Hamburg. Mahlkönig baut die besten Profimühlen der Welt. Der Kult um das Hamburger Unternehmen treibt zuweilen seltsame Blüten.

An der Tilsiter Straße gleich gegenüber vom Laubengarten-Verein von 1913 servieren sie Besuchern einen ziemlich guten Espresso. Die Bohnen stammen aus dem tansanischen Hochland. Wie fein sie gemahlen werden, darf der Gast sich wünschen: Soll die Mühle auf 200 Mikrometer eingestellt werden oder doch lieber auf 220?

Mit dem Auge ist der Unterschied zwischen 0,20 und 0,22 Millimetern Korngröße nicht zu erkennen. Dass solcherlei Feinheiten den Geschmack des Heißgetränks verändern, schmeckt aber sogar der ungeübte Laie. Je gröber, desto mehr Säure, manche nennen es fruchtiger.

Kaffeemühlen von Mahlkönig sind weltberühmt

„Es gibt Profi-Baristi, die behaupten, dass sie sogar schmecken, ob die Mahlscheiben in der Kaffeemühle aus Stahl oder aus Gusseisen sind. Und wie lang und intensiv diese Mahlscheiben bereits in Benutzung sind“, sagt Marcel Lehmann. Und räumt ein: „Dafür bedarf es jahrelangen Trainings. Ehrlich gesagt: Ich muss dafür noch weiter trainieren.“

Aber, wenn man etwas wissen will über das professionelle Mahlen von gerösteten Kaffee- und Espressobohnen, dann muss man mit Lehmann sprechen. Der 35-Jährige ist Geschäftsführer der Hemro Manufacturing Germany GmbH. An der Firmenfassade an der Tilsiter Straße steht auch der Markenname Mahlkönig.

Wandsbeker Firma ist ein „Hidden Champion“

Bei den meisten Hamburgern dürfte die Erwähnung des mittelständischen Unternehmens ein Schulterzucken auslösen. Doch in der professionellen Kaffee-Szene, bei Menschen, die ihn gewerbsmäßig zubereiten oder verkaufen, und bei Menschen, die in Espresso-Foren mit Gleichgesinnten über Vor- und Nachteile bestimmter Sorten, Anbaugebiete und Röstverfahren, über Nuancen von Zubereitungsdetails und den Einfluss sich erwärmender Mahlscheiben auf das Geschmackserlebnis fachsimpeln, hat der Markenname Mahlkönig einen Klang wie Donnerhall.

Die Wandsbeker sind einer dieser „Hidden Champions“ aus Hamburg und Weltmarktführer. Mit ihren Produkten dürfte zumindest jeder Kaffeetrinker in Deutschland und fast jeder weltweit einmal Kontakt gehabt haben, ohne es zu wissen.

Mühlen zählen in Kaffeeketten zur Standardausrüstung

Mahlkönig-Maschinen gehören zur Standardausrüstung in Spezialitäten-Cafés und Coffee-Ketten wie Elbgold oder Espresso-House in Hamburg. Selbst Coffee-Bars in San Francisco weisen darauf hin, dass sie ihren Espresso im Mahlkönig-Modell EK 43 mahlen.

In den Mitte 2020 bezogenen neuen Werkhallen stapeln sich 700 Mühlen, die eine chinesische Coffeeshop-Kette unlängst auf einen Schlag geordert hat. Und in jeder der 550 Tchibo-Filialen und in jedem der mehr als 9000 Tchibo-Depots in deutschen Supermärkten mahlen Kunden ihre Guatemala-Grande-Bohnen in einer Mahlkönig. Für den Hamburger Kaffeeröster werden an der Tilsiter Straße gerade die mattschwarzen Mühlen der nächsten Generation montiert.

Auch bei WMF- oder Krupps-Automaten ist Mahkönig drin

Auch wo Mahlkönig nicht draufsteht, ist meist Mahlkönig drin. WMF, Melitta, Krups – fast alle großen Hersteller von Kaffee-Vollautomaten bauen Mahlwerke aus Wandsbek ein. Die werden dort von Industrierobotern aus Metall-Rohlingen gefräst.

Verbaut werden sie in allen Maschinen aus der Hemro Group. Das ist ein Kaffeemühlen-Imperium mit Sitz in der Schweiz, deren vier Marken bislang fast ausschließlich Kaffee- und Espressomühlen für den professionellen Einsatz anbieten.

Auch Getreidemühlen stellt die Gruppe her

Hey Café aus China deckt das untere Preissegment ab, Anfim mit Sitz Mailand das mittlere, Ditting aus der Schweiz mahlt allein Kaffeebohnen und beliefert sämtliche Starbucks-Filialen weltweit, hat aber auch Getreidemühlen im Portfolio, die in Hamburger Biomärkten stehen. Kunden schroten in einer Ditting ihren Bio-Dinkel. Mahlkönig zerkleinert sowohl Espresso- als auch Kaffeebohnen – im Hightech-Premium-Segment.

Die Maschinen gelten als extrem robust, fein justierbar und langlebig. „Wir kalkulieren bei unserem neuesten Modell mit einer Lebensdauer der Mahlscheiben von mindestens 25.000 Einsätzen“, sagt Lehmann. Der Preis ist auch Premium. Das Brot-und-Butter-Modell EK 43, mit deren gusseisernen Scheiben die Teilnehmer der Barista-Weltmeisterschaft mahlen, kostet 2300 Euro.

Mehr zum Thema:

Was solvente Espresso-Enthusiasten nicht hindert, das 28-Kilo-Gerät auf ihre Küchenarbeitsplatte zu wuchten und sich Bohnen zum Luxuspreis für jede Tasse frisch und mikrometerfein zu mahlen. Es gibt die Faustregel: Nach 15 Minuten sind 80 Prozent der Aromen verflogen.

