Hamburg. Schlagzeug spielen oder ein frisch gezapftes Bier trinken? New Work, die Mutter des Businessnetzwerks, macht vieles möglich.
Mit Blick auf die Elbe im Fitnessraum die Hanteln stemmen, im Band-Raum ein paar Takte auf dem Bass spielen, in der offenen Gemeinschaftsküche etwas Leckeres mit den Kollegen zubereiten, das alles bietet die neue Zentrale der New Work SE, Mutter des Businessnetzwerkes Xing. Wo früher die Mitarbeiter Marketingkampagnen für Dove oder Knorr erdachten, sitzen bald IT-Experten: Die New Work zieht als neuer Mieter in das markante Gebäude am Sandtorkai, das bisher vom britischen Konsumgüterkonzern Unilever genutzt wurde.
Der Umzug in die HafenCity fällt in eine Zeit, in der es sich die meisten Mitarbeiter vor allem wegen der Einschränkungen und Hygienevorschriften in Zeiten der Corona-Pandemie zu Hause ihren Arbeitsplatz eingerichtet haben. Zumal das Homeoffice bei etlichen Digitalarbeitern, die für ihr berufliches Glück nur einen Laptop brauchen, eine Ideallösung zu sein scheint.
Xing: Mitarbeiter sind die Hälfte des Monats im Büro
Bei der New Work allerdings sieht man das anders: Die Beschäftigten müssen künftig die Hälfte eines Monats im Büro verbringen. Die bisherigen großen Freiheiten der rund 900 Mitarbeiter in Hamburg fallen damit weg. Petra von Strombeck, seit vergangenem Jahr neue Vorstandsvorsitzende des börsennotierten Konzerns, begründet die Vorgabe für die Belegschaft so: „Wir peilen eine 50/50-Lösung an, was bedeutet, dass alle die Möglichkeit haben werden, selbstbestimmt die Hälfte ihrer Arbeitszeit beispielsweise von zu Hause aus anzugehen. Gleichzeitig setzen wir auf Präsenz im neuen Gebäude, um direkten Austausch in den Teams weiter zu erhöhen, spontan und abteilungsübergreifend zusammenzuarbeiten und einen gemeinsamen Blick auf die Ziele zu haben“.
Auch wenn der Umzug aus drei verschiedenen Standorten rund um den bisherigen Hauptsitz am Gänsemarkt schon vor Corona geplant war, die Pandemie hat zu der luxuriösen Umgebung beigetragen, in der die Mitarbeiter künftig am Schreibtisch sitzen. Die Räume sind lichtdurchflutet, spektakuläre Aussichten über das glitzernde Wasser im Hafen oder die Dächer der Stadt gibt es praktisch von jedem Arbeitsplatz aus. Wer Ruhe sucht, kann sich ins Kaminzimmer oder auf die Yogaterrasse zurückziehen, wer Fachliteratur lesen möchte, wählt die Bibliothek.
Mirtarbeiter sollen gern zurück ins Büro kommen
Es geht darum, dass die Softwareprofis oder Datenspezialisten gerne zurück ins Büro kommen. Dieses Ziel verfolgt ihr Arbeitgeber nicht (nur) aus Menschenliebe, sondern aus der Perspektive eines Technologie-Unternehmens, dessen Erfolg wohl durch nichts so sehr begrenzt wird wie durch den Fachkräftemangel. Schon seitdem die Firma vor knapp 20 Jahren von Lars Hinrichs gegründet wurde, ist sie personell auf Wachstumskurs und europaweit auf der Suche nach den raren Experten, die sich mit der Welt des Internets auskennen. Immerhin Dutzende neue Mitarbeiter sucht New Work auch derzeit, in Hamburg werden etwa Marketing-, Finanz und E-Commerceprofis benötigt. „Wir haben hier keine Maschinen“, sagt Pressesprecher Christoph Stanek. „Unser Kapital sind die Köpfe der Leute“. Und wenn sich die Beschäftigten wohlfühlten, sinke auch die Fluktuation.
