Hamburg. Beiersdorf, Airbus, Otto, Lufthansa Technik und Aurubis verfügen bereits über die Infrastruktur. Auch Anwohner sollen profitieren.
Hamburgs große Unternehmen machen beim Thema Impfen gegen das Coronavirus Tempo: Beiersdorf könnte praktisch ab sofort in Eimsbüttel und Aurubis auf der Veddel loslegen. Dabei hat der Nivea-Hersteller als Kosmetikproduzent sogar Erfahrung mit der richtigen Handhabung von sensiblen biologischen Stoffen. Und der Kupferspezialist verweist trotz der Hitze in seinen Betriebsstätten auf die Tieftemperatur-Kühlmöglichkeiten der Werksärzte.
Die großen Hamburger Unternehmen haben mit Blick auf die Impfvorbereitung ihre Hausaufgaben gemacht. Ihre Mitarbeiter wollen sie nun möglichst schnell vor dem Coronavirus geschützt sehen. Dafür haben sie sogar schon eigene Impfzentren eingerichtet. Und viele Betriebsärzte haben in den Messehallen bereits mit Biontech, Moderna und Astrazeneca hantiert.
Coronavirus: Neue Impfzentren in Hamburger Konzernen
Die Infrastruktur steht – allein, es fehlen der Impfstoff und das grüne Licht des Hamburger Senats sowie der Bundesregierung. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Betriebsärzte ab Juni einbinden. Der Verband der Betriebsärzte rechnet dann mit fünf Millionen möglichen Impfungen pro Monat. Und Hamburgs Konzerne bieten noch mehr: Beiersdorf könnte nach Mitarbeitern, Pensionären und Angehörigen auch andere Bewohner in Eimsbüttel impfen,
Aurubis und Otto sehen sich ebenfalls in der Lage, ein erweitertes Impfangebot zu machen. Dazu müssten allerdings die bisherigen Impfreihenfolgen aufgeweicht und die Zustimmung des Senats eingeholt werden. Der Außenhandelsverband AGA sieht die Politik in der Pflicht, die „Unklarheiten“ zu beseitigen. Hauptgeschäftsführer Volker Tschirch sagte dem Abendblatt: Eine AGA-Umfrage unter den 3500 zumeist kleinen und mittleren Unternehmen habe ergeben, dass acht von zehn Firmen bereit wären, ihre Beschäftigte zu impfen. „Die Hälfte davon würde auch die Kosten tragen.“
Impfen, wo Homeoffice nicht möglich ist
Der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Dr. Pedram Emami, spricht sich ebenfalls für eine Einbindung der Betriebsärzte in die Impfkampagne aus. „Gerade vor dem Hintergrund, dass viele Infektionen dort stattfinden, wo Homeoffice nicht möglich ist, spricht alles dafür. Doch solange Hausarztpraxen nur wenige Impfdosen pro Woche erhalten, macht es aus meiner Sicht wenig Sinn, die Mangelverwaltung noch weiter in die Fläche auszudehnen.“
Emami sagte außerdem zur Debatte um die Aufhebung der Priorisierung, also der bestehenden Impfreihenfolge: „Die Priorisierung kann dann aufgehoben werden, wenn genügend Impfstoff und Termine für alle zur Verfügung stehen. Es gibt bereits viele Ausnahmeregelungen, die den Ärztinnen und Ärzten Spielraum lassen, wenn sie der Meinung sind, dass eine Patientin oder ein Patient dringend aufgrund zum Beispiel einer Vorerkrankung geimpft werden sollte."
Modell Beiersdorf: Impfen auch für die Nachbarschaft?
Wie eine Beiersdorf-Sprecherin dem Abendblatt sagte, sei man mit den Behörden bereits im Gespräch. Sechs Betriebsärzte, dazu externe Mediziner und 13 medizinische Fachangestellte plus Helfer aus dem Unternehmen bilden das Kern-Impfteam am Firmensitz. „Ein weiterer Ausbau der Impfkapazitäten bei uns im Betrieb wäre möglich. Wir haben ein modulares Prinzip, bei wachsendem Bedarf wäre das skalierbar auf mehr Impfstoff, mehr Fläche, mehr Personal.“
Beiersdorf denkt derzeit an einen Sechs-Tage-Betrieb, Laufzeit: drei bis sechs Monate. 300 Menschen könnten jeden Tag eine Impfdosis bekommen. Bei 3700 Mitarbeitern von Beiersdorf in Eimsbüttel und 1700 von Tesa wäre man recht schnell durch. Den Impfstoff selbst bezahlt die Bundesregierung. Wer die Aufwendungen für Logistik und Lagerung sowie das Personal beim Impfen trägt, ist noch nicht verhandelt.
Über die Bedingungen müsse man mit den Behörden noch reden, so die Beiersdorf-Sprecherin, aber: „Wir gehen gehen derzeit davon aus, dass wir einen Großteil der Kosten selbst tragen.“
Lufthansa Technik: Immunisierung am Flughafen
Man sei „bereit, die innerbetriebliche Impfkampagne zu beginnen“, sagte ein Sprecher von Lufthansa Technik – sobald der Impfstoff da ist. Der Mutterkonzern Lufthansa richtete drei Impfzentren ein: in Frankfurt, München und Hamburg. In Fuhlsbüttel beschäftigt die Techniktochter rund 8500 Menschen. Durch den medizinischen Dienst des Unternehmens können an allen drei Standorten zusammen bis zu 400 Mitarbeiter täglich geimpft werden. Für die Zentren-Einrichtung hätten umfassende Anforderungskataloge erfüllt werden müssen.
