Hamburg. In der Stadt wird über eine chinesische Reedereibeteiligung an einem Containerterminal gestritten. Die Konkurrenz hat sie schon.

Anfang Juni hatte die mehrheitlich im Besitz der Stadt befindliche Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) mitgeteilt, Verhandlungen mit der Cosco Shipping Ports Limited über eine Minderheitsbeteiligung am Hamburger Containerterminal Tollerort (CTT) zu führen. Das Unternehmen ist eine in Hongkong notierte Tochtergesellschaft der chinesischen Staatsreederei Cosco Shipping Lines.

Deshalb stieß die Ankündigung des Hamburger Hafenkonzerns nicht nur auf Verständnis, sondern rief zum Teil Entrüstung hervor. Man sollte den Chinesen kein Einfallstor in den Hamburger Hafen bieten, hieß es. Nun schaltete sich Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher in die Diskussion ein und trat den Kritikern des bevorstehenden Deals entgegen.

Hamburgs Bürgermeister verteidigt HHLA-Pläne

„Es gibt dazu keine politischen Vorgaben, aber was unternehmerisch sinnvoll ist, muss auch praktisch möglich sein und gemacht werden“, sagte der SPD-Politiker. Hamburg müsse bei der Wettbewerbsfähigkeit der nordeuropäischen Seehäfen auf der Höhe der Zeit bleiben.

„Es hat gute Gründe, weswegen Cosco und andere Reedereien Interesse haben an einer Terminalbeteiligung“, sagte Tschentscher. Stimmten die Konditionen, könnten Terminalbeteiligungen wirtschaftlich für beide Partner sinnvoll sein. „Die Terminalbetreiber können ihre Auslastung verbessern, die Reedereien sichern sich zuverlässige Anlaufpunkte und nehmen über den Seeweg hinaus an der gesamten Wertschöpfungskette teil.“

Paradigmenwechsel für Hamburgs Hafenpolitik

Die Erkenntnis ist nicht neu. Für Hamburgs Hafenpolitik bedeutet sie aber einen Paradigmenwechsel. Jahrzehntelang hat die Hansestadt nämlich eine Beteiligung von Reedereien an ihren Umschlagterminals abgelehnt. Vor allem zu den Zeiten, als die Ladungsmengen noch von selbst in den Hafen flossen und dieser zweistellige Wachstumsraten jährlich verzeichnete, hielt man solche Beteiligungen für überflüssig.

Mit einer Ausnahme: Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, die ebenfalls zu einem Teil der Stadt gehört, gilt für den Hamburger Hafen als systemisch. Ihr hat die HHLA eine 25-prozentige Beteiligung am Containerterminal Altenwerder eingeräumt. Andere Reedereien wurden bisher nicht hereingelassen. Experten sagen, Hamburg habe die Entwicklung verschlafen.

Antwerpen und Rotterdam machen es vor

Ein Blick auf die schärfsten Konkurrenten der Hansestadt – Antwerpen und Rotterdam – zeigt, dass dort Reedereibeteiligungen an den Umschlagterminals Normalität sind. In Antwerpen gibt es beispielsweise vier große Umschlagterminals. Eines gehört zu 50 Prozent der Reederei MSC. Am Noordzee Terminal sind zu jeweils 14 Prozent die Reedereien K-Line und Yang Ming beteiligt.

Am Antwerp Gateway zu zehn Prozent die Reederei CMA CGM und zu 20 Prozent Cosco – eben jenes Unternehmen, dass jetzt auch in Hamburg einsteigen soll. Ähnlich verhält es sich in Rotterdam. Hier sind die Europe Container Terminals (ECT) komplett in der Hand des chinesischen Konzerns Hutchison Port Holdings, die Maasvlakte II gehört dem dänischen Schifffahrtsgiganten Maersk, und der Euromax Terminal gehört zu 35 Prozent wiederum Cosco.

„Hamburg hat eine Entwicklung lange ignoriert“

„Terminalbeteiligungen sind eine in den Nordseehäfen seit Jahrzehnten geübte Praxis. Hier hat Hamburg eine Entwicklung lange ignoriert“, sagt Jan Ninnemann, Logistikprofessor der Hamburg School of Business-Administration (HSBA).

