Hamburg. Die HHLA bietet Mitbewerber Eurogate neue Gespräche an. Bundesregierung ist dafür. Doch Experten warnen vor den Risiken.

Nur wenige Tage nach dem beschlossenen Einstieg der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd im Tiefwasserhafen Wilhelmshaven kommen die festgefahrenen Gespräche über eine geplante Hafenfusion wieder in Gang. Am Montag vergangener Woche gestattete der Aufsichtsrat von Hapag-Lloyd die Übernahme der 30-prozentigen Beteiligung der Reederei Maersk am JadeWeserPort. Praktisch zeitgleich ermächtigte der Aufsichtsrat des Hamburger Hafenkonzerns HHLA die Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath dazu, einen erneuten Vorstoß zu Verhandlungen mit dem Bremer Hafenbetreiber Eurogate zu unternehmen.

In einem Schreiben hat Titzrath, die Eurogate-Eigentümer – die Firma Eurokai um den Unternehmer Thomas Eckelmann und die Bremer Logistics Group (BLG) – zu neuen Gesprächen über eine Kooperation der Containerterminals in der Deutschen Bucht eingeladen. Das bestätigte ein HHLA-Sprecher dem Abendblatt. Bremen habe den Eingang des Schreibens bestätigt. Was er nicht sagte, ist, dass Eurogate das Gesprächsangebot noch nicht angenommen hat. Stattdessen bittet man sich Bedenkzeit aus, um die zahlreichen Gutachten zu bewerten, die zu den Auswirkungen und Chancen einer solchen Fusion erstellt wurden.

Hafenfusion: HHLA will verhandeln, Eurogate ziert sich

Ein unabhängiger Hafenexperte, der nicht näher genannt werden möchte, bezeichnete es so: „Die Bremer wittern Morgenluft. Sie sehen ihren Einfluss auf ein Gemeinschaftsunternehmen mit der HHLA durch den Einstieg von Hapag-Lloyd in Wilhelmshaven gestärkt. Denn der Mehrheitsbeteiligung am JadeWeserPort ist in den Händen von Eurogate.“ So könnte der Zukauf der Hamburger Reederei bei den Fusionsgesprächen zum Zünglein an der Waage werden.

Der Vorstandschef des traditionsreichen Schifffahrtskonzerns, Rolf Habben Jansen, hat den Einstieg in Wilhelmshaven selbst mit dem Wunsch auf eine Stabilisierung der deutschen Seehäfen im harten Wettbewerb mit den übrigen Nordseehäfen begründet: Das Hauptargument für das Investment sei, „dass es die Position der deutschen Häfen gegen die Westports stärken wird“, sagte er. So solle künftig mehr Ladung über die Häfen der Bundesrepublik laufen als über die Anlagen der Nachbarn in Antwerpen und Rotterdam.

Bundesregierung für engere Zusammenarbeit der deutschen Häfen

Vor diesem Hintergrund begrüßt auch die Bundesregierung den Deal. „In die Entscheidung von Hapag-Lloyd, sich am Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven zu beteiligen, ist die Bundesregierung nicht involviert gewesen. Gleichwohl halte ich dieses für einen nachvollziehbaren Schritt als Beitrag zur optimalen Auslastung der Häfen in der Deutschen Bucht, um auf die sich verändernden Lieferströme im Seehandel zu reagieren und zu einer optimalen Auslastung der Häfen in der deutschen Bucht beizutragen“, sagt Norbert Brackmann, der maritime Koordinator der Bundesregierung, dem Abendblatt. Neben den beiden Senaten in Hamburg und Bremen, die den Zusammenschluss der Häfen nachdrücklich fordern, plädiert auch Berlin für die die Kooperation der Containerterminals von HHLA und Eurogate: „Eine engere Zusammenarbeit der Häfen ist aus Sicht der Bundesregierung wünschenswert“, so Brackmann.

Er begründet diese Haltung mit globalen Umbrüchen. „Die Weltmärkte in der Handelsschifffahrt verändern sich – und das nicht unbedingt zum Vorteil der deutschen Seehäfen. Diese müssen auf die sich verändernde Lage reagieren. Die Reedereien suchen verlässliche Abfertigungsplätze ihrer Großschiffe und sichern diese durch Terminalbeteiligungen ab.“ Die Auswirkungen der Corona-Krise, die in der Folge zu einem unglaublichen Anstieg der Frachtraten und damit der Gewinne geführt haben, beschleunigten die Veränderungen, so der maritime Experte. „Die großen Linienreedereien verfolgen nach meiner Einschätzung dabei zwei strategische Richtungen: Die einen versuchen, ihre Logistikketten auf den Transport an Land auszudehnen, um ihren Kunden einen door-to-door-Service anbieten zu können. Die anderen bleiben auf See, bemühen sich hier aber auch die gesamten Verteilverkehre in ihre Hand zu bekommen.“ In beiden Fällen bedeute das, dass die Reedereien ein erhebliches Mitspracherecht über die Transportflüsse der Zukunft erhalten, schließt Brackmann.

