Hamburg. Die Pandemie treibt viele Geschäfte in die Insolvenz, die Kunden fehlen. Wie das Ladensterben die Hansestadt verändern wird.

Der Gang durch die Mönckebergstraße ist derzeit deprimierend. Nur wenige Geschäfte schmücken die Schaufenster zur neuen Saison mit frischen Frühlingsfarben. Viele Läden sind auf Sparflamme gestellt, große Sales-Plakate versperren den Blick in die Verkaufsräume. Nicht nur der Lockdown versetzt die Einkaufsmeilen und Shopping-Center in einen verlängerten Winterschlaf, sondern auch zahlreiche Insolvenzen.

 Die Liste der bekannten Namen, die in den vergangenen Monaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, ist lang. Angefangen von preiswerten Modeketten wie Adler über Tally Weijl, Hallhuber, Bonita, Promod und Pimkie bis zum Luxuskonzern Escada. Alle diese Unternehmen mussten Insolvenz anmelden, ringen nun ums Überleben oder versuchen, sich neu aufzustellen. Dazu kommen Marken wie Runners Point, Stadium, MediaMarkt Saturn und auch Douglas, die ebenfalls beschlossen haben, Läden in Deutschland zu schließen.

Viele Geschäfte in Hamburg verschwinden wegen Corona

Lockdown, hohe Mieten und die Konkurrenz durch Onlineanbieter haben die Pleiten befördert. Auch in Hamburg dürften nun viele Namen verschwinden. So hat der Schuhhändler Foot Locker bereits entschieden, alle seine bundesweit rund 80 Filialen von Runners Point zu schließen. Das Aus der vier Hamburger Shops, die unter anderem Laufschuhe in der Mönckebergstraße verkauften, begrenzt damit die Auswahl an Sportartikeln in der Hansestadt weiter.

Denn auch Karstadt Sports hat an der Mö für immer seine Pforten geschlossen, ebenso wie das Sportkaufhaus Stadium. Und Esprit in der City sowie Kaufhof an der Mönckebergstraße (sowie in Bergedorf) sind ebenfalls dauerhaft zu, was Einkaufen in der Nähe des Hauptbahnhofs selbst in normalen Zeiten zu einem Trauerspiel machen dürfte.

Promod stellt stationären Handel ein

Mode für junge Frauen, dieses besonders stark umkämpfte Feld, hat der Kette Pimkie schon länger Probleme bereitet. Nach Angaben des Fachmagazins „Textilwirtschaft“ will das Unternehmen nun 40 der insgesamt 75 Filialen schließen. Ob Hamburger Standorte darunter sind, ist noch unklar.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Der französische Konkurrent Promod stellt nach fast 30 Jahren den stationären Handel in Deutschland komplett ein und damit auch den Verkauf etwa im Elbe Einkaufszentrum. „Schon seit etlichen Jahren haben wir bei Textilien ein Überangebot“, sagt Peter Frank, Modeexperte der Handelsberatung BBE. Diese Warenschwemme habe dazu geführt, dass sich die Firmen mit Preisnachlässen gegenseitig überboten haben und dennoch zum Teil zu wenige Kunden überzeugen konnten.

Bonita will sich weiter am Markt halten

Die Krise spürt auch der Damenmodespezialist Bonita, der sich mit einem gerade bestätigten Insolvenzplan aber weiter am Markt halten will. „Die weit überwiegende Mehrzahl der Filialen und der Arbeitsplätze bleiben erhalten, und Bonita wird mit neuen Investoren wieder durchstarten“, teilte ein Sprecher mit. Die Kette betreibt eine Handvoll Standorte in Hamburg, bereits geschlossen sind allerdings die Filialen in Billstedt und im Phoenix-Center.

Eine Insolvenz ist stets mit hohen Kosten und einem eher schlechten Ruf verbunden, erleichtert es aber, die Kosten zu senken: In dieser Phase ist es dann einfacher, Mietverträge aufzulösen und Mitarbeiter zu entlassen. Viele Ketten, die in finanzielle Nöte geraten sind, haben eines gemeinsam: Sie leisten sich oft gute Lagen in attraktiver Nachbarschaft.

Corona-Jahr 2020 ließ Besucherzahlen einbrechen

Doch gerade diese teuren Immobilien rechneten sich zuletzt immer weniger. So sind im Corona-Jahr 2020 die Besucherzahlen in den Einkaufsstraßen dramatisch eingebrochen. Nach einer aktuellen Studie verringerte sich die Zahl der Passanten während der Geschäftszeiten durchschnittlich um fast ein Drittel (32 Prozent). Ob die Shoppinglaune nach der Pandemie wieder in gleichem Maße zurückkehrt, ist zudem fraglich.