Dieses Wohlfühlklima zu schaffen, stand auf der Liste von Kai Hollensteiner ganz oben. „Ich bin eigentlich Chef der Rechtsabteilung und des Zentraleinkaufs“, sagt der 49-jährige Jurist schmunzelnd. Doch zuletzt hatte der ehemalige Hockey-Nationalspieler als Projektleiter für den Umzug vor allem die Aufgabe, eigene und die Ideen der Mitarbeiter, die sich dazu in Umfragen äußern durften, in die Gestaltung einfließen zu lassen.
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An welchen Kursen wollt ihr im neuen Sportstudio teilnehmen? Welche Gerichte sollen in der Kantine auf dem Speiseplan stehen? Was sind eure Lieblingssongs? Die Liste der abgefragten Wünsche ist lang, denn selbst einen Musikraum mit 1000 echten Platten, die viele der im Schnitt 30-jährigen Mitarbeiter nur aus Erzählungen kennen, bietet der neue Firmensitz. Eine Platte von Nirvana aus dem Regal geholt, auf den Plattenspieler gelegt und die Kopfhörer angestöpselt, so kommt man eventuell leichter auf die nächste Idee.
Denn Ecken für Kreativität zu bieten sei ebenfalls ein Motiv, das hinter den unterschiedlichen Arbeitsumgebungen steht. Und Austausch zwischen den Kollegen zu ermöglichen, auch weil diese sich in den vergangenen Monaten pandemiebedingt eingeigelt haben. „Du stehst vor dem Plattenregal und kommst über dein letztes Konzert ins Gespräch“, sagt Hollensteiner über die Räume für Begegnungen. Gemeinsamkeiten schaffen soll über Musik funktionieren, zumal die Mitarbeiter bei New Work aus mehr als 50 Nationen stammen und daher oft nicht die gleiche Sprache sprechen: Wer selbst in die Saiten greifen will, geht nach nebenan, wo Gitarren und ein Schlagzeug zur spontanen Session einladen. „Unsere Firmenband spielt auch zum Einzug“, sagt Stanek über den nächsten Donnerstag, wenn die Belegschaft in einer Art Schnitzeljagd von der Innenstadt in die HafenCity zieht, um die neuen Büros zu feiern.
Und für Partys bietet die neue Bleibe natürlich auch genügend Platz. New Work leistet sich eine eigene Kiezkneipe, mit Jukebox, Bier vom Fass und Klinkerwänden, die an die Reeperbahn erinnern soll. „Hier gibt es sicherlich einmal die Woche Afterwork für alle“, sagt Hollensteiner über die Bar im sechsten Stock, außerdem könne jedes Team eigene Events anmelden und dafür ein Fass bestellen. Ein Bier gibt es an der Theke dann zum Selbstkostenpreis. Die Kommunikation, die bei New Work nun teilweise spielerisch gefördert werden soll, ist auch für die Vorstandsvorsitzende Petra von Strombeck besonders wichtig: „Ich bin bekennende Bürogängerin, weil ich den direkten menschlichen Austausch liebe“, sagt die Chefin, die während der prekären Pandemie-Phase fast ausschließlich daheim in ihrem Reetdachhaus in Altengamme gearbeitet hat, diese Praxis aber unbedingt ändern will: „Nach Corona möchte ich mindestens an vier Tagen im Büro arbeiten.“
Die offene Gestaltung am neuen Firmensitz schließt übrigens die oberste Chefetage ein. Es gibt ausschließlich Großraumflächen, selbst die Spitzenmanager können nicht die Tür hinter sich zuziehen. Allerdings sollen zahlreiche Konferenzräume und Sitzgruppen ausreichend Möglichkeiten zum persönlichen Gespräch bieten. Der Bereich unmittelbar vor dem Betreten der Vorstandsebene lädt sogar besonders zum Verweilen ein. Er ist im Stil eines Beachclubs gestaltet, mit Palmen, Schaukeln, Liegestühlen – und wieder dem schon fast obligatorischen Blick auf die Elbe.