Hamburg. Freie Flächen prägen im Lockdown das Einkaufszentrum. Welche Läden nun in die Mundsburg-Türme ziehen und wie es weitergeht.
Der Verkäufer im Handy-Shop schüttelt den Kopf: „Nein, diese Schutzhüllen haben wir nicht“, sagt der junge Mann nach einem Blick auf die Wand mit dem Zubehör für Smartphones. „Das lohnt nicht, wir bestellen kaum noch etwas nach“, begründet der Verkäufer die leeren Regale in seinem Geschäft. Denn Kunden lassen sich hier selten blicken. Nur einige Senioren schlendern noch durch die Gänge im Einkaufszentrum Hamburger Meile, das rhythmische Klacken von Gehstöcken hallt durch die Geschosse.
Sonst ist das Shoppingparadies im Osten Hamburgs im verlängerten Winterschlaf. Die Leere ist kein Zufall: Der Lockdown schreibt den Läden weiterhin Zwangsschließungen vor. Bis auf die Anbieter von Handyreparaturen, Apotheken, Friseure und Supermärkte mussten die Geschäfte zum zweiten Mal seit dem Frühjahr vergangenen Jahres ihren Betrieb einstellen.
Hamburger Meile: Händler beklagen "Endlos-Lockdown“
Mit Schildern wie „Rettet unsere Läden jetzt!“ weisen die Kaufleute auf ihre Misere hin. Marken wie Only, Jack & Jones, Kik oder Thalia sind Teil der Initiative, die sich für schnelle Hilfe in der Pandemie starkmacht, für „Öffnungsstrategie statt Endlos-Lockdown“. Die Sorge der Händler ist offenbar berechtigt: Schon jetzt blicken die Besucher in der Hamburger Meile auf etliche leer stehende Geschäfte. Zu den Mietern, welche die Räumlichkeiten im Schatten der Mundsburg-Türme verlassen haben, gehören S. Oliver, Gabor, McDonald’s, Cubus, More & More, Tally Weijl und die Spielothek.
„Wir haben nach zehn Jahren einen Wechsel bei einem Großteil der Mieter, weil deren Verträge oft nach diesem Zeitraum auslaufen“, sagt Centermanager Carsten Gogol. Unabhängig von der Pandemie hätten daher einige Geschäfte die Meile verlassen, die 2009/2010 eröffnet wurde. Die Bilanz: Mehr als 70 Mietverträge wurden verlängert, zehn Flächen stehen derzeit leer. In den Jahren zuvor hätten die Leerstände etwa drei Geschäfte betroffen, sagt der 51-Jährige.
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Trotz Lockdown: Einige Neuzugänge in der Hamburger Meile
Ein Gang durch das Einkaufszentrum offenbart die Lücken: Schon recht nah am Eingang Richtung Mundsburg hat WE Fashion seinen Mietvertrag in dem Center nicht verlängert und hinterlässt nun etliche Meter Leerstand mit Schaufenstern ohne Ware. Der Grund: Die niederländische Modekette zieht sich komplett aus dem deutschen Markt zurück.
Lukas Nemela, Sprecher des Betreibers der Hamburger Meile, weist zugleich auf einige Neuzugänge hin: Viele der frei gewordenen Flächen seien in der Zwischenzeit nachver mietet worden, etwa an die Modekette Kult, den Spa-Anbieter Rituals, das Wäschegeschäft Calzedonia, das Textilgeschäft Zizzi, Lucky Tea und den Optiker Eyes + More.
Wenige Schritte weiter wieder eine überklebte Fläche. Die Textilkette Promod hat ihren Laden geschlossen – für immer. Der Grund: Auch die Firma für junge Mode aus Frankreich stellt nach fast 30 Jahren den stationären Handel in Deutschland ein. Bei New Yorker, wo man die junge Kundschaft im Blick hat, weisen riesige rote Schilder auf den „Final Sale“ hin, den Schlussverkauf mit Nachlässen von 70 Prozent.
Viele Läden nehmen nicht an Click & Collect teil
Auch andere Geschäfte werben mit Rabatten, doch selbst versierte Schnäppchenjäger können hier derzeit kaum Einkaufserfolge erzielen, denn etliche Läden nehmen während des zweiten Lockdowns noch nicht einmal am zeitweise erlaubten Einkaufen mit Termin teil.
So wie Schuhplus, ein Anbieter von Modellen in Übergrößen: „In der Theorie klingen Modelle wie Click & Collect oder Click & Meet sehr schwungvoll, kaufmännisch sind diese nebulösen Angebote ein finanzielles Desaster“, sagt Geschäftsführer Georg Mahn.
