Hamburg. Gründer von ReBoat investieren Millionenbetrag in das Recycling von Schrottyachten. Sie sehen sich als Pioniere.
Mark Walberg und Jens Mahnke haben sich viel vorgenommen. Sie machen die Verschrottung alter Sportboote zu ihrem Geschäftsmodell – und wollen damit die ersten am Markt sein. Dafür bauen die beiden Hamburger nachdem sie erste Erfahrungen in dieser Branche gesammelt haben nun in Bremerhaven einen Verwertungsbetrieb, in dem ausgediente Jollen oder Yachten auseinandergenommen werden sollen.
Jedes Material, aus dem Sportboote bestehen können, etwa GFK, Stahl, Aluminium oder Holz, wollen die Unternehmer sortenrein trennen und wenn möglich verwerten lassen. „Der Umweltgedanke hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen“, sagt Jens Mahnke zur Geschäftsidee der Firma ReBoat. Der Bewusstseinswandel und das wachsende Problem von immer mehr Sportbooten, die an Ufern oder in Häfen verrotten, haben die Gründer zu ihrem Businessmodell inspiriert.
Unternehmen hat bereits eine Reihe von Booten entsorgt
Seit der Gründung Anfang dieses Jahres hat das Unternehmen bereits eine Reihe von Booten entsorgt, bis Ende 2021 sollen es 100 Projekte werden, schätzen die Inhaber, die das Geschäft aus einem Büro in der Hamburger Neustadt steuern und bisher einen Betriebshof in Tangstedt nutzen. Auftraggeber sind Städte und Gemeinden, die vor sich hin gammelnde, herrenlose Sportboote aus den Gewässern fischen lassen, oder auch Versicherungen: Wenn eine Motoryacht einen Totalschaden erleidet oder abbrennt, ist für den Versicherten meist auch die Entsorgung abgedeckt.
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In Hamburg hat ReBoat kürzlich ein Boot verwertet, das im Billekanal verrottete und von der Stadt geborgen wurde. Der Auftraggeber, das Bezirksamt Hamburg, das für verlassene Schrottschiffe in öffentlichen Gewässern verantwortlich ist, ist einer der möglichen Kunden von ReBoat. Auch Segelvereine und Betreiber von Sportboothäfen gehören dazu.
Entsorger seien mit der Größe des Schiffs oft überfordert
„Wir haben bei ReBoat eine Jolle und zwei Motoryachten verschrotten lassen“, sagt Robert Bode, Verwaltungsobmann im Segelverein Wedel-Schulau. Der Club an der Elbe brauchte Platz, und da bot sich die Verwertung der Schiffe an. Kostenpunkt für den Verein einen Steinwurf vom Willkommhöft entfernt: 7000 Euro. Dafür sind aber nun auch wieder Liegeplätze auf dem Gelände frei geworden, die vermietet werden können.
„Wenn Eigner versterben oder Käufer sich mit einem reparaturbedürftigen Boot überfordert fühlen, bleiben diese hier oft einfach liegen“, beschreibt Bode das Problem für den Verein. „In der nächsten Zeit werden wir wohl weitere Aufträge für ReBoat haben, etwa fünf weitere Projekte“, so Bode. Im Grundsatz könnte der Verein auch ein ganz normales Entsorgungsunternehmen ansprechen. „Aber diese Firmen sind darauf nicht eingestellt und machen das ungern“, sagt Bode. Die Entsorger seien mit der Größe des Schiffs oft überfordert oder hätten wenig Erfahrung mit Bootsmaterialien.
Großes Marktpotenzial
Das Marktpotenzial ist nach Ansicht der Gründer groß, auch überregional: Schätzungsweise 20.000 bis 30.000 in die Jahre gekommenen Boote und Yachten lägen in deutschen Häfen oder an Land. Sie belasteten langfristig die Umwelt, betonen die Unternehmer.
