Berlin. Die E-Sport-Branche ist gut durch die Corona-Pandemie gekommen und wächst in diesem Jahr kräftig – Unternehmen wie SAP investieren.

Der WM-Sieger bastelt Papierflieger. Wenn Kuro Salehi Takhasomi normalerweise in einem Video auftaucht, dann sitzt er mit konzentriertem Gesicht am PC, während flinke Finger über die Tastatur flitzen. Der Deutsche ist E-Sportler, tritt also in einem Wettkampf um Titel und Preisgelder in einem Computerspiel an. Jetzt aber faltet ­Takhasomi fleißig, bis drei Flieger vor ihm auf dem Tisch liegen. Zwei Tage später verkündet sein Team eine langjährige Kooperation mit Etihad Airways, einer Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, und schlägt die Zelte in Abu Dhabi auf.

Der Sponsorendeal vom April ist einer der markantesten in einer Branche, die seit Jahren boomt – ob in Deutschland oder global. Das auf E-Sport spezialisierte Marktforschungsinstitut Newzoo prognostiziert für 2021 erstmals über eine Milliarde US-Dollar Umsatz weltweit, wovon die Strategieberater von PwC in ihrem aktuellen Mediareport knapp ein Zehntel in Deutschland verorten. Gleichzeitig schauen immer mehr Menschen zu, von den 18-Jährigen der Generation Z bis zu den Millennials in ihren späten Zwanzigern – und eröffnen Unternehmen so Perspektiven, die digitalaffine Zielgruppe zu erreichen.

Von „Fifa“ bis „League of Legends“: Die E-Sport-Welt ist facettenreich

Die E-Sport-Welt ist facettenreich. Wer auch am Bildschirm nicht vom Fußball lassen kann, der ist bei „Fifa“ richtig, während Strategen „Dota 2“ oder „League of Legends“ starten, vom Shooter „Counter-Strike“ ganz zu schweigen. Doch anstatt mit wenigen Klicks selbst an organisierten Wettkämpfen teilzunehmen – was laut dem Verband der deutschen Games-Branche Game jeder fünfte Spieler hierzulande tut –, schauen mehr und mehr Fans einer kleinen Riege von Spitzensportlern zu. Allein 2020 waren es weltweit gut 430 Millionen Menschen (plus 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), die „KuroKy“ Takhasomi & Co. bei der Jagd nach Preisgeldern und WM-Titeln digital begleiteten.

Public Viewing trotz Pandemie: In Shanghai sehen E-Sport-Fans im Oktober 2020 eine Live-Übertragung von „League of Legends“.
Public Viewing trotz Pandemie: In Shanghai sehen E-Sport-Fans im Oktober 2020 eine Live-Übertragung von „League of Legends“. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

„Inzwischen kennen 70 Prozent der Deutschen E-Sport, das Phänomen hat sich aus der Nische in die Breite entwickelt“, sagt Felix Falk, Geschäftsführer von Game, unserer Redaktion. Mit dem Turnierveranstalter ESL Gaming und der Marketingagentur Freaks 4U Gaming säßen Akteure von Weltrang in Köln, betont Falk, der deutsche Markt gehöre zu den wichtigsten in der EU.

PwC prognostiziert hierzulande bis 2025 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate beim Umsatz von 14 Prozent. Der größte Teil speist sich aus Sponsoring und dem Verkauf von Medienrechten. Und der Markt ist krisenfest: Zwar brachen in der Pandemie die Einnahmen durch Ticketverkäufe in sonst rappelvollen Arenen weg, doch anders als etwa beim Fußball lief der Betrieb zumindest coronavirenfrei weiter.

