Berlin. Trotz milliardenschwerer Förderung durch den Bund gibt es immer weniger Sozialwohnungen. Nur fünf Bundesländer schaffen die Trendwende.

Die Mietpreise in Deutschland steigen weiter, die Zahl der Sozialwohnungen geht dagegen immer weiter zurück. An dieser Entwicklung hat sich auch im Corona-Krisenjahr 2020 nichts geändert. Unter dem Strich gab es im Jahr 2020 insgesamt 26.339 Wohnungen mit Sozialbindung weniger als noch im Jahr 2019.

Umgerechnet fallen damit durchschnittlich rund 72 Wohnungen pro Tag aus der Sozialbindung – das macht rund drei Wohnungen pro Stunde. Das ist das Ergebnis einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage des wohnungspolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion, Christian Kühn, hervor. Das Schreiben aus dem Bundesinnenministerium liegt unserer Redaktion vor.

Miete: Trotz milliardenschwerer Förderung gibt es immer weniger Sozialwohnungen

Der Bau von Sozialwohnungen wird staatlich gefördert, dafür unterliegen die Wohnungen einer preislichen Bindung. Sie müssen für einen bestimmten Zeitraum, meist zwischen 15 und 25 Jahren, günstig angeboten werden und können ausschließlich von einkommensschwachen Bürgern, die einen Wohnberechtigungsschein vorweisen können, bezogen werden. Nachdem die geförderten Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen sind, darf die Miete erhöht werden, sofern die Mieterhöhung begründbar ist.

Eigentlich ist der Sozialwohnungsbau Ländersache. Weil die Bundesländer aber den Schwund an Sozialwohnungen nicht stoppen, fördert der Bund seit 2020 den sozialen Wohnungsbau jährlich mit einer Milliarde Euro. Pro Jahr werden aber nur rund 30.000 Sozialwohnungen gebaut, fast 60.000 Sozialwohnen verlieren dagegen ihre Sozialbindung.

Der daraus resultierende Schwund ist gewaltig: Ende der 1980er Jahre gab es nach Angaben der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) allein in Westdeutschland rund vier Millionen Sozialwohnungen. 2020 waren es der Antwort der Bundesregierung zufolge bundesweit nur noch 1,129 Millionen Sozialwohnungen – und damit 2,28 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Fünf Bundesländer schaffen die Trendwende

Unter den Bundesländern gibt es bei der Entwicklung gravierende Unterschiede. Nur Baden-Württemberg, Hamburg, das Saarland, Sachsen und Thüringen schafften es den Daten zufolge, im vergangenen Jahr ihren Bestand an Sozialwohnungen zu erhöhen.

Den deutlichsten absoluten Zuwachs erzielte dabei Hamburg. Die Hansestadt steigerte ihren Bestand um 830 Sozialwohnungen. Sachsen wies mit 435 Sozialwohnungen mehr als im Vorjahr und damit einem Plus von 3,79 Prozent den größten relativen Zuwachs auf. Lesen Sie hier: Mietpreise steigen weiter: Was die Politik jetzt tun will

In Mecklenburg-Vorpommern ist fast jede dritte Wohnung aus der Bindung gefallen

Den drastischsten Rückgang im Bestand musste Niedersachsen verzeichnen. Dort gab es 2020 den Daten zufolge 7070 Sozialwohnungen weniger als noch 2019. Auch Rheinland-Pfalz (- 6180), Nordrhein-Westfalen (- 5121) und Brandenburg (- 4959) verzeichneten hohe Rückgänge beim Sozialwohnungsbestand. Der größte relative Rückgang entfiel auf Mecklenburg-Vorpommern. Dort reduzierte sich die Zahl der Sozialmietwohnungen von 4893 im Jahr 2019 auf 3402 Wohnungen – ein Minus von 30,42 Prozent.

In Berlin, wo es bundesweit nach Nordrhein-Westfalen und Bayern die meisten Sozialwohnungen gibt, fielen 1807 Wohnungen aus der Bindung. Konstant halten konnten Bayern (- 0,23 Prozent) und Hessen (- 0,01 Prozent) ihren Sozialwohnungsbestand. Lesen Sie auch: Teure Immobilien trotz Corona: Gibt es eine Blase?

Grünen-Politiker Kühn kritisiert Finanzierung

Christian Kühn machte für die Entwicklung die große Koalition verantwortlich. „Union und SPD haben den sozialen Wohnungsbau in dieser Wahlperiode unterfinanziert. Sie tragen so große politische Verantwortung für diesen neuen Tiefststand“, sagte er.

Der Grünen-Politiker forderte mehr finanzielle Mittel vom Bund für den Sozialwohnungsbau. Auch forderte er grundlegende Änderungen. „Das System der nur kurzfristigen Bindung müssen wir durchbrechen“, sagte Kühn.

Christian Kühn, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, hält die Finanzierung des Sozialwohnungsbaus für unzureichend.
Christian Kühn, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, hält die Finanzierung des Sozialwohnungsbaus für unzureichend. © picture alliance / dpa | Marijan Murat