Hamburg. Bei Ihlenfeldt & Berkefeld werden seit 1913 für viele internationale Reedereien Modelle gebaut. Das sind die spektakulärsten Werke.

Thomas Schmidt legt den Telefonhörer auf die Gabel. Gerade hat er aus den USA mündlich den Auftrag zum Bau eines neuen Kreuzfahrtschiffes erhalten. Auftragsbestätigung und Baupläne folgen per E-Mail. Dann wird seine Arbeit beginnen. Bei Ihlenfeldt & Berkefeld in Iserbrook baut man seit 1913 Schiffe. Containerfrachter, Kreuzfahrer, Marineschiffe, Segelyachten – manchmal werden bis zu drei in einem Monat ausgeliefert.

Damit ist das Unternehmen die größte Werft der Welt. Aber eigentlich ist es die kleinste: Bei Ihlenfeldt & Berkefeld dreht sich nämlich alles um Schiffsmodelle. Nicht die kleinen Plastikteile, die man sich aus dem Modellbausatz selbst zusammenklebt, sondern originalgetreue Ausgaben im Maßstab 1:100 oder 1:200 der großen Schiffe, die auf den Werften in aller Welt entstehen.

Modellbau verbreitet in Hamburger Reederszene

„In der Schifffahrt ist es üblich, zu einem Neubau auf einer Werft ein Modell herzustellen“, sagt Geschäftsführer und Eigentümer Thomas Schmidt. „Eigentlich werden sogar drei Modelle angefertigt. Eines für den Eigentümer, eines für die Reederei und eines für die Werft.“ So gibt es auch in der großen Hamburger Reederszene kaum ein Kontor, in dem nicht ein Produkt von Ihlenfeldt & Berkefeld steht. Wer beispielsweise in der großen Eingangshalle von Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd am Ballindamm das große Modell eines Containerschiffs bewundert, kann sicher sein, dass es von dem kleinen Unternehmen mit Sitz in Iserbrook gebaut wurde.

Spektakulär war ein annähernd zehn Meter langes aufgeschnittenes Modell der „Mein Schiff 4“ der Hamburger Kreuzfahrtreederei Tui Cruises. Eine Tonne wiegt es und steht heute im Foyer des Luxusliners, um den Passagieren den Blick auf die Bereiche des Schiffs zu eröffnen, die sie sonst nicht zu Gesicht bekommen: Maschinenraum, Küchen, Wäscherei, Mannschaftsräume und ihre Inneneinrichtungen.

Modelle von Ihlenfeldt & Berkefeld sind Kunst

Alle Details wirken real und sind doch klitzeklein. Es ist Kunst, was die 16 Mitarbeiter von Ihlenfeldt & Berkefeld abliefern. entsprechend kostbar sind auch die Ergebnisse: 30.000 Euro kommen für das Modell eines Containerschiffs schnell zusammen. Mehr als 100.000 Euro kosten mehrere Meter lange Detailnachbauten von Kreuzfahrtschiffen.

Gebaut wird in einem Wohngebiet, ein paar Meter abseits der Osdorfer Landstraße. Hier hat die Firma ihren Sitz mit einer Tischlerei, mehreren Werkstätten und einer eigenen Lackiererei. Daniel Uhlig sitzt gerade an Ausstattungsarbeiten auf dem Oberdeck eines fast fertigen Kreuzfahrtschiffs der US-amerikanischen Reederei Disney Cruise Lines. Lang wie ein Esstisch ist das Modell. Mit einer Pinzette greift Uhlig nach einem stecknadelkopfgroßen Kunststoffstück, tupft etwas Kleber darauf und setzt es mit ruhiger Hand zwischen zwei Stühlchen.

„Ich muss jetzt mal etwas völlig Neues machen“

„Das ist ein Tisch“, sagt er. Und richtig, beim genaueren Hinschauen erkennt man es. „Das wird eine Bar“, sagt er. Uhlig ist wie die meisten Mitarbeiter Feinmechaniker. Er hat den Job bei Ihlenfeldt & Berkefeld gelernt. „Wir bilden nämlich unseren Nachwuchs selber aus“, sagt Geschäftsführer Schmidt.

Der Chef kam über Umwege in die Firma: Schmidt war zunächst Bundeswehrsoldat und ist heute noch als Oberst der Reserve im Einsatz. Später studierte er, wurde Wirtschaftsingenieur und arbeitete mehr als 20 Jahre lang beim Arbeitgeberverband Nordmetall im Management, bevor er entschied: „Ich muss jetzt mal etwas völlig Neues machen.“ Schiffe hatten ihn immer fasziniert. So kaufte er 2014 die Firma von seinem Vorgänger. Bereut hat er es nicht.

Tischler verwenden originale Linienpläne der Werften

An einem anderen Tisch ist Herrmann Rau dabei, filigrane Stützen für eine Wasserrutsche, die das ganze Kreuzfahrtschiff umspannen wird, aus Messing zu fertigen und zu löten. Er ist einer von mehreren Mitarbeitern, die seit mehr als 40 Jahren bei der Firma sind: Ein Modellbauer aus Leidenschaft. Rau erlebte auch mit, wie bei Ihlenfeldt & Berkefeld die Digitalisierung Einzug hielt: das Unternehmen hat drei eigene 3-D-Drucker, mit denen sich Miniaturausgaben vom Möbeln herstellen lassen.

In der Tischlerei arbeiten drei Mitarbeiter an neuen Schiffsrümpfen. Diese werden aus Lindenholz oder aus einem aus Ureol gefertigten Kunstholz hergestellt, das sich die Firma liefern lässt. „Bearbeitet wird es wie normales Holz, es ist aber unempfindlicher gegenüber Feuchtigkeit“, sagt Schmidt. Um das Design des Schiffsrumpfes wirklichkeitsgetreu wiederzugeben, verwenden die Tischler originale Riss- und Linienpläne der Werften, die für den Laien kaum lesbare Diagramme, für den professionellen Modellbauer aber die geeignete Vorlage sind. Werden von einem Schiff mehrere Modelle gefordert, arbeiten die Experten auch mit Formen der Schiffshülle, in denen der Rumpf auflaminiert wird.

Eine Million Euro Umsatz im Jahr

Die Arbeit der Modellbauer, die ungefähr eine Million Euro Umsatz im Jahr machen, muss deshalb so exakt sein, weil ihre Ergebnisse nicht nur als Prestigeobjekte in Reedereien und Werften in Glaskästen ausgestellt, sondern auch zum echten Schiffbau herangezogen werden. „Es kommt häufiger vor, dass man uns bittet, ein Modell zu fertigen, an dem die Konstrukteure der echten Schiffe dann feststellen können, was geht und was verändert werden muss“, sagt Schmidt. Diese Funktionsmodelle, wie sie heißen, sind der historische Ursprung des Modellschiffbaus.

Vom Jahr 1670 an wurden in Dänemark beispielsweise Modellentwürfe vom ausführenden Schiffbauer per Dekret gefordert. Bis ins vergangene Jahrhundert hinein wurden Schiffe mittels eines Halbmodells, das also in der Mitte aufgeschnitten ist, konfiguriert.

Modellbau in Hamburg: Auch Museen sind Kunden

Schiffe sind nicht das einzige Standbein, mit denen die Firma ihre Umsätze generiert, wenn auch das sicherlich bedeutendste. Auch Museen sind Kunden, für die beispielsweise Landschaftsmodelle in Iserbrook erstellt werden. So hat Ihlenfeldt & Berkefeld erst kürzlich für ein Museum in Bonn das Modell der alten Godesburg hergestellt und für das Hafenmuseum im Auftrag der Hamburg Port Authority (HPA) ein Modell des alten Elbtunnels der Hansestadt. Doch jetzt muss der Rundgang enden. Die neuen Pläne aus den USA für das Kreuzfahrtschiff sind eingetroffen, und Schmidt muss wieder umrechnen – von riesengroß in klitzeklein.