Hamburg. Banken überraschen Experten. Verbraucherschützer sind alarmiert und drohen mit Abmahnungen. Was die Haspa sagt.
Die Negativzinsen rücken auch für durchschnittliche Sparer immer näher. Nachdem die Haspa ihren Freibetrag bereits auf 50.000 Euro gesenkt hat, zieht jetzt die Sparkasse Harburg-Buxtehude nach. Ab 1. Mai sinkt der Freibetrag von 500.000 Euro auf 50.000 Euro pro Kunde. Höhere Einlagen sind dann vom Negativzins bedroht.
Die Banken rechtfertigen diese Praxis, weil sie auch für bei der Europäischen Zentralbank geparktes Geld Strafzinsen in Höhe von 0,5 Prozent entrichten müssen. Die Targobank hat erstmals zum 1. April ein Verwahrentgelt ab einer Gesamteinlagensumme von 100.000 Euro eingeführt. Nach einer Übersicht des Vergleichsportals Verivox verlangen inzwischen 306 Geldinstitute von Privatkunden einen Negativzins.
Strafzinsen auch schon fürs klassische Sparbuch
Das Abendblatt hat in einer Umfrage ermittelt, welche zinslosen oder verzinsten Finanzprodukte überhaupt dem Negativzins unterliegen. Dabei wurde nicht nur nach klassischen Produkten wie dem Tagesgeldkonto oder Sparbrief gefragt, sondern neben dem Girokonto auch nach Wertpapier- oder Kreditkartenkonto.
Die größte Überraschung war dabei, dass bei einigen Geldinstituten bereits das klassische Sparbuch einem Negativzins unterliegt. Praktiziert wird das von der Commerzbank und der Targobank (siehe Tabelle), wenn die jeweiligen Freibeträge überschritten werden. Beide Institute betonen, dass dies nur für Neukunden gelte. Bei der Commerzbank liegt der Freibetrag bei 100.000 Euro pro Kunde, und die Targobank verwendet zwei Freibeträge, wobei für Einlageformen wie Tagesgeld oder Sparkonten 50.000 Euro gelten.
Negativzins auf Sparbücher: Das sagen Experten
Bisher galt das Sparbuch als Möglichkeit, Negativzinsen zu umgehen. Hier dürfen Banken eigentlich keine Strafzinsen auf Einlagen verlangen. Das ist zwar nirgends niedergeschrieben, aber diese Einschätzung teilen nicht nur Verbraucherschützer. „Nach vorherrschender Rechtsauffassung können auf Spareinlagen keine Negativzinsen erhoben werden“, sagt Stefan Marotzke vom Deutschen Sparkassen und Giroverband (DSGV). Dieser Einschätzung schließt sich der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken auf Abendblatt-Anfrage an. Die Folge: Weder bei Sparkassen noch Genossenschaftsbanken haben wir bei der Umfrage Institute gefunden, die das anders handhaben.
Auch für Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg ist die Sache klar: „Bei einem Sparvertrag ist die Bank, juristisch gesehen, Darlehensnehmer. Die Kunden sind die Darlehensgeber und erhalten dafür Zinsen – und zwar positive. Ein Sparbuch mit Negativzinsen wäre kein Sparkonto mehr.“ Verbraucherschützerin Kluge geht noch weiter: „Wenn wir konkrete Fälle vorgelegt bekommen, wo auf Spareinlagen Negativzinsen fällig werden, werden wir die betreffenden Institute abmahnen.“
Banken-Bundesverband: "Wir sind außen vor"
Der Begriff Spareinlage ist zwar gesetzlich nicht definiert, aber es gibt Kriterien dafür wie eine dreimonatige Kündigungsfrist, dass die Einlagen nicht für den Zahlungsverkehr genutzt und die Produkte nur von Privatkunden nachgefragt werden können – im Unterschied zu einem Festgeldkonto, dass auch eine Firma beanspruchen kann.
Üblich ist auch, dass über 2000 Euro pro Monat ohne Kündigung verfügt werden kann. Vom Bundesverband der deutschen Banken, dessen Mitglieder teilweise Negativzinsen auf Sparbücher erheben, heißt es lediglich: „Bei diesem Thema sind wir ganz außen vor. Die Konditionengestaltung ist allein Sache der Mitgliedsbanken“, sagt ein Verbandssprecher.