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So mutmaßt Heiner Schote, Branchenexperte von der Handelskammer, dass viele Unternehmen ihr Filialnetz verkleinern und nicht alle Erdgeschossflächen in den Quartieren wieder an den Handel gehen werden. Hier siedelt sich stattdessen vermehrt Kreativwirtschaft und Gastronomie an. Ein Beispiel mit Vorzeigecharakter könnte hier Lübeck sein: Die Stadt an der Trave hat vor, das bis dato von Karstadt Sport genutzte Haus an der Königstraße in ein öffentliches Zentrum für Bildung, Kultur und Dienstleistungen umzubauen.

Umsätze bei Adler sind eingebrochen

Sorgen bereitet die aktuelle Situation auch dem Handelskonzern Adler, der nach eigenen Angaben zwei Modefilialen in Hamburg betreibt, in Harburg und Rahlstedt. „Beide sind und bleiben aber wichtige Standorte des Unternehmens“, teilte ein Sprecher auf Abendblatt-Anfrage mit. Adler hatte im Januar überraschend einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt.

Die Umsätze seien im Lockdown eingebrochen, hieß es zur Begründung. Anbieter wie Adler hätten aber schon vor der Pandemie durch attraktivere, modernere Konkurrenzkonzepte wie jenes von Primark Probleme bekommen, sagt Experte Peter Frank zur Notlage bei Adler. Nur mit einfacher Ware für die Massen, auf die solche Händler setzten, sei die modebewusste Klientel nicht zu begeistern.

Keine Rettung durch Corona-Überbrückungshilfen

Für viele Firmen, die während der Pandemie in Schwierigkeiten geraten sind, gab es auch keine Rettung durch die Überbrückungshilfen des Staates. So beklagten anfangs große Unternehmen, die in normalen Zeiten mehr als 750 Millionen Euro Umsatz im Jahr erzielen, dass sie gar nicht förderberechtigt sind. Einige Betriebe monierten darüber hinaus, die in Aussicht gestellten Fördergelder kämen nur schleppend bei ihnen an oder seien durch zu ambitionierte Kriterien gar nicht zu beantragen.

Gute Nachrichten kommen derweil von AppelrathCüpper. Der Bekleidungshändler mit zwei Standorten in Hamburg hat sein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung erfolgreich abgeschlossen, damit sind alle bundesweit 16 Filialen des im Jahr 1882 gegründeten Traditionsunternehmens gesichert. Auch bei der angeschlagenen Modekette Hallhuber heißt es auf Abendblatt-Anfrage, alle Geschäfte in Hamburg öffneten wieder, wenn Corona dies zulasse.

Douglas schließt einige Filialen in Hamburg

Nicht nur in der Mode, auch bei Kosmetika- und Lifestyle-Anbietern herrscht Flaute in den Geschäften. Douglas spürt die Konkurrenz aus dem Netz und schließt bundesweit 60 Filialen. In Hamburg hat Douglas Läden in Altona, Volksdorf und in der Europa Passage auf die Streichliste gesetzt.

Wer Fan von „Star Wars“ oder „Herr der Ringe“ ist, kennt Elbenwald, eine Kette mit Sitz in Cottbus, die Bekleidung oder Filme für Freunde der Abenteuergeschichten anbietet. Auch die mehrfach mit Gründer- und Handelspreisen ausgezeichnete Kette musste ein Schutzschirmverfahren beantragen und verkleinert sich. Die Elbenwald-Filiale im Alstertal-Einkaufszentrum (AEZ) ist bereits seit Ende 2020 geschlossen, der Laden in der Europa Passage bleibt aber weiter bestehen.

Pleitewelle durch Corona wird noch folgen

Nach Expertenmeinung könnte die große Pleitewelle erst noch folgen: Denn wegen der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht hat es 2020 weniger Insolvenzen gegeben als erwartet. „Zwei verlustreiche Jahre hintereinander halten nur Unternehmen durch, die eine ausreichende Kapitaldecke haben“, sagt Handelsexperte Frank. Und auch die Corona-Hilfen würden nicht ausreichen, ein Geschäft wirklich zu retten. „Sie können das Überleben nur verlängern.“ Eines sei sicher: „Es wird 2021 noch mehr Schließungen von Geschäften geben.“