„Durch jedes Schiff, das nicht fachgerecht im Sinne der Kreislaufwirtschaft entsorgt wird, gelangen schädliche Mikroplastik-Fragmente und Gefahrenstoffe in Böden und Gewässer“, sagt Mahnke, ein eloquenter Manager im Businessanzug, der sich in der Branche auskennt: Der 52-Jährige hat vor dem Sprung in die Selbstständigkeit als Chef einer Reederei gearbeitet. Das Geschäftspotenzial wachse weiter, ist er überzeugt: „Hohe Entsorgungskosten und ungeklärte Eigentumsverhältnisse lassen die Zahlen der zu verwertenden Boote weiter ansteigen.“
Aussichten auf Gewinne sind kaum berechenbar
Die Aussichten auf Gewinne sind für ReBoat jedoch kaum berechenbar. Ob sich mit dem Verschrotten und Recyceln tatsächlich gutes Geld verdienen lässt, hängt auch von der Preisentwicklung an den Rohstoffmärkten ab. Einige Materialien bringen den Gründern ziemlich
sicher Erlöse, wie etwa Aluminium und Edelstahl. Versilbern lassen sich auch teure Anbauten. Andere Stoffe, wie Holz und GFK, kosten bei der Entsorgung hingegen Geld.
Aluminium bringt derzeit etwa 2000 Euro pro Tonne, Stahl 700 Euro. „Doch diese Preise schwanken stark in Abhängigkeit zu den Rohstoffpreisen“, sagt Walberg. Der 59-Jährige arbeitete früher als Segellehrer und ist beruflich viel herumgekommen, er lebte auch in England und den USA.
Materialien durchlaufen moderne Sortieranlagen
„Wir trennen die Materialien, um sie im möglichst großen Maße für die Wiederverwertung auf den Markt zurückzuführen“, beschreibt Mahnke die Prozesse bei ReBoat „Dabei arbeiten wir mit verschiedenen Partnern zusammen, etwa aus der Recyclingbranche.“ Die Arbeitsgänge, die künftig nicht mehr in Tangstedt, sondern auf dem gerade in Bau befindlichen Gelände in Bremerhaven stattfinden sollen, können je nach Größe, Gewicht und Grundbaustoff des Bootes nur wenige Stunden, aber auch bis zu drei Tage dauern.
Daher lässt sich der Preis für die Auftraggeber schwer pauschalisieren. Transport nach Bremerhaven, zeitraubende Handarbeit – all das kann die Kosten nach oben treiben. Die Materialien durchlaufen schließlich moderne Sortieranlagen, die in Bremerhaven entstehen. Investieren wollen die Gründer in diese Anlagen etwa eine Million Euro. Gut 15 Mitarbeiter sollen eingestellt werden, wenn der Betrieb steht.
Recyceltes GFK wird in Zementwerken verwertet
„Es ist ein Markt, in dem es noch keinen darauf spezialisierten Anbieter gibt“, sagt Mahnke über die Hürden, die ReBoat beim Aufbau des Geschäfts und des nehmen muss. Die Hamburger sehen sich als Pioniere, in Deutschland ist ihnen kein anderer Bootsrecycler bekannt.
Nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace ist der Markt bisher undurchsichtig und problembehaftet. Größere Frachtschiffe würden bisher vornehmlich unter umwelttechnisch fragwürdigen Bedingungen in Bangladesh verschrottet. „Die Entsorgung mittelgroßer Boote passiert meist in Dänemark“, sagt Viola Wohlgemuth von Greenpeace.
Kritik von Greenpeace
ReBoat kooperiert bei der Entsorgung von GFK mit der Firma neocomp GmbH, die darauf spezialisiert ist, die glasfaserhaltigen Verbundstoffe weiterzuverarbeiten. Die sogenannten Rezyklate würden zu 100 Prozent verwertet, so ReBoat. Das zerkleinerte GFK werde etwa als Rohstoff in der Zementindustrie eingesetzt und ersetze etwa Sand.
Die Verwendung von GFK im Bootsbau kritisieren Recycling-Experten wie Viola Wohlgemuth von Greenpeace. „Es wird nicht wirklich als Wertstoff wiederverwendet“, sagt die Hamburgerin. Grundsätzlich steckt Deutschland beim Bootsrecycling noch in den Kinderschuhen: Anders als zum Beispiel in Frankreich gibt es hierzulande noch keine gesetzliche Lösung für einen nachhaltigen Umgang mit sogenannten End-of-Life-Booten.
Alte Passion
Das ist die Bezeichnung für das, was man auch schlicht Schrottschiff nennen könnte. Die ReBoat-Gründer verbinden ihren neuen Beruf zudem mit einer alten Passion. „Wir sind seit Kindheitstagen begeisterte Segler und es war immer unser Wunsch, unser berufliches Aufgabenfeld mit dieser Leidenschaft zu verbinden.“