Hamburg. Das Hamburger Start-up Happy Wrappi bietet eine Alternative zum Papier an. Die Gründerinnen ließen sich von Japan inspirieren.

In der Adventszeit 2020 haben sich zwei Hamburgerinnen geärgert. „Wir wollten für Weihnachten Geschenke einpacken und waren von dem Papiermüll aus den Vorjahren angenervt“, sagt Nina Götte-Thedens. Also suchte die 30-Jährige zusammen mit Freundin Carolin Valentin (28) nach Alternativen.

Sie durchstöberten soziale Netzwerke und stießen auf die traditionelle japanische Falttechnik Furoshiki. Die dafür benötigten Stofftücher mit ansprechenden Mustern habe es in Deutschland aber nicht zu kaufen gegeben – das wollen die beiden jetzt ändern und ihr Happy Wrappi auf den Markt bringen.

Valentin und Götte-Thedens suchten nachhaltige Geschenkverpackungen

Denn das Thema ließ die beiden Angestellten der Otto Group nicht los. „Dem Problem sieht sich jeder von uns entgegen: jedes Jahr, zu jedem Geburtstag, zu jedem Weihnachten – einfach immer“, sagt Carolin Valentin. Man müsse Geschenkpapier raussuchen, eine Schere für den Zuschnitt holen, braucht Tesafilm, ein Band – und dann wird das Geschenk nach dem Überreichen ratzfatz aufgerissen und das Papier flattert zu Boden.

Wenn man sich für Nachhaltigkeit interessiere, „nervt das“, sagt Valentin, die nach ihrem Volkswirtschaftsstudium in Hamburg einen Master in Entrepreneurship (Unternehmergeist) in Kolding machte.

Tausende Tonnen Geschenkpapier wandern in den Müll

Wie viel Geschenkpapier zu Weihnachten in Deutschland anfällt, ist unklar. Hochrechnungen im Internet gehen von 8000 Tonnen aus, die nach einmaligem Gebrauch zu Müll werden. Kunststoff- oder Metallfolien sowie beschichtete Papiere sind laut Umweltbundesamt zudem schlecht recycelbar und daher nicht empfehlenswert.

Nina Götte-Thedens und Carolin Valentin fingen im Januar nach Feierabend und am Wochenende an zu recherchieren. Was ist Furoshiki? Wie funktioniert es? Wo bekommt man Stoffe her? Wer tummelt sich auf dem Markt?

Sie stießen auf nur wenige Anbieter, überwiegend auf Do-it-yourself-Plattformen. „Wir haben niemanden gefunden, der coole Designs hat und nachhaltig produzierte Ware verkauft“, sagt Carolin Valentin. Nach intensiver Suche fanden sie schließlich ihre Partner.

Produziert wird in Hamburg-Bergedorf

In einem Betrieb in Polen wird die aus Pakistan stammende Baumwolle gesponnen, gewebt und bedruckt. Eine Illustratorin entwickelte in den vergangenen Monaten mehr als 30 Muster, acht davon schafften bisher den Sprung zum finalen Design. Im Anschluss werden die Stoffe zum Unternehmen Herbert Rehn in Bergedorf gebracht, für die es ein Herzensthema sei, auch kleine Start-ups zu unterstützen, indem man kleine Mengen produziere, sagt Nina Götte-Thedens: „In Bergedorf passiert alles andere.“

Das heißt konkret: „In Bergedorf werden die Stoffbahnen gestanzt, auf die Tuchgröße zugeschnitten und umgenäht – wir haben runde Ecken“, sagt Carolin Valentin. Dann wird ein Textiletikett hineingenäht und das Tuch gefaltet. Bevor es ins Lager kommt und daraus verschickt wird, kommt in die Mitte eine Postkarte mit der Faltanleitung hinein.

Das Verpacken des Geschenks sei einfach. Man stellt es in die Mitte des Tuchs, faltet das Tuch zweimal darüber und nimmt die beiden übrigen Enden und macht daraus eine Schleife. „Es ist wirklich nur das Einwickeln und einmal knoten. Das schafft jeder beim ersten Mal“, sagt Nina Götte-Thedens, die in Hamburg einen Master in Betriebswirtschaftslehre erwarb. Und dank der runden Ecken sollen die Schleifen schöner aussehen.

