Hamburg. Tausende Experten werden bei der Messe zur Mobilität der Zukunft erwartet. Davon wird auch das Publikum etwas haben.
Es soll die erste große internationale Ausstellungsveranstaltung in Hamburg nach der Corona-Zwangspause werden: 12.000 bis 15.000 Fachleute aus mehr als 100 Ländern werden zum „World Congress on Intelligent Transport Systems“ (ITS) vom 11. bis 15. Oktober erwartet. Das sagte Harry Evers, Chef der ITS Hamburg 2021 GmbH, am Dienstag in der Landespressekonferenz im Rathaus. Damit liege man „über dem Schnitt“: Üblicherweise haben die weltweiten Branchentreffen rund um die Mobilität und den vernetzten Verkehr der Zukunft rund 10.000 Teilnehmer.
Zwar handelt es sich um eine Fachveranstaltung. Doch am 14. Oktober sind die Ausstellungen in den Messehallen sowie technische Vorführungen auf dem Heiligengeistfeld (fahrerlose Autos) und neben dem alten Hauptgebäude von Blohm+Voss (Drohnen) kostenlos für das Publikum zugänglich. Damit gebe es erstmals einen Öffentlichkeitstag auf einem ITS-Kongress, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Lesen Sie auch:
- Mit Volldampf in die Corona-Krise – und wieder heraus
- Mobilitätswende: Hamburg liegt vorn – und muss vorn bleiben
Ohnehin gehe es nicht nur um ein einmaliges Ereignis: „Wir wollen, dass viele Projekte über die Veranstaltung hinauswirken“, so Tschentscher. Als Beispiel nannte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) die autonom fahrende S-Bahn zwischen den Haltestellen Berliner Tor und Bergedorf, die erstmals zum ITS-Kongress mit Fahrgästen auf die Strecke gehen soll – eine Deutschland-Premiere: „Diese Technologie ermöglicht es uns, mehr S-Bahnen auf den bestehenden Strecken einsetzen zu können“, so Tjarks. Der Senat wolle Hamburg zur „Modellstadt für nachhaltige und innovative Mobilität“ machen.
Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Hamburger ITS-Kongress:
Seit wann gibt es die ITS-Kongresse und wie häufig finden sie statt?
Erstmals fand die Veranstaltung 1994 in Paris statt. Seitdem gibt es sie jährlich – mit einer Corona-bedingten Ausnahme im Jahr 2020. Vor Hamburg war schon einmal eine deutsche Stadt der Gastgeber: Berlin im Jahr 1997.
Wie viel kostet die Veranstaltung?
Nach Angaben von Evers kalkuliert man mit Gesamtkosten von elf Millionen Euro für Bewerbung, Durchführung und Nachbereitung des Kongresses. Der Bund steuere davon 3,5 Millionen Euro bei. Auf der anderen Seite wird die Woche im Oktober nach früheren Angaben von Evers über Buchungen in Hotels und Restaurants sowie über Umsätze im Handel zehn bis 15 Millionen Euro einspielen.
Was kann Hamburg den Teilnehmern alles präsentieren?
Im Oktober 2015 kündigte der Senat die Bewerbung um den ITS 2021 an, im April 2016 verabschiedete man eine Strategie für Intelligente Transport- und Verkehrssysteme. Seitdem sind – zum Teil im Rahmen „strategischer Partnerschaften“ und Kooperationen mit Unternehmen wie Volkswagen, Daimler, BMW und der Deutschen Bahn – rund 90 Projekte angelaufen, die damit in Verbindung stehen. So entstand rund um die City zwischen den Messehallen und dem Hafenrand eine etwa neun Kilometer lange Teststrecke für Autonomes Fahren. Auf dieser Strecke sind unter anderem 37 Ampeln so aufgerüstet worden, dass sie über Funk mit den Testwagen in Verbindung stehen.
Seit August 2019 wird in der HafenCity ein selbstständig fahrender Elektro-Kleinbus (Projekt „Heat“) erprobt. Zu den Projektpartnern gehören Siemens und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Leitung hat die Hamburger Hochbahn. Ebenfalls unter den Vorzeige-Vorhaben sind die Sammeltaxi-Dienste Moia und Ioki sowie eine intelligente Verkehrsführung für Lkw im Hafengebiet mittels vernetzter Ampeln, außerdem automatisiertes Einparken im Elbphilharmonie-Parkhaus. Dies soll eine um bis zu 20 Prozent bessere Auslastung des bestehenden Parkraums bringen.
Was wird das Hamburger Publikum während des ITS erleben können?
Abgesehen von der selbstfahrenden S-Bahn dürfte die Vorstellung der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Drohnen einer der Publikumsmagneten sein. So haben sich Hersteller großer Drohnen, mit denen sogar Menschen fliegen können, zu Vorführungen angekündigt. In den Messehallen sowie an ausgewählten Orten im öffentlichen Raum werde den Besuchern ein „hochkarätiges Bühnen-Programm“ mit NDR-Moderator Yared Dibaba geboten, hieß es am Dienstag. Anmeldungen zum so genannten „Public Day“ am 14. Oktober sind ab Juli möglich unter www.itsweltkongress.hamburg
Welche Innovationen bleiben über den ITS hinaus für Hamburger nutzbar?
Eine Neuerung des HVV, die zum ITS-Kongress in Betrieb gehen soll, steht prinzipiell allen Nutzern des öffentlichen Nahverkehrs in Hamburg zur Verfügung: Die Fahrkarten-App „HVV Any“. Sie wird den Ankündigungen zufolge automatisch den günstigsten Fahrpreis aus- und dann auch abrechnen, so dass der Fahrgast sich gar nicht mit Tarifen beschäftigen muss.
Damit will man besonders die Gelegenheitsfahrer überzeugen. Der autonom fahrende E-Kleinbus „Heat“, der in der HafenCity kreist, wird erst künftig sein volles Potenzial ausspielen können: Bisher ist er auf eine Geschwindigkeit von 25 Kilometer pro Stunde begrenzt, später soll er mit Tempo 50 unterwegs sein. Die Moia-Busse sollen ab 2025 auch autonom fahren. Einen besonders langen Vorlauf hat ein Projekt, das man den ITS-Fachbesuchern schon jetzt vorstellt: Die neue U-Bahn-Linie U5, die vollautomatisch fahren soll, wird auf den ersten Streckenabschnitten nicht vor Ende des Jahrzehnts in den Passagierbetrieb gehen.
Was würde bei einer Absage des Kongresses geschehen?
Eine Absage für den Fall, dass wegen einer erneuten Verschärfung der Corona-Situation eine Präsenzveranstaltung unmöglich würde, war zwar in der Pressekonferenz am Dienstag gar kein Thema mehr. Sollte es aber doch dazu kommen müssen, wäre das keine Premiere – und es gibt auch ein Szenario dafür: Der für Oktober 2020 in Los Angeles geplante ITS-Kongress fiel der Pandemie zum Opfer.
Nach der neuen Planung wird die kalifornische Metropole nun 2022 der Gastgeber sein. Im Jahr 2023 dürfte die chinesische Stadt Suzhou bei Shanghai am Zug sein, denn sie war ursprünglich als Ausrichter für 2022 vorgesehen. Hamburg käme dann 2024 wieder an die Reihe. Damit würde man einen gewohnten Rhythmus durchbrechen: In der Regel kommt die Veranstaltung alle drei Jahre nach Europa – 2018 fand sie in Kopenhagen statt. Läuft alles wie vorgesehen, ist 2024 Dubai der Gastgeber.