Deutsche Bucht muss auf Konkurrenz reagieren

Die Deutsche Bucht, unter der man die drei Tiefseehäfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven versteht, müsse darauf reagieren. „Zum Beispiel fehlt hier, was in Rotterdam eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich das Angebot aller Services aus einer Hand nach dem alten Marketingspruch ,one face to the costumer’.“

Tatsächlich ist in Hamburg bei der Anmeldung von Schiffen einiges schwieriger als im holländischen Konkurrenzhafen. Zwar wird an der Elbe inzwischen an einem Border One Stop Shop (BOSS) gearbeitet, an dem die Ein- und Ausfuhrkontrollen von Waren durch das Veterinäramt und die Zolldeklaration künftig an einem Ort durchgeführt werden. Aber schon bei der Gebührenzahlung gibt es bürokratische Hürden: Das Hafengeld wird von der Hamburg Port Authority erhoben. Die Terminalgebühren von den Betreibern. Die Umweltbehörde ist für die Eintreibung der Müllgebühren verantwortlich, hinzu kommen die Beiträge für zwei Lotsenstellen (Elb- und Hafenlotsen). In Rotterdam wird alles durch die dortige Hafenverwaltung erhoben.

Kritiker warnen vor Risiken der Hafenfusion

Es gibt aber auch Argumente gegen eine engere Kooperation. Kritiker bemängeln, dass Hapag-Lloyd zur Stärkung des Tiefwasserhafens Schiffe aus Hamburg abziehen und deren Ladung in Wilhelmshaven umschlagen könnte. Der Hamburger Senat, der mit 13,9 Prozent an Hapag-Lloyd und mit 69 Prozent an der HHLA beteiligt ist, sieht das Vorgehen der Reederei deshalb skeptisch. Auch der unabhängige Hafenexperte und Unternehmensberater Ulrich Malchow sieht diese Gefahr: „Der Einstieg von Hapag-Lloyd in Wilhelmshaven bedeutet einen deutlichen Aderlass für Hamburg. Daran gibt es nichts schönzureden.“ Malchow ist auch Gegner einer Fusion zwischen HHLA und Eurogate. Die seitens der Politik gewünschte Fusion von HHLA und Eurogate werde zu einem „VEB Deutsche Bucht“ führen, sagt er.

„Wer glaubt, dass durch Schaffung eines quasi staatlichen Monopols für den gesamten deutschen Containerumschlag die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen insgesamt gesteigert wird, ist naiv. Monopole haben noch nie die Wettbewerbsfähigkeit befördert“, so Malchow. Bei Licht betrachtet würden sich kaum Synergien heben und schon gar keine Ladungslenkung durchführen lassen. „Gerade der intermodale Containerverkehr hat unzählige Möglichkeiten, sich stets den günstigsten Weg zu suchen, und der wird im Falle eines deutschen Umschlagsmonopols immer weniger über deutsche Häfen laufen. Das krasse Gegenteil der Zielsetzung wird eintreten“, befürchtet Malchow. Der gesamte deutsche Containerverkehr würde dann über Triest, Antwerpen, Rotterdam und Danzig abgewickelt werden.

Skepsis bei anderen Reedern

Auch bei seinen Partnern in der Reedereiallianz, dem japanischen Schifffahrtsunternehmen Ocean Network Express, Hyundai Merchant Marine (Südkorea), und Yang Ming (Taiwan), stößt der Einstieg von Hapag-Lloyd in Wilhelmshaven nicht nur auf wohlwollende Zustimmung, sondern auch auf Skepsis. Sie fragen sich , wie ihre Kunden reagieren, wenn ihre Ladung auf Hapag-Lloyd-Schiffen künftig nach Wilhelmshaven gebracht wird anstatt nach Hamburg.

Zunächst soll aber alles beim Alten bleiben. Bis Ende 2023 ändert Hapag-Lloyd an den Ladungsströmen nichts – das soll Habben Jansen HHLA-Chefin Titzrath zugesichert haben. Danach muss neu verhandelt werden.