Hamburg. Die Anbieter Gorillas, Flink und Bringoo versprechen, den Einkauf schnell nach Hause zu bringen. Das Abendblatt hat es ausprobiert.

Nach Feierabend vom Sofa aus noch schnell die Zutaten für ein Abendessen bestellen? Oder morgens im Bett Kaffee und frische Franzbrötchen ordern? Seit einigen Monaten geht das auch in Hamburg. Drei neue Sofort-Lieferdienste sind in der Stadt unterwegs und bringen Lebensmittel in wenigen Minuten zu Supermarktpreisen an die Haustür.

Als Erstes war im November 2020 Bringoo gestartet. Inzwischen sieht man vor allem in den innerstädtischen Stadtteilen immer häufiger Fahrer von Gorillas und Flink mit riesigen Rucksäcken auf E-Bikes. Die Corona-Pandemie hat den Online-Handel mit Lebensmitteln rasant beschleunigt. Auch Rewe und Edeka bauen gerade ihre klassischen Lieferoptionen aus. Das Gerangel wird in den nächsten Monaten weiter zunehmen: Lieferando hat in Berlin einen Lebensmittel-Bringdienst gestartet und strebt nach Hamburg. Delivery Hero steht in den Startlöchern. Das Abendblatt hat den neuen Service ausprobiert.

Gorillas: Lieferdienst mischt den Markt auf

Ein Gorillas-Fahrer wartet in Winterhude auf die nächste Tour.
Ein Gorillas-Fahrer wartet in Winterhude auf die nächste Tour. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Vor einem Jahr hat Gorillas-Gründer Kagan Sümer noch selbst Lebensmittel aus seinem Berliner Wohnzimmer ausgeliefert – jetzt gehört sein Express-Lieferdienst zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen in Deutschland mit einer Bewertung von einer Milliarde Euro. Gorillas hat in der Pandemie mit dem Versprechen, die Waren per Fahrrad von Basislagern, sogenannten Darkstores, in nur zehn Minuten auszuliefern, den Markt aufgemischt. Sümer, der von Rocket Internet kommt, hat von Anfang an auf Expansion gesetzt.

Im März sicherte sich der Expressdienst weitere 200 Millionen Euro Risikokapital. Allerdings rumort es in der Führungsebene. Gorillas hat seit Jahresbeginn zwei Topmanager verloren. Auf Anfrage hieß es, das „die Aktivitäten und dessen Steuerung von einer zentralen auf eine regionale Ebene verlagert“ werden sollen.

Gorillas liefert seit 2020 in Hamburg

Seit Ende 2020 liefert Gorillas in Hamburg Lebensmittel. Bundesweit sind die Fahrer in 18 Städten unterwegs. Mit Standorten in Frankreich, Italien, Großbritannien, den Niederlanden und demnächst in New York treibt Gorillas die Expansion voran. Es gibt allerdings Kritik an den Arbeitsbedingungen wie an dem massiven Zeitdruck. Im Berlin haben Beschäftigte in dieser Woche nach der Entlassung eines Fahrers die Arbeit niedergelegt und protestieren für bessere Konditionen. Im Mai hatte zudem ein Datenleck für Unruhe gesorgt.

Angebot/Warenverfügbarkeit:

Gorillas gibt an, mehr als 2000 Artikel im Sortiment zu haben, die über zehn Warengruppen mit diversen Unterpunkten ähnlich wie im Supermarkt ausgewählt werden können. Es stehen zumeist Produkte von mehreren Anbietern zur Wahl, auch in Bio-Qualität und als pflanzliche Alternativen. Frische Waren wie Obst und Gemüse, Fleisch oder Fertiggerichte waren im Testfall zur Feierabendzeit teilweise ausverkauft. Positiv: Gorillas hat aktuell 21 lokale Hamburger Marken im Angebot, etwa Backwaren von der Kleinen Konditorei und Lunchboxen von Kitchen Guerilla.

Bestellprozess:

Bestellungen sind nur über die Smartphone-App möglich. Dort wird über die Ortungsfunktion angezeigt, ob der Standort im Liefergebiet liegt. Vor der ersten Bestellung regis­triert man sich mit den üblichen Kontaktdaten, danach kann man sofort einkaufen. Über eine Favoriten-Funktion lassen sich Produkte schnell finden, die schon mal eingekauft wurden. Sobald der Auftrag gesendet ist, lässt sich der Status im Minutentakt verfolgen. Die Bestellliste mit allen Lieferdaten wird in der App abgelegt. Angegeben wird auch der Name des Fahrers mit Anrufoption.