„In schlechten Zeiten, wie bei der Finanz- und Wirtschaftskrise und zuletzt bei der Corona-Krise, hat sich gezeigt, dass Terminals mit Reedereibeteiligungen deutlich weniger Ladung verloren haben als unabhängige Terminals. Der Grund ist klar: Den Schifffahrtsbetrieben geht es darum, aus wirtschaftlichen Gründen erst einmal die eigenen Terminals voll auszulasten. Neutrale Häfen wie Hamburg werden dann schneller mal aus dem Fahrplan gestrichen“, sagt der Hafenexperte.

Hamburg bleibt hinter Konkurrenz zurück

Die Entwicklung der drei Häfen gibt ihm recht: In Rotterdam ist der Containerumschlag seit der Wirtschaftskrise 2007 von knapp zehn auf gut 14 Millionen Standardcontainer (TEU) im Jahr gestiegen, in Antwerpen von etwa sieben Millionen auf zwölf Millionen – in Hamburg nur von sieben Millionen TEU auf knapp neun Millionen. Die beiden Konkurrenten nehmen Hamburg quartalsweise Wettbewerbsanteile ab. Das lag in der Vergangenheit nicht zuletzt an der schlechteren Erreichbarkeit des Hafens, der lange mit Tiefgangbeschränkungen zu kämpfen hatte. Erst mit der Elbvertiefung hat sich dieser Nachteil verringert.

Waren die Schiffe erst einmal in Hamburg, galt die Abfertigung hier als besonders effizient. Doch auch diesen Vorteil hat der Hafen an der Elbe gegenüber seinen Konkurrenten verloren. Ein Grund ist die Digitalisierung, die Hamburg zwar vorbildlich vorantreibt. Wegen der fehlenden Terminalbeteiligungen kann der Hafen aber davon nicht profitieren.

Digitalisierung macht Logistikketten schneller

So sagt Logistikexperte Ninnemann: „Mit der zunehmenden Digitalisierung sind Terminalbeteiligungen für Reedereien noch wichtiger geworden, weil sie mehr Daten zur Verfügung haben und ihre Ladepläne an Bord von vorneherein an die Löschvorgänge im Zielhafen anpassen können. Das macht die Logistikkette effizienter. Die Ware kommt schneller zum Kunden.“

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Ein Beispiel zeigt, wie groß der Effizienzgewinn von Terminalbeteiligungen durch die Digitalisierung ist: Maersk hatte Hamburg einst um eine Terminalbeteiligung ersucht. Die Hansestadt wollte nicht, also engagierte sich der Konzern in Bremerhaven. „Das Ergebnis ist, dass der North Sea Terminal Bremerhaven heute ähnlich produktiv ist wie beispielsweise Altenwerder in Hamburg, obwohl die Terminalanlagen gegenüber Altenwerder eine deutlich geringere Automatisierung aufweisen. Die Durchgängigkeit der Daten macht die Logistikketten einfach schneller“, sagt Ninnemann.

Hamburger Hafen: Ver.di befürchtet Ausverkauf

Auch viele andere europäische Häfen haben den Chinesen Einlass ermöglicht. Am CSP Iberian Terminal in Valencia hält Cosco 51, an dem in Bilbao mehr als 39 Prozent. Der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) warnte vor einiger Zeit im „Handelsblatt“ vor dem wachsenden chinesischen Einfluss auf Europas Häfen. Auch die Gewerkschaft Ver.di kritisiert Tschentscher für seine Haltung.

Sie befürchtet einen Ausverkauf des Hafens. „Die Infrastruktur des Hafens ist eine wichtige Grundlage für das Leben und Arbeiten im Hafen und darf deshalb nicht infrage gestellt werden. Ver.di fordert eine Hafenpolitik, die tariflich abgesicherte Arbeitsplätze und ökologische Ziele gleichermaßen berücksichtigt“, sagt die stellvertretene Landesbezirksleiterin Sieglinde Frieß. Noch ist nichts entschieden. Aber die Diskussion gewinnt an Fahrt.