Hamburg. Betrüger bekunden über Monate große Gefühle – dann wollen sie Geld. Die Höhe der Beute hat sich im ersten Halbjahr 2021 verdoppelt.

„Love-Scam“ heißt die moderne Form des Heiratsschwindels, die über das Internet praktiziert wird. Es ist in Hamburg die für die Täter erfolgreichste Variante des Betruges. Gut 1,15 Millionen Euro haben Heiratsschwindler im ersten Halbjahr 2021 damit erbeutet. Das entspricht der Summe der Beute aller anderen vergleichbaren Betrügereien wie der Enkeltrick-Masche oder die der falschen Polizeibeamten.

Zurück bleiben hoch traumatisierte Opfer, die geglaubt hatten, ihre große Liebe gefunden zu haben. Stattdessen wurden sie finanziell ausgenommen und haben sich teilweise dafür sogar hoch verschuldet. Bei der Polizei wurden im ersten Halbjahr 48 vollendete und 29 Fälle angezeigt, bei denen die Opfer noch rechtzeitig merkten, wem sie da vertraut hatten. Das bedeutet, dass bei jeder „erfolgreichen“ Tat im Schnitt rund 24.000 Euro erschwindelt wurden.

Polizei Hamburg: Opfer suchen Partnerschaften

Die Vorgehensweise ist immer gleich: Opfer sind vorwiegend Frauen, aber auch Männer. Die Täter kontaktieren sie über das Internet, meistens über soziale Netzwerke oder Partnerbörsen. Männer geben sich als Architekten, Ingenieure, Soziologen oder auch gern als US-Soldaten aus. Frauen, die Männer kontaktieren, wollen vor allem Ärztinnen, Krankenschwestern oder Mitarbeiterin im Waisenhaus sein, die irgendwo im Ausland, vornehmlich Thailand oder Osteuropa, leben. Tatsächlich handelt es sich um Betrüger, die hauptsächlich in Westafrika ansässig sind.

Die Opfer, weiß Kriminalhauptkommissarin Christiane Wagner, sind Frauen und Männer aus allen Bevölkerungsschichten, die eine feste, vertrauensvolle Partnerschaft suchen.

Die Betrüger behaupten schnell: „Ich liebe Dich“

Genau da setzen die Täter an. „Sie schleichen sich in das Leben ihrer Opfer“, sagt Wagner. Das ist ein langwieriger Prozess, der oft Monate, manchmal Jahre dauert. Am Anfang geht es nicht um Geld. Es geht um gemeinsame Interessen, Zukunftspläne, Liebe. „Die Täter kontaktieren ihre Opfer morgens, am Mittag und abends und werden fester Bestandteil ihres Tagesablaufs“, so Wagner.

Schnell werden liebevolle Bezeichnungen wie „Honey“ bei der immer in Englisch stattfindenden Kommunikation als Ansprache gewählt. Und rasch wird behauptet: Ich liebe dich. „Die Opfer sind oft auf Wolke 7“ so Wagner. „Es entsteht eine emotionale Abhängigkeit, in der das Opfer nahezu alles glaubt.

Täter nutzen professionelle Übersetzungsprogramme

Irgendwann geht es um Geld – Geld, das benötigt wird, um endlich nach Deutschland zu kommen. Mal ist etwas mit dem Visum und Beamte müssen bestochen werden. Mal ist es der plötzlich erkrankte Bruder, für den eine Behandlung bezahlt werden muss. Sicher ist eines: Die Täter kommen nie an. Immer wieder kommt etwas dazwischen, für das erneut Geld gebraucht wird.

Hinter den Tätern vermutet die Polizei organisierte Gruppen. Teilweise setzen diese hoch professionelle Übersetzungsprogramme für die Kommunikation ein. Die Bilder, die sie ihren Opfern schicken, sind so falsch wie ihre Absichten.

Polizei Hamburg setzt auf Prävention

Die Polizei hat keine echte Chance, die Täter im Ausland zu fassen. Deshalb setzt man dort auf Prävention. Wagner weiß, wie schwierig es ist, Argwohn bei bis über beide Ohren verliebten Frauen oder Männern zu wecken. Deshalb setzt man auch darauf, dass auch Verwandte oder Bekannte Alarm schlagen können, wenn sie vermuten, dass jemand Opfer eines solchen Heiratsschwindlers wird. Hat man selbst eine solche Internetbeziehung, sollte man hellhörig und skeptisch werden, wenn es auf einmal um Geld geht.

Der Erfolg der Täter bewirkt, dass „Love-Scam“ boomt. Im Vergleich zu ersten Halbjahr 2020 hat sich die Schadenssumme in Hamburg in der ersten Hälfte dieses Jahres verdoppelt. Kriminalhauptkommissarin Wagner geht davon aus, dass die bekannt gewordenen Fälle lediglich die „Spitze des Eisbergs“ sind, da viele Opfer sich aus Scham nicht bei der Polizei melden.