Es musste ausreichend Platz für mindestens zwei Impfstraßen mit je drei Kabinen vorhanden sein, in denen die Spritzen gesetzt werden. Ein Möblierungs-, Umbau- und Entsorgungsplan wurde erstellt. Hygienestandards und Abstandsregelungen wurden definiert. Zudem muss eine Notfallversorgung vorhanden sein. Die Kabinen müssen aus hygienischen Gründen wischfähig und gut erreichbar für die Impflinge sein. In Hamburg wurde die Impfstraße in einer Gästekantine von LZ Catering auf dem Werksgelände eingerichtet. Zunächst geimpft werden die Mitarbeiter, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs nicht oder nur sehr eingeschränkt ersetzt werden können, persönlichen Kundenkontakt haben oder reisen müssen.
Im Video: Das Impfzentrum in den Messehallen
Die Lufthansa Gruppe empfehle ihren Beschäftigten die Impfung „dringend“, wenn ausreichend Impfstoff da sei, hieß es. Zudem seien in den vergangenen Wochen betriebsintern Freiwillige für den Dienst in den Impfzentren gesucht und auch gefunden worden.
Otto Group: Hamburgs als Vorbild für den Weltkonzern
„Am Hamburger Campus könnten wir nach jetzigem Stand Anfang Mai starten und 360 Kollegen und Kolleginnen pro Tag impfen“, sagte ein Sprecher der Otto Group auf Anfrage des Abendblatts. Die Planungen für die Impfungen seien sehr weit fortgeschritten und man hoffe jetzt auf eine schnelle Genehmigung. Schon vor drei Monaten hatte das Unternehmen eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Betriebsärztinnen in der Zentrale in Hamburg-Bramfeld eingerichtet. Das Impfkonzept soll nach Angaben des Sprechers als eine Art Blaupause für das Vorgehen an anderen Konzernstandorten dienen. In Deutschland sind demnach Impfangebote an 21 Standorten vorgesehen. Gegebenenfalls es auch in anderen Ländern ausgerollt werden.
Otto holt dafür, ähnlich wie bei der jährlichen Grippe-Impfung, externe medizinische Dienstleister ins Haus. In Hamburg könnten die Impftermine in einem großen Versammlungsraum stattfinden, so der Sprecher. An anderen Standorten könnten auch Lagerhallen umgenutzt oder Zelte aufgestellt werden. Das Angebot ist freiwillig für die Beschäftigten. Die Gruppe hat weltweit 52.000 Mitarbeiter, in Hamburg 6070.
Grundsätzlich ist der Handels- und Dienstleistungskonzern auch bereit, öffentliche Impfungen durchzuführen. In dem Zusammenhang hatte die Personalvorständin der Gruppe, Petra Scharner-Wolf, schon vor einigen Wochen gesagt, neben dem Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden habe das Unternehmen auch eine gesellschaftliche Verantwortung und man sehe sich daher in der Pflicht, bei der Pandemie-Bekämpfung zu unterstützen. „Klar ist aber auch, dass wir für die Umsetzung unserer Pläne das Zutun und konkrete Handlungsanleitungen der zuständigen Behörden benötigen.“
Aurubis impft in der Alten Schlosserei
Bei Aurubis steht bereits das Impfzentrum in der Veranstaltungshalle Alte Schlosserei. Dort gibt es vier „Impfstraßen“ mit zwei Ärzten, fünf Assistenten und zwei Rettungsassistenten sowie dem Personal eines Dienstleisters. Das Unternehmen geht davon aus, pro Tag 200 Beschäftigte impfen zu können. Für die Terminbuchung hat Aurubis ein internes Onlinesystem entwickelt.
Wie eine Sprecherin sagte, könne man sich vorstellen, auch den Familienangehörigen „ein Impfangebot zu machen“ sowie der Nachbarschaft. „Die Veddel, auf der Aurubis seit über 100 Jahren verwurzelt ist, hat eine der höchsten Infektionsraten in Hamburg.“ Das müsse dann aus Sicherheitsgründen zwar an einem anderen Ort stattfinden. Doch dafür suche man nach Lösungen.
Airbus impft auf Finkenwerder gegen Corona
Airbus will allen rund 15.000 Beschäftigten auf Finkenwerder ein Impfangebot unterbreiten. Die Vorbereitungen dafür liefen „auf Hochtouren“, wie ein Sprecher sagte. Fast täglich gebe es Lage-Runden, wie die Umsetzung der Impfstrategie erfolgen soll. Dabei kann man auf Erfahrungen der Grippeschutzimpfungen setzen.
Eventuell könne dabei auf eine vorhandene technische Infrastruktur zurückgegriffen werden. Denn für die Grippeschutzimpfung können sich die Beschäftigten online einen Termin buchen. Zu weiteren Details wollte sich der Sprecher nicht äußern.