Der Unternehmer führt noch ein weiteres Argument gegen das Öffnen während der Pandemie an: „Schuhe kaufen soll ein von Freude erfülltes Erlebnis sein und nicht einem datenschutzkonformen Arztbesuch gleichen, sodass wir uns bereits im Dezember dazu entschieden haben, unsere Filiale in Hamburg erst wieder dann zu öffnen, wenn reale Wirtschaftsbedingungen herrschen.“ Glücklicherweise laufe aber der Onlineshop bei Schuhplus gut, denn das Unternehmen präsentiere sich bereits seit 2002 auch als Versender, sagt Mahn.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Einkaufszentrum ist für viele Unternehmen ein "Testmarkt"
Schuhplus gehört zu den neu in der Meile vertretenen Geschäften, die hier für frischen Wind sorgen: Denn in Hamburg war der Spezialist mit seinem Angebot für Menschen, die auf „großem Fuß“ leben, bisher noch nicht vertreten. Die Lage des Centers sei attraktiv – auch und gerade für Mieter, die einen Fuß auf den deutschen Markt setzen wollen, sagt Gogol dazu.
„Die Händler können hier probieren, ob es für sie in Deutschland funktioniert.“ Ein Beispiel dafür ist „Hobbii“, der erste Deutschland-Standort eines dänischen Bastelgeschäfts, das an seiner blauen Eingangstür unter dem Motto „Wenn ich ganz schnell stricke, dann zählt das doch als Sport, oder?“ für seine Wolle wirbt. Der Mieter hofft auf die baldige Neueröffnung nach dem Lockdown und ersetzt Dressman, ein skandinavisches Modelabel, das den deutschen Markt verlässt.
Das Umfeld biete eine „normale“ Nachbarschaft, auch wenn in Bambek-Süd die Mieten inzwischen so sehr steigen, dass sich viele Familien das ehemalige Arbeiterviertel nicht mehr leisten können, sagt Gogol zu der Eignung als Testmarkt. Auch was das Alter betreffe, sei die Spanne groß. „Der Kern der Kundschaft ist zwischen 20 und 49 Jahre alt“, sagt Gogol, aber auch viele ältere Hamburger kauften hier, denn die Gegend gehörte schon immer zu den Einkaufsvierteln. „Wir sind ein wichtiger Nahversorger, mit vielen Stammkunden“, beschreibt der Diplom-Kaufmann, der früher für Karstadt arbeitete, das Selbstverständnis „seiner“ Meile.
Hamburger Meile zählt 26 Gastronomieanbieter
Neben den zahlreichen Modegeschäften, die in regelmäßigen Abständen auf den beiden Geschossen der Meile öffnen und schließen, wechseln auch Läden aus anderen Branchen die Besitzer. So zieht sich der Elektromarkt Medimax mit allen Filialen aus Hamburg zurück. Für die Fläche gebe es bereits sehr konkrete Verhandlungen mit einem Nachmieter, sagt Nemela.
Darüber hinaus haben sich Ecco, die beiden Independent-Labels Decoju und Brando sowie Galeria Reisen aus dem Shoppingcenter verabschiedet. Gerade Reisebüros sind in der Pandemie die großen Verlierer, denn nach dem weitgehend ausgefallenen Reisejahr 2020 droht sich auch die laufende Saison für Urlaubstrips in den Herbst zu verschieben.
Gogol ist überzeugt, dass sich unabhängig von Corona ein Wandel bei den Einkaufscentern abzeichnet. Da sei zum einen der Trend zu mehr Gastronomie, den der Betreiber ECE auch in anderen seiner Zentren, etwa in der Europa Passage forciert hat. „Damit steigt die Aufenthaltsdauer, und ich schaffe ein zusätzliches Erlebnis“, begründet Gogol die Entwicklung, die in der Hamburger Meile unter anderem mit italienischen, thailändischen, indischen und türkischen Bistros vollzogen wurde. Insgesamt vereine die Meile 26 Gastroanbieter.
Hamburger Meile: Centermanager bleibt optimistisch
„Nicht nur Einkaufen, sondern auch ein Eis essen, das gehört dazu“, sagt der Familienvater, der gerne mit seiner Tochter solche Ausflüge plant. Zum anderen – und dies ist die Herausforderung der nächsten Jahre – müsse das Shoppen auch von Unterhaltungsangeboten begleitet werden. In der Meile hat sich eine Art Museum niedergelassen, das lustige Smartphone-Fotos für Fans von Instagram verspricht.
„In anderen Centern haben wir bereits Trampolinhallen oder Bowlingbahnen“, zählt Gogol die Möglichkeiten auf. Der Handelsprofi, der selber in Rissen lebt, ist überzeugt, dass es die Menschen weiter zum Einkaufen in die Shoppingmeilen ziehen wird, trotz Amazon und Co., „besonders dann, wenn ich mir damit eine Auszeit vom Alltag gönnen kann“.