Hamburg. Die neue Ausführung des A350 soll 2025 auf den Markt kommen. Der Flugzeugbauer erhöht Auslieferungsziel und Prognose für dieses Jahr
Es kommt nicht so häufig vor, dass Airbus einen neuen Flugzeugtyp oder zumindest eine neue Modellvariante ankündigt. Zuletzt tat man das vor gut zwei Jahren. Damals ging es um den A321XLR, eine langstreckentaugliche Ausführung des eigentlich für Kurz- und Mittelstrecken entworfenen A321.
Nachdem vor wenigen Tagen der Zusammenbau des ersten Jets begonnen hat, machen sich die Entwicklungsingenieure des Unternehmens nun an eine neue Aufgabe: Airbus-Chef Guillaume Faury hat am Donnerstag bekanntgegeben, das eine Frachterversion des Langstrecken-Passagierfliegers A350 ins Angebot aufgenommen wird. Im Jahr 2025 soll die Maschine auf den Markt kommen. „Unsere Kunden hatten sich für mehr Wettbewerb und Effizienz in diesem Marktsegment ausgesprochen“, sagte Faury: „Darauf reagieren wir“.
In Hamburg werden Rumpfabschnitte für den A350 produziert
Auch für den Standort Hamburg ist das eine gute Nachricht: Auf Finkenwerder werden die mittleren und hinteren Rumpfabschnitte des weitgehend aus Kohlefaserverbundwerkstoff bestehenden A350 produziert.
Wie der Airbus-Chef einräumte, konnte der US-Konkurrent den Markt für größere Frachtflugzeuge bisher „fast exklusiv“ bearbeiten. Boeing ist in diesem Segment mit gleich drei Produkten vertreten. Das Erfolgsmodell ist die Frachtversion des Typs 777 mit bislang 278 Aufträgen. Aber selbst die inzwischen fast 40 Jahre alte 767 findet in der Frachterausführung weiterhin Käufer. Die Produktion des Jumbo-Jets 747 endet im kommenden Jahr.
Der Airbus-Frachter A330F war ein Flop
Zwar bietet Airbus eine Variante der Langstreckenmaschine A330 für den Gütertransport an. Aber für den A330F (F steht für Frachter) kamen seit dem Vermarktungsstart im Januar 2007 gerade einmal netto 38 Bestellungen herein, alle 38 Flugzeuge sind schon ausgeliefert.
„Der A330F war ein Flop, weil er im Hinblick auf das Nutzlast- und Reichweitenprofil nicht wirklich eine Alternative zur 767F oder gar zur 777F darstellen konnte“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt: „Jetzt hat Airbus erstmals ein ernstzunehmendes Produkt für die Fracht-Langstrecke im Angebot.“
Neuer Flieger dürfte um die 70 Meter lang sein
Nach Angaben von Faury bleibt der A330F aber im Angebot. Nach Informationen des Fachmagazins „Aviation Week“ soll die Frachtversion des A350 von der Länge her zwischen den beiden Passagier-Varianten A350-900 (66,80 Meter) und A350-1000 (73,79 Meter) angesiedelt sein. Laut Faury wird die Maschine mehr als 90 Tonnen Nutzlast befördern können. Zum Vergleich: Ein A330F schafft maximal 70 Tonnen, das Boeing-Konkurrenzmodell 777F kommt allerdings sogar auf 102 Tonnen.
Wie Faury sagte, trifft Airbus einen „sehr guten Zeitpunkt“ für die Markteinführung des A350-Frachters. Denn um die Mitte des Jahrzehnts ergebe sich hoher Ersatzbedarf für inzwischen schon ältere Maschinen. Außerdem entspreche das Flugzeug „vollständig“ den ab 2028 geltenden CO2-Standards der internationalen Luftfahrtbehörde ICAO. Jets, die diese Emissionsvorgaben nicht erfüllen können, dürfen dann nicht mehr produziert werden.
Rivale Boeing dürfte unter Handlungsdruck geraten
Mit der Ankündigung der neuen A350-Modellvariante setzt Airbus nach Einschätzung von Großbongardt den Erzrivalen aus Seattle unter Handlungsdruck: „Boeing wird jetzt gezwungen, schon bald eine Frachtausführung der neuen 777-Generation zu entwickeln, denn die bisherige 777-Reihe ist inzwischen auch schon mehr als 20 Jahre alt.“ Die umfassend modernisierte Boeing 777X wird nach vielen technischen Problemen während der Entwicklungsphase frühestens im Jahr 2023 behördlich zugelassen werden.
Wie viele Bestellungen sich Airbus für den A350-Frachter erhofft, sagte Faury nicht. Im jüngsten Marktausblick – für die Jahre 2019 bis 2038 – war man davon ausgegangen, dass in diesem Zeitraum insgesamt etwa 360 neu gebaute Frachtflugzeuge in der Kategorie mit mehr als 80 Tonnen Nutzlast benötigt werden.
600 Jets sollen dieses Jahr ausgeliefert werden
Im Rahmen der Vorstellung der Halbjahresergebnisse verkündete Faury am Donnerstag auch ein neues Auslieferungsziel für 2021: Angepeilt ist nun, rund 600 Ziviljets an die Kunden zu übergeben. Bisher hatte man 566 Flugzeugen geplant, was der Auslieferungszahl des vorigen Jahres entspricht.
Im ersten Halbjahr lieferte Airbus 297 Maschinen aus, das waren immerhin 101 mehr als im Vorjahreszeitraum. Nach Angaben des Konzernbetriebsrats hat das Management kürzlich aber über einen „Auslieferungsrückstand“ von rund 25 Flugzeugen im für Hamburg besonders relevanten Kurz- und Mittelstreckenbereich berichtet. Dazu wollte sich Airbus am Donnerstag nicht äußern.
Die Aktie legt zu
„Trotz der anhaltenden Covid-19-Pandemie“ habe der Konzern „starke Halbjahresergebnisse“ erzielt, so Faury: „Dies erlaubt es uns, unsere Prognose für 2021 anzuheben, auch wenn das Umfeld weiterhin unvorhersehbar bleibt.“ Der Vorstand rechnet im Tagesgeschäft jetzt mit vier Milliarden Euro Gewinn, doppelt so viel wie bisher als Minimum angepeilt.
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In den ersten sechs Monaten erreichte der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn 2,7 Milliarden Euro, nachdem hier ein Jahr zuvor ein Verlust von 0,9 Milliarden Euro gestanden hatte. An der Börse legte die Aktie in der Spitze fast fünf Prozent zu. Am Nachmittag schmolz das Plus auf knapp ein Prozent.
Airbus erhält Auftrag von Condor
Unterdessen teilte der Ferienflieger Condor mit, seine bisherige Boeing-Langstreckenflotte durch 16 Maschinen des Typs A330neo ersetzen zu wollen. Das erste Exemplar soll im Herbst 2022 eintreffen. Airbus bekommt in diesem Zuge jedoch nur zusätzliche Bestellungen über sieben Jets. Die restlichen neun Maschinen kommen von Leasingfirmen.