Untergeschoss stoppt er kurz, ohne dass ein Hindernis da wäre.
Autos in der Elbphilharmonie finden ohne Fahrer einen Platz
„Im späteren Normalbetrieb geht es etwas schneller, aber vor allem sitzt dann ja auch niemand im Wagen, der ungeduldig werden könnte“, sagt Tim von Törne, Mitgründer des Leipziger Start-ups Kopernikus Automotive. Die im Jahr 2016 gegründete Firma mit 20 Beschäftigten hat ein Computerprogramm entwickelt, das auch Fahrzeugen, die nicht wie ein Tesla oder ein S-Klasse-Mercedes über einen hochleistungsfähigen Autopiloten verfügen, das selbstständige Parken ermöglicht.
Und so soll es funktionieren: „Der Gast steigt vor dem Eingang der Elbphilharmonie, eines Hotels oder Flughafenparkhauses aus und nimmt das Gepäck aus dem Kofferraum, dann gibt er dem Auto per Smartphone-App den Befehl, sich einen freien Parkplatz zu suchen“, erklärt Tim van Törne. „Dazu muss der Motor nicht laufen und der Schlüssel muss nicht im Fahrzeug sein.“ Will man wieder abfahren, ruft man von draußen vor dem Parkhaus das Auto mit der App zurück, die auch die Abrechnung für die Parkzeit übernimmt.
Viele Neuwagen sind schon richtig ausgrüstet
„In zwei bis drei Jahren werden die ersten Parkhäuser diesen Service bieten“, ist der Kopernikus-Geschäftsführer überzeugt. Denn dann seien hinreichend viele Pkw auf dem Markt, mit denen das technisch möglich ist. Schon heute brächten aber viele Neuwagen diese Voraussetzungen mit: ein Automatikgetriebe, das elektronische Sicherheits- und Stabilitätsprogramm ESP, eine elektrische Parkbremse und eine elektrische Lenkunterstützung.
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Noch eher selten ist ein Funkchip an Bord. Kopernikus nutzt dazu die V2X-Technologie, die von den rund 850 Hamburger Experten des Chip-Spezialisten NXP maßgeblich mit entwickelt wurde. Unter anderem der Golf 8 und die Elektroautos der ID-Reihe von Volkswagen sind serienmäßig mit Funkchips bestückt, außerdem viele Modelle von Ford und alle von Volvo.
Künstliche Intelligenz soll Hindernisse erkennen
Natürlich muss auch das Parkhaus selbst auf den neuen Service vorbereitet sein. Für das Hamburger Projekt wurde das Parkhaus der Elbphilharmonie genauestens vermessen, um einen digitalen Lageplan erstellen zu können. Zudem sind 50 Kameras in zwei Geschossen installiert worden. Die Videobilder dieser Kameras werden von einem Computer mittels künstlicher Intelligenz ausgewertet, um laufend die exakte Position des Autos zu erhalten und um mögliche Hindernisse – wie etwa Personen oder größere Gegenstände auf der Fahrbahn – erkennen zu können.
„Wir rechnen damit, dass für je zwei Parkplätze eine Kamera gebraucht wird“, sagt Tim von Törne. „Das sind keine Spezialanfertigungen, sondern ganz normale Überwachungskameras, wie sie millionenfach produziert werden und auch im Elbtunnel installiert sind.“
Ähnliche Projekte in München und Stuttgart
Zwar hat es schon bei früheren Gelegenheiten verschiedene Tests in realen Parkhäusern gegeben, so zum Beispiel im April 2018 am Hamburger Flughafen. Damals erprobte der Volkswagen-Konzern dort das autonome Einparken im Rahmen der „Mobilitätspartnerschaft“ mit der Hansestadt. Im Jahr 2020 startete Mercedes ein eigenes Versuchsprojekt am Stuttgarter Flughafen.
Vor wenigen Wochen wurde das fahrerlose Parken in München auf der Messe IAA Mobility demonstriert, diesmal als Gemeinschaftsprojekt der Autokonzerne BMW, Volkswagen, Ford, Jaguar Land Rover und Daimler; auch daran war Kopernikus beteiligt.
20 Prozent mehr Autos passen so ins Parkhaus
Doch die Vorführungen an der Elbphilharmonie sind nach Angaben von Tim von Törne dennoch eine Weltpremiere. Denn hier wurden erstmals im öffentlichen Raum beide der technischen Möglichkeiten für das automatische Parken realisiert: Bei der einen Methode sendet man die Steuerbefehle, die von einem Rechner außerhalb des Autos auf Basis des digitalen Lageplans und der Kamerabilder erzeugt werden, per Funk an den Bordcomputer, das Fahrzeug selbst braucht keine Sensoren.
Im Unterschied dazu schickt man für das zweite Verfahren nur die elektronische Karte des Parkhauses an den Rechner des Autos, das dann aber mit eigenen Sensoren und einem speziellen Computer für autonomes Fahren ausgestattet sein muss.
„Eines der wichtigsten Ziele des Projekts hier an der Elbphilharmonie besteht darin, zu zeigen, dass sich die Technik für das autonome Parken leicht auf bestehende Parkhäuser übertragen lässt“, sagt der Kopernikus-Geschäftsführer, der im August den Autozulieferer Continental als Miteigentümer für das Start-up gewinnen konnte.
In der Elbphilharmonie: „Wenn das hier funktioniert, geht es überall“
Tatsächlich sei das Elbphilharmonie-Parkhaus baulich sogar besonders herausfordernd, mit sich verändernden Kurvenradien und Neigungswinkeln der Rampen: „Der Betreiber Apcoa sagte uns: Wenn das hier funktioniert, geht es überall.“
Abgesehen vom erhöhten Komfort für die Autofahrer dürfte das autonome Parken für die Parkhausbetreiber auch ökonomisch interessant sein: Weil niemand die Fahrzeugtür öffnen muss, kann man nach Schätzungen von Apcoa in den vorhandenen Garagen rund 20 Prozent mehr Autos unterbringen.