Hamburg. Im Oktober soll in Hamburg der ITS-Weltkongress stattfinden. Geschäftsführer Harry Evers erzählt, was alles geplant ist.
Es soll eine Veranstaltung von Weltrang werden. Seit Jahren bereiten sich Unternehmen, Verbände und Politik auf den ITS-Weltkongress in Hamburg vor, einem internationalen Branchentreffen rund um intelligente Mobilität und vernetzten Verkehr von morgen. Doch die Corona-Krise hat die Veranstaltung ins Wanken gebracht.
Im Abendblatt-Interview erklärt Harry Evers, seit dem Jahr 2018 Geschäftsführer der ITS Hamburg 2021 GmbH, warum der Kongress möglichst wie geplant vom 11. bis 15 Oktober in der Hansestadt stattfinden soll. Er erläutert zudem, warum nur eine Präsenzveranstaltung infrage kommt und worauf Fachbesucher und Hamburger sich freuen dürfen.
Herr Evers, in welcher Liga spielt Hamburg, wenn es um Mobilität und neue Verkehrsprojekte geht?
Harry Evers: Vergleichen wir unseren Weltkongress mit früheren Veranstaltungen in anderen Metropolen, spielt Hamburg eindeutig in der Champions League. Schaut man sich Hamburg mit seinem Hafen, dessen Hinterlandanbindungen und das gesamte Verkehrsumfeld an, ist das schon bedeutend.
Wie innovativ ist die Stadt?
Andere Städte belegen bei einzelnen Mobilitätsprojekten Spitzenplätze. Alle ehemaligen Ausrichter-Städte haben einzelne Projekte herausgestellt, Kopenhagen etwa den Radverkehr. Hamburg sticht durch die breite Ausprägung von Innovationen in der Mobilität heraus. Die Hansestadt wird als ein Reallabor für innovative Mobilitätsideen wahrgenommen und ist vom Branchenverband Bitkom zur klaren Nummer 1 in Sachen „Smart Mobility“ gekürt worden. Viele Firmen aus dem In- und Ausland kommen nach Hamburg, um hier neue Anwendungen auszuprobieren. Das liegt zum einen daran, dass die Politik gezielt vor fünf Jahren die ITS-Strategie eingeschlagen hat und diese auch nach dem Ende des Weltkongresses bis 2030 fortschreiben wird. Zum anderen wird vieles in der Stadt auf den Kongress hin ausgerichtet. Da werden Projekte nicht endlos zerredet, sondern man hat einen Termin, zu dem man sie vorzeigen will.
Was wollen Sie den Besuchern des Weltkongresses denn gern von der Stadt zeigen?
Wir haben unser Programm stark auf das Erlebnis ausgerichtet. Es geht weniger um Vorstellungen von innovativen Projekten, die in zehn oder 20 Jahren Realität werden, sondern um das Heute: Wir haben Demotouren durch die Stadt entwickelt, bei denen das Fachpublikum konkret innovative Projekte sehen kann. Am Donnerstag, dem 14. Oktober, werden wir den Weltkongress dann für alle Bürgerinnen und Bürger der Metropolregion Hamburg öffnen, die dann Touren mitmachen und Projekte erleben können. Es wird Präsentationen sowie spezielle Angebote für Jugendliche geben – auch Prominente möchten wir für das Programm gewinnen. Neben den Veranstaltungen für das Fachpublikum soll es auch etwas leichter Zugängliches geben. Das ist übrigens neu in der Geschichte des Weltkongresse.
Findet der Weltkongress in jedem Fall als Präsenzveranstaltung statt?
Ja. Wir haben die Frage kontinuierlich diskutiert, nicht nur in Hamburg oder Deutschland, sondern mit der internationalen Wirtschaft. Die will nach Hamburg kommen. Die USA haben einen großen Stand gebucht. Für die ist das Thema aufgrund der Impfsituation vor Ort bereits abgearbeitet. Das Gleiche gilt für Asien und den Pazifikraum – deren Vertreter haben ebenfalls fest gebucht. Auch aus vielen europäischen Ländern haben sich Delegationen angemeldet. Wir werden einen Kongress in Präsenz abhalten, mit entsprechenden Hygieneschutzregeln. Es wird keine digitale Veranstaltung geben wie nun bei der Hannover Messe. Das schließt sich aus, weil wir viele reale Projekte zeigen möchten.
Von wie vielen Projekten reden wir denn?
Es gibt aus dem gesamten Bundesgebiet knapp 200 Projekte, die jetzt in Hamburg vorbereitet werden. Von diesen 200 haben wir diejenigen herausgesucht, die wir international als besonders relevant einstufen. Begleitend dazu gibt es digital weiteres Material zur Vertiefung. Das sind etwa 90 Demonstrationsprojekte, die wir vorführen werden. Das ist das Zehnfache dessen, was bei früheren Weltkongressen gezeigt wurde, in Kopenhagen waren es nur acht Demonstrationsprojekte. Viele Firmen halten Hamburg und den Weltkongress für so wichtig, dass sie ihre Entwicklungen hier präsentieren möchten. Die Buchungssituation und die vielen angemeldeten Projekte machen jetzt schon deutlich: Hamburg wird den größten ITS-Kongress aller