Der weltweite Kult um die Kaffeemühlen aus Wandsbek treibt zuweilen seltsame Blüten. Lehmann zeigt zwischen zwei Espressi Instagram-Fotos, auf denen eingeschworene Mahlkönig-Fans anderen eingeschworenen Fans ihr neues EK 43-Tattoo auf dem Oberarm vorführen. Manche lassen sich lieber das Mahlkönig-Logo unter die Haut stechen. Allein bei Facebook hat das Unternehmen 26.500 Follower und Abonnenten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kommt auf knapp 23.000.

Daten wie Mahlvorgänge online abrufen

Ist Mahlkönig der Maserati unter den Kaffeemühlen? „Porsche trifft es besser“, sagt Lehmann: „Wir können hohe Stückzahlen produzieren.“ Sein Team bringt gerade den Volks-Porsche unter den Kaffeemühlen auf den Markt. Die X 54 ist die neue Mahlkönig für den nicht ganz so solventen Privatkunden. Sie ist der in Technik und Design deutlich optimierte Nachfolger der Vario Home, die vor Jahren aus dem Programm genommen wurde.

Das X steht für Allround, die 54 für den Durchmesser in Millimetern der sich gegenläufig drehenden Mahlscheiben. Die lassen sich – wie die Tchibo-Mühlen im Supermarkt – auf Mahlgrade zwischen 600 Mikrometer für French Press-Siebstempelkannen und 180 Mikrometer für säurearmen Espresso justieren. 2,5 Gramm Bohnen pro Sekunde der per integrierter Stoppuhr einstellbaren Mahldauer ergeben in einer knappen halben Minuten die Menge Kaffeemehl, die es für einen Liter aus der French Press braucht. Mit WLAN-Verbindung lassen sich Daten wie die Zahl der absolvierten Mahlvorgänge per App abrufen.

Die X 54 von Mahlkönig kostet knapp 500 Euro

Das Ganze ist ein Gemeinschaftsprojekt von drei Hemro-Marken: Entwicklung in der Schweiz, Mahlwerk aus Hamburg, Montage in China. Die X 54 ist seit Anfang Mai in den Onlineshops von Mahlkönig und Highend-Kaffeemaschinenanbietern zu haben. In den nächsten Wochen werden die ersten Exemplare an Fachgeschäfte für gehobene Küchenausstattung wie Cuccinaria in Hamburg ausgeliefert. Seit Mai kann der Fachhandel weltweit die Maschine ordern, die hierzulande für knapp 500 Euro an den Endkunden abgegeben wird.

Der Auftragseinbruch am Anfang der der Corona-Krise ist verdaut, die Krise in der weltweiten Zulieferkette in den ersten Monaten 2021 halbwegs im Griff, die Preissteigerungen bei Elektronikteilen und Aluminiumgehäusen sind kalkuliert. Aber seit dem Vermarktungsstart der X 54 wissen Lehmann und die mehr als 100 Beschäftigten nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Die Nachfrage nach der Volks-Mahlkönig übertrifft alle Erwartungen. „Bislang sind 12.500 Stück geordert“, zieht der Geschäftsführer die Zwischenbilanz nach gut sechs Wochen.

Nachfrage nach Haushaltskaffeemühlen stieg um 25 Prozent

Das Gerät kommt offenbar zum richtigen Zeitpunkt: Die Espresso-Community, deren Mitgliedern Qualität wichtiger ist als Geld, wächst seit Jahren stetig. Die Pandemie pushte die Nachfrage nach Luxusartikeln für daheim. „Der Verkauf von Haushaltskaffeemühlen ist 2020 um 25 Prozent gestiegen“, so Lehmann. Verbraucher geben ihr Geld bedenkenloser aus, weil sie sonst womöglich Strafzinsen an die Bank zahlen.

Tchibo nimmt den Trend auf und erweiterte sein Mühlensortiment für die Küche. Dort ist das Top-Modell schon für 80 Euro zu haben. Laut dem jüngsten Kaffeereport sagen fast zehn Prozent der deutschen Kaffeetrinker, sie hätten sich eine Mühle für daheim angeschafft.

Mahlkönig sucht händeringend Metall-Fachkräfte

„Dieses Jahr wird voraussichtlich noch herausfordernder als das Corona-Jahr 2020 und wirtschaftlich erfolgreicher als 2019“, erwartet Lehmann. Damals standen nach den in Firmengruppen üblichen Verrechnungen zwischen Schwesterfirmen etwa 31,5 Millionen Euro Umsatz und 500.000 Euro Gewinn zu Buche. 2020 schrumpften die Erlöse pandemiebedingt um etwa zehn Prozent.

Für 2021 erwartet der Geschäftsführer nun zehn Prozent mehr als 2019 und sagt: „Es hätten auch 30 oder 40 Prozent sein können, wenn wir ausreichend viele Zulieferteile bekommen hätten.“ Derzeit sucht der Mahlkönig-Chef händeringend Metall-Fachkräfte, um die Auftragsflut bei der X 54 bewältigen zu können.

Der Plan ist, die Belegschaft bis Jahresende auf mehr als 200 nahezu zu verdoppeln. Seit dem Abflauen der Corona-Krise weltweit gehen die Bestellungen für die teuren Profimühlen steil nach oben. Wer jetzt eine EK 43 ordert, bekommt sie voraussichtlich erst 2022 geliefert. Deshalb soll in den Fabrikhallen gegenüber vom Laubengarten-Verein bald im Zwei- statt im Einschichtbetrieb gearbeitet werden. Wohl ab September. Lehmann: „Mir wäre lieber schon ab August.“