Berlin. Verbraucherfrust hat offenbar einen Namen: Vodafone. Über kein anderes Unternehmen gibt es in Deutschland so viele Beschwerden.
Technische Probleme, unklare Posten auf der Abrechnung – immer wieder haben Verbraucherinnen und Verbraucher Ärger mit ihren Verträgen. Kann der Kundenservice nicht weiterhelfen, führt das nicht selten zu Frust und Kündigung. Der Name eines Unternehmens fällt beim Thema Verbraucherfrust immer wieder: Der des Telekommunikationsriesen Vodafone.
Das zeigt sowohl eine Auswertung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) sowie eine neue Statistik des Kündigungsdienstleisters Volders, die unserer Redaktion vorliegt. Volders hat 26.000 Kündigungen aus den Jahren 2019 und 2020 ausgewertet, die mit der Begründung „schlechter Kundenservice“ erfolgten.
Telekommunikationsanbieter: Viele Kündigen wegen unzureichender Kundenbetreuung
Unter den 15 am häufigsten genannten Unternehmen liegt Vodafone mit deutlichem Abstand an der Spitze: Im vergangenen Jahr entfielen 19 Prozent auf den Düsseldorfer Anbieter von Mobilfunk, Breitband-Internet und Kabel-TV. Ein Jahr zuvor kam Vodafone den Angaben zufolge sogar auf 22 Prozent. Lesen Sie auch: Neues Mobilfunknetz: 1&1 Drillisch mit Telefónica einig
Auch insgesamt kommt die Branche schlecht weg. Über die Hälfte (55 Prozent) der Kündigungen wegen unzureichender Kundenbetreuung entfielen laut Volders auf Telekommunikationsanbieter. Im Vorjahr waren es sogar rund 70 Prozent.
In der Spitzengruppe liegen auch O2 (10,0 Prozent), die Telekom (8,4 Prozent), Mobilcom-Debitel (7,5) sowie 1&1 (6,9). Dabei konnten O2 und Mobilcom-Debitel ihren Service offenbar gegenüber dem Vorjahr verbessern: Sie verbesserten sich um fast fünf, beziehungsweise zwei Prozentpunkte.
Verbraucherzentralen: Vodafone-Kunden beklagen untergeschobene Verträge
Auch den Verbraucherzentralen beschert Vodafone offenbar viel Arbeit. Der Bundesverband vzbv hat alle Beschwerden des Jahres 2020 ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis: Auf den Konzern mit Sitz in Düsseldorf entfallen die meisten Fälle. Unter den fünf größten Anbietern für Breitband und Festnetz seien es sogar 66 Prozent. Auch interessant: Diese Verträge wurden 2020 besonders häufig gekündigt
„Vodafone führt im Telekommunikationsbereich die Beschwerderangfolge mit einem Abstand an, der in keinem Verhältnis zur Marktgröße steht“, sagt Carola Elbrecht aus dem Team Marktbeobachtung Digitales beim vzbv. Am häufigsten hätten sich Verbraucherinnen und Verbraucher über die Vertriebsform von Vodafone beschwert – es gehe um Haustürgeschäfte sowie untergeschobene Verträge. Zudem gehe es um Probleme mit dem Internet- und Festnetzanschluss.
Unterschobene Verträge: Verbraucher haben Nachsehen
Obwohl untergeschobene Verträge rechtlich keinen Bestand hätten, hätten Verbraucher hier oft das Nachsehen: Sie müssten sich mit Zahlungsaufforderungen auseinandersetzen oder nicht genehmigten Abbuchungen hinterherlaufen, so der vzbv. Lesen Sie auch: Fitness, Handy, Strom: Das soll sich bei Verträgen ändern
Elbrecht berichtet: „Manche Verbraucher schildern uns, wie sie resignieren, weil sie mehrfach versucht haben, sich beispielsweise gegen untergeschobene Verträge durch Vodafone zur Wehr zu setzen. Aus einzelnen Verbraucherbeschwerden wird deutlich, wie problematisch es sein kann, die Rechte gegenüber Vodafone durchzusetzen.“
Vodafone sieht Beschwerdezahl „im homöopathischen Promillebereich“
Vodafone betont auf Nachfrage unserer Redaktion, die 11.000 Beschwerden bei Verbraucherzentralen lägen „im Vergleich zur Kundenzahl im homöopathischen Promillebereich“ – das Unternehmen hat nach eigenen Angaben rund 45 Millionen Kunden in Deutschland.
Auch entspreche die Zahl der Reklamationen den Marktanteilen von Vodafone. Die Verbraucherzentralen hätten dem Konzern zudem keine genaue Auswertung der Beschwerden vorlegt. Vodafone gehe aber jedem Fall nach, betont das Unternehmen.
Bei untergeschobenen Verträgen sieht sich Vodafone auch selbst als Opfer. Der Konzern erklärt die Masche so: Vertriebspartner, etwa in Läden mit Vodafone-Logo, wollten damit unberechtigte Provisionen einstreichen oder ein teures Smartphone für sich zur Seite schaffen. „Untergeschobene Verträge dulden wir auf keinem Vertriebsweg“, betont Vodafone.
Vodafone sieht sich auch als Opfer von Vertriebspartnern
Mit Kunden solle nur ein Vertrag abgeschlossen werden, wenn sie bewusst für ein Produkt entschieden haben und dieses nutzen möchten, erklärt das Unternehmen. Der Anbieter gehe jedem Hinweis auf Unregelmäßigkeiten nach. Stoße das Unternehmen bei Kundenbeschwerden oder regelmäßigen Kontrollen auf Unregelmäßigkeiten, habe dies Konsequenzen. Auch interessant: Was der Start des ersten eigenständigen 5G-Netzes bedeutet
Die Folge seien Abmahnungen, ein befristeter Stopp oder das vollständige Ende der Zusammenarbeit oder die Einleitung von Strafverfahren. „Rigoros“ gehe Vodafone gegen Vertriebspartner vor, die gegen die Richtlinien des Anbieters mit Sitz in Düsseldorf verstoßen. Dass solche Probleme vorkommen, gesteht Vodafone offen ein. Im Herbst 2020 trennte sich der Konzern von einem Vertriebspartner mit fünf Filialen im Ruhrgebiet und stellte Strafanzeige wegen Betrugsverdachts in 15 Fällen.
Unternehmen mit schlechtem Kundenservice immerhin schnell erreichbar
Der Kündigungsdienstleister Volders hat unterdessen auch untersucht, wie es um die Erreichbarkeit der Unternehmen steht, über die sich Verbraucher besonders häufig beschweren. Das Ergebnis nach Test-Anrufen an fünf Werktagen: Die Telekom lasse ihre Kunden mit durchschnittlich 22 Minuten am längsten warten, bei Vodafone seien es dagegen nur 2:38 Minuten. Auch interessant: Filmen, surfen, telefonieren: Die besten Smartphones 2021
Schneller sind O2 (2:37 Minuten), Mobilcom-Debitel (1:54 Minuten) und 1&1 (1:03 Minuten). Die Analyse zeige, dass die Mehrheit der Unternehmen zumindest in puncto Schnelligkeit gut aufgestellt sei, sagt Volders-Chef Jan Ansink: „Das wiederum lässt aber auch Rückschlüsse auf die Qualität des Services zu, denn es wurden die Kundendienste von den Unternehmen getestet, die unsere Kund:innen als Grund für ihre Kündigung angaben.”