Der Strafzins-Trick der Geldinstitute
Eine einheitliche Linie, für welche Produkte Negativzinsen gelten, gibt es nicht, wie die Umfrage des Abendblatts zeigt. Das Kreditkartenkonto kann ebenso wie das Wertpapierkonto betroffen sein. Werden Aktien oder Fonds verkauft, kann es somit schnell passieren, dass der Freibetrag pro Kunde überschritten wird. Auch wenn auf das Sparbuch eigentlich keine Negativzinsen erhoben werden dürfen, heißt das noch lange nicht, dass Kunden ihr Geld dort unbegrenzt bunkern können. Der Trick der Geldinstitute: Sie offerieren das Produkt für Neukunden einfach nicht mehr oder es unterliegt den Vereinbarungen zum Verwahrentgelt, wie bei der Commerzbank.
„Im Neugeschäft bieten wir kein Sparbuch mehr an“, sagt ein Sprecher der Deutschen Bank. Das gilt auch für die Sparda Bank Hamburg und die Postbank. Bei der Sparkasse Holstein gibt es das Sparbuch „nur im Rahmen einer vollwertigen Bankverbindung mit Girokonto und Gehaltseingang“, wie Banksprecher Steffen Müller sagt. Die Targobank begrenzt alle Spargelder auf 50.000 Euro. Darüber hinaus wird ein Verwahrentgelt fällig, das zwischen zehn und maximal 50 Euro im Monat liegt und sich nach Angaben der Bank an den Durchschnittspreisen für Schließfächer orientiert.
Haspa: Wann der Bestandschutz gilt
Bei der Hamburger Sparkasse sind zwar Spareinlagen vom Verwahrentgelt ausgenommen. Aber es gibt eine Sparhöchstgrenze für das Neugeschäft in Höhe von 100.000 Euro. „Bei bestehenden Sparguthaben, die bereits heute über 100.000 Euro hinausgehen, gilt ein Bestandsschutz“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg.
Beispiel: Ein Ehepaar als Bestandskunde hat auf ihren Gemeinschaftskonten 40.000 auf dem Girokonto, 40.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto und 120.000 Euro auf dem Sparbuch. „Sparkonten sind vom Verwahrentgelt ausgenommen. Das Ehepaar hat zusammen einen Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro. Es fällt dann in diesem Beispiel kein Verwahrentgelt an“, rechnet von Carlsburg vor.
Sparbuch: Auf andere Banken ausweichen
Wer bei seiner Hausbank in Sachen Sparbuch nicht mehr fündig wird, der kann auf andere Institute ausweichen, um Geld zu bunkern. Bei der Bank 11 können mit gesetzlicher Einlagensicherung auf dem Sparbuch bis zu 250.000 Euro gehortet werden. Der Zins beträgt 0,20 Prozent und die Einlage kann jederzeit mit 33-tägiger Kündigungsfrist gekündigt werden.
Im Gegensatz dazu lassen sich auf der FC Bayern SparKarte der HypoVereinsbank ohnehin nur 50.000 Euro parken – zu einem Zinssatz von 0,03 Prozent. Bei der ABC Bank mit erweiterter deutscher Einlagensicherung richtet sich der Zins des Sparbuchs nach der Kündigungsfrist. Wer 90 Tage auf sein Geld warten kann, bekommt noch 0,15 Prozent Zinsen, bei 45 Tagen Kündigungsfrist sind es nur 0,10 Prozent.
Festgeldkonten als Alternative
Ähnlich ist das Sparbuch bei der niederländischen Bank RaboDirect gestrickt. 0,20 Prozent Zinsen gibt es, wenn von der Kündigung bis zur Auszahlung 90 Tage vergehen können. Bei nur 30 Tagen sind es 0,15 Prozent. Bis zu 500.000 Euro können so angelegt werden. Höhere Zinsen für ein Sparbuch als bei diesen Beispielen wird man jetzt kaum noch finden.
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Eine Alternative sind weiterhin Festgeldkonten, auch hier sind die Sparer vor Negativzinsen sicher. Die höchsten Zinsen liegen bei 0,25 Prozent, wenn man sich sechs Monate lang binden will und nur der deutschen Einlagensicherung vertraut. Beispiele sind in diesem Fall die AKF-Bank und die Isbank.