Lieferung:

Der Einkauf war nach acht Minuten an der Wohnungstür und damit zwei Minuten früher als die versprochenen zehn Minuten. Alle Produkte waren wie bestellt. Tiefkühlprodukte wurden in einer TK-Tüte transportiert. Kleiner Minuspunkt: Die Verständigung mit dem Fahrer war nur auf Englisch möglich.

Kosten/Bezahloptionen:

Ein Vergleich ergab: die Gorillas-Preise sind wie im Supermarkt. Dazu kommt eine Liefergebühr in Höhe von 1,80 Euro. Es gibt keine Mindestbestellmenge. Nur bargeldlose Bezahlung ist möglich, etwa mit Paypal oder Kreditkarte.

Liefergebiet:

Barmbek, Eimsbüttel, Hoheluft, Ottensen, Sternschanze/St. Pauli, Winterhude

Lieferzeiten:

Montag bis Sonnabend von 8 bis 23 Uhr

Flink: Größter Konkurrent von Gorillas

Herzstück von Flink ist der Hamburger Pionier Pickery der Start-up-Gründer Nikolas Bullwinkel und Saad Saeed. Ende 2020 waren die Berliner Unternehmer Julian Dames, Christoph Cordes und Oliver Merkel mit viel Branchen-Erfahrung eingestiegen und haben den Bringdienst, praktisch ein Klon des Vorreiters Gorillas und inzwischen dessen größter Konkurrent, unter dem neuen Namen neu gestartet. Flink setzt ebenfalls auf Schnelligkeit und arbeitet wie Gorillas mit dezentralen Basislagern, von denen aus die Bestellungen mit E-Bikes ausgeliefert werden. Nach mehreren erfolgreichen Finanzierungsrunden konnte das wachstumsorientierte Unternehmen erst Anfang Juni sein Kapital um 200 Millionen Euro auf 250 Millionen Euro aufstocken – und zog mit Gorillas gleich.

Im Wettkampf mit dem Rivalen eröffnet Flink nach eigenen Angaben alle zwei Tage neue Standorte. Aktuell ist der Expresslieferdienst, der seine Beschäftigten fest anstellt, in 21 deutschen Städten unterwegs, außerdem in den Niederlanden und in Paris. Für viel Aufmerksamkeit sorgte die Meldung, dass die Rewe Group, Deutschlands zweitgrößter Lebensmittelhändler, gerade mit einer Minderheitsbeteiligung bei dem Lieferdienst eingestiegen ist und exklusiv die Warenversorgung übernehmen wird.

Angebot/Warenverfügbarkeit:

Das Flink-Sortiment umfasst laut Firmenangaben mehr als 2400 Artikel. Es gibt 22 Warengruppen mit Unterkategorien. Wie im Supermarkt stehen zumeist Produkte von mehreren Anbietern zur Wahl, auch in Bio und Vegan. Die Auswahl von frischem Obst und Gemüse ist auf ein Grundsortiment beschränkt. Pfiffig: Man kann auch über anlassbezogene Themen mit einer entsprechenden Produktauswahl, wie Netflix & Chill oder Breakfast in Bed, seinen Einkauf machen.

Bestellprozess:

Auch bei Flink sind Bestellungen nur über die Smartphone-App möglich, die bei eingeschalteter Ortungsfunktion auch erkennt, ob der Standort im Liefergebiet liegt. Bevor es ans Bezahlen geht, registriert man sich mit den üblichen Kontaktdaten. Der letzte Einkauf wird eingeblendet, sodass man die Produkte schnell wiederfindet. Nach dem Senden lässt sich der Status der Bestellung im Minutentakt verfolgen. Die Bestellliste mit minutengenauen Lieferdaten wird in der App abgelegt.

Lieferung:

Acht statt der versprochenen zehn Minuten hat der Fahrer gebraucht, um die bestellten Lebensmittel an die Haustür zu bringen. Und dass, obwohl er zunächst am Nachbarhaus war und anrufen musste. Alle Waren kamen wie bestellt an. Nicht nur die Milch war gekühlt, sondern auch das Bier.

Kosten:

Flink berechnet Supermarktpreise plus 1,80 Euro Liefergebühr. Der Mindestbestellwert ist ein Euro.

Liefergebiet:

Inneres Stadtgebiet zwischen Groß Flottbek und Harvestehude

Lieferzeiten:

Montag bis Sonnabend von 8 bis 23 Uhr

Bringoo: Zusammenarbeit mit Händlern

Hasib Khan ist mit seinen Online-Bringdienst Bringoo im November vergangenen Jahres an den Start gegangen. Der 30-jährige Hamburger ist ein klassischer Start-up-Unternehmer, hat bereits Firmen in Dubai gegründet und erfolgreich geführt. Anders als die Konkurrenten Gorillas und Flink arbeitet Bringoo direkt mit den Händlern zusammen.

Die Kunden wählen über eine App die gewünschten Artikel in einem Geschäft in der Nähe aus. Sobald die Bestellung abgeschickt und bezahlt ist, suchen Einkäufer die Waren zusammen. Parallel wird über einen Algorithmus der nächste Fahrer informiert, der die Bestellung mit dem Auto oder einem E-Lastenrad nach Hause bringt. Dadurch kann der Lieferdienst das komplette Sortiment der jeweiligen Märkte anbieten, allerdings ist die angepeilte Lieferzeit mit 45 Minuten deutlich länger als bei der Konkurrenz.

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Monatlich Umsatz von 100.000 Euro

Das 30-Mitarbeiter-Unternehmen wickelt monatlich Bestellungen mit einem Umsatz von 100.000 Euro ab. Der Durchschnittsbon liegt bei 40 Euro. Gründer Khan, der 250.000 Euro in das Projekt gesteckt und noch mal das Dreifache bei Investoren eingesammelt hat, ist aktuell auf der Suche nach weiteren Investoren. Seit dem Frühjahr liefert Bringoo auch in Berlin. Ende Juni will das Start-up in Köln starten. Weitere Standorte auch in kleineren Städten sollen folgen. Parallel arbeitet Khan daran, weitere Handelspartner von seiner Liefer-App zu überzeugen. Aktuell sind in Hamburg 13 Supermärkte (Edeka, Nahkauf, Metro) sowie einige lokale Anbieter dabei. Von der nächsten Woche an liefert Bringoo auch aus Penny-Filialen.

Angebot/Warenverfügbarkeit:

Weil Bringoo kein eigenes Lager hat, sondern für den Kunden bei ausgewählten Märkten einkauft, steht jeweils das gesamte Sortiment zur Verfügung. Im Testfall war das ein Edeka-Händler in der Grindelallee. Die Auswahl in 43 Produktkategorien braucht allerdings mehr Zeit.

Bestellprozess:

Erst erfolgt die Regis­trierung über die App. Dabei ist Bringoo das einzige der getesteten Dienste, der die Einrichtung des Accounts über eine Verifizierungsmail und ein Passwort absichert. Der Einkauf erfolgt ähnlich wie bei Gorillas oder Flink: Man legt die Artikel per Mausklick in einen virtuellen Warenkorb. Eine Funktion, den letzten Einkauf erneut zu ordern, gibt es nicht. Bei der Alkohol-Bestellung wird man erinnert, einen Ausweis bereitzuhalten.

Lieferung:

Lieferung in maximal 45 Minuten verspricht Bringoo. Im Testfall kam der Fahrer mit dem Auto in 27 Minuten. Ärgerlich: Zwei der acht bestellten Produkte wurden nicht geliefert, ohne dass es vorher eine Informationen darüber gegeben hätte. Diese Funktion soll im nächsten Update enthalten sein.

Kosten/Bezahloptionen:

Geliefert wird zu den Preisen des ausgewählten Marktes. Die Liefergebühr beträgt bis zu einem Gewicht von 20 Kilogramm 2,90 Euro. Es gibt keine Mindestbestellmenge. Bezahlt werden kann nur bargeldlos, per Kreditkarte oder Sofortüberweisung. Als einziger der Lieferdienste schickte Bringoo nach Abschluss des Auftrags eine Rechnung per Mail. Die beiden nicht gelieferten Produkte wurden nicht berechnet.

Liefergebiet:

Im Innenstadt sowie im Norden und Osten von Hamburg, nicht im Westen und südlich der Elbe.

Lieferzeiten:

Montag bis Sonnabend von 10.30 bis 20.30 Uhr

Drei Hamburger Lieferdienste: Fazit

Alle drei Bringdienste sind bei der Auslieferung unter dem versprochenen Zeitrahmen geblieben. Gebracht wurde, was bestellt war. Ausnahme Bringoo, wo zwei Artikel fehlten. Auch Auswahl und Preisgestaltung sind vergleichbar mit einem stationären Supermarkt.

Für einen spontanen Einkauf, für den man nicht mehr vor die Tür will, ist der neue Service ein interessantes Zusatzangebot. Ob es sich auch für den Wocheneinkauf eignet, muss sich zeigen. Denn klar ist, kostendeckend kann im Moment keiner der Anbieter arbeiten. Dazu kommt inzwischen massive Kritik an den Arbeitsbedingungen für Picker und Fahrer.