Crowdfunding für Happy Wrappi gestartet

„Die Lieferkette ist bis zum Druck GOTS-zertifiziert“, sagt Carolin Valentin. GOTS steht für das Siegel Global
Organic Textile Standard und gilt als weltweit führender Standard für die Verarbeitung von Textilien aus zertifiziert ökologisch erzeugten Naturfasern. Nachhaltigkeit und kurze Wege sind den beiden Gründerinnen wichtig. Die relativ nahe gelegene Produktion in Polen könne man ebenso mal zur Qualitätskon­trolle besichtigen wie die Endfertigung im Osten Hamburgs.

Seit Ende August versuchen die beiden Freundinnen nun, Geld im Internet auf der Plattform Startnext zu sammeln. „Das Crowdfunding ist dazu da, um unsere erste richtige Produktionsmenge zu finanzieren“, sagt Nina Götte-Thedens. Denn bisher gibt es nur zehn fertige Tücher.

Binnen vier Wochen sollen 10.000 Euro zusammenkommen. Bis Mitte der Woche waren es knapp 3000 Euro. Wer in das Projekt investiert, erhält im Gegenzug Rabatt auf die ersten Happy Wrappies. Generell gilt für alle Crowdfundings, dass das eingesetzte Kapital auch verloren gehen kann.

Happy Wrappi hat seinen Preis

Im besten Fall nach rund zwei Wochen, im schlechtesten Fall nach vier Wochen sollen die wasch- und bügelbaren Stofftücher dann fertig hergestellt sein. Geliefert werde an die Investoren noch vor Weihnachten. Die Tücher aus Baumwollsatin soll es in zwei Größen geben. Das kleinere ist 58 mal 58 Zentimeter groß und für bis zu 27 Zentimeter große Geschenke geeignet wie Bücher, Weinflaschen, kleine Spiele. Das größere ist 83 mal 83 Zentimeter groß und für bis zu 39 Zentimeter große Präsente vorgesehen wie Bildbänder, Schuhe oder Pullover. Die krummen Zahlen seien dadurch entstanden, dass man die ganze Breite der Maschinen ausnutzen und möglichst wenig Verschnitt als Müll haben möchte.

Im Vergleich zum herkömmlichen Verpacken ist das Happy Wrappi, dessen Name irgendwie so entstanden sei und man frei mit „glücklichem Einwickeln“ übersetzen könnte, allerdings nicht günstig. Das kleine Format kostet 14,90 Euro, das große 19,90 Euro pro Exem­plar. „Das Happy Wrappi ist ein Teil des Geschenks selber. Was man verschenkt, ist ein Mehrzwecktuch“, sagt Carolin Valentin. Der Beschenkte könne es selbst als Geschenkverpackung nutzen und eine Kreislaufwirtschaft damit starten.

Ihre Familie macht dies bereits seit den 1990er-Jahren. Damals habe ihre Mutter angefangen, Weihnachtssäcke zu nähen. Diese würden nun munter zwischen ihrer Zwillingsschwester, ihrer Mutter und ihrem Freund hin und her wandern. „Ich kann mich an kein Weihnachten ohne Weihnachtssäcke erinnern“, sagt Carolin Valentin. Fünf dieser Stoffsäcke hätten bis heute überlebt.

Generell müsse man die Denke weg vom einmaligen Gebrauch wie dem Geschenkpapier hin zum mehrmaligen Verwendungszweck bringen. „Man kann das Happy Wrappi auch als Haarband benutzen oder daraus eine Tasche machen“, sagt Carolin Valentin. Die Japaner würden die Furoshiki-Technik für alles nutzen, zum Beispiel um Taschen für den Strand oder das Einkaufen zu falten. 50 Cent pro Tuch sollen gespendet werden, um Bäume aufzuforsten.

„Wir planen gegen Herbst unseren eigenen Onlineshop zu launchen“, sagt Carolin Valentin. Perspektivisch wolle man aber auch im lokalen Einzelhandel vertreten sein. Eine konkrete Umsatzplanung gebe es nicht, weil man ein neues Marktsegment bespiele. Ein Traum wären 5000 verkaufte Tücher in diesem Jahr, sagt Nina Götte-Thedens: „Wir geben unser Bestes, wissen aber nicht, wie es ankommt. Nach Weihnachten kennen wir das Potenzial.“