Game-Geschäftsführer: „Dynamische und junge Zielgruppe“ im E-Sport

Unternehmen blicken mit großem Interesse auf die Zuschauer, vor allem den Nachwuchs. „Im E-Sport gibt es eine sehr dynamische und junge Zielgruppe, die keine Zeitung mehr liest oder lineares TV schaut“, erklärt Falk. Und setzt fort: „Dazu ist das Umfeld emotional und bietet eine gute Möglichkeit, die Marke des Unternehmens positiv aufzuladen und glaubwürdig zu integrieren.“

Das hat der deutsche Softwareriese SAP schon vor gut fünf Jahren erkannt. Lars Lamadé, Aufsichtsratsmitglied und in Walldorf verantwortlich für die weltweiten Sponsoring-Aktivitäten, erinnert sich: „Für uns war E-Sport völliges Neuland. Wir haben uns ein Jahr lang einen Überblick verschafft, wo wir investieren wollen. Bei Spieleherstellern, Serien-Events oder einem Team?“ Er gibt zu, dass es beim Einstieg eine gewisse Unsicherheit gegeben hätte.

Die sei nachvollziehbar, sagt Felix Falk, schließlich habe sich das Ökosystem E-Sport deutlich erweitert. Spieler, Teams und Ligen bieten ebenso Investitionspotenzial wie Werbung bei den übertragenden Plattformen wie Twitch und Youtube oder aber vor Ort. Eventmanager mischen auf dem Markt mit, Beratungsfirmen weisen Wege in die vielschichtige Branche.

Neben SAP investieren auch andere große deutsche Unternehmen

SAP fokussiert sich auf das „Team Liquid“, das in den Strategiespielen „Dota 2“ und „League of Legends“ jeweils zu fünft in den Wettkampf zieht. Gleichzeitig werten zwei Softwareexperten im Unternehmen mithilfe von künstlicher Intelligenz Millionen Daten pro Partie aus und stellen sie dem Team zur Verfügung. Der gläserner Profi, er entsteht auch im E-Sport.

„Wir wollen uns bekannt und attraktiv machen, ob bei der techaffinen Kundschaft oder als künftiger Arbeitgeber“, begründet Lamadé den Einstieg, der sich für SAP bislang ausgezahlt habe. „Wir sind überzeugt vom E-Sport und würden das Engagement im Bereich gerne verstärken, wenn es das Budget zulässt“, schließt der Sponsoring-Chef.

Gehört zu den erfolgreichsten E-Sportlern weltweit: Der deutsche Dota 2-Profi Kuro Salehi Takhasomi, Spitzname „KuroKy“.
Gehört zu den erfolgreichsten E-Sportlern weltweit: Der deutsche Dota 2-Profi Kuro Salehi Takhasomi, Spitzname „KuroKy“. © picture alliance / Marek Majewsky/dpa | Marek Majewsky

Von Adidas über BMW bis Bitburger: Auch branchenfremde Firmen tun es den Walldorfern gleich. Die Sportbusiness­interessengemeinschaft S20, der Schwergewichte wie Evonik, die Deutsche Telekom oder die Deutsche Post/DHL angehören, formulierte Ende Juni in einem Gastbeitrag für das Portal „Sponsors“: „E-Sport ist die Sponsoring-Arena der Zukunft.“

„KuroKy“ verpasst erstmals die WM

Von der Sponsoring-Arena zurück in die E-Sport-Arena – und damit zu Kuro Salehi Takhasomi. Der hat sich in „Dota 2“ längst Legendenstatus erarbeitet, nahm bislang an jeder WM („The International“) teil und krönte sich 2017 zum Weltmeister. Ob Teamtraining, Strategie, körperliche Fitness, Arbeit mit Psychologen oder die richtige Ernährung: Aufwand und Disziplin zahlten sich für „KuroKy“ auch finanziell aus, mit seinen 28 Jahren schlagen für ihn bislang über 5,2 Millionen US-Dollar (rund 4,4 Millionen Euro) Preisgeld zu Buche.

Bei den diesjährigen kontinentalen Titelkämpfen wird Takhasomi dagegen erstmals fehlen, mit seinem Team verpasste er die Qualifikation knapp. Um die Krone und 40 Millionen US-Dollar Siegerbörse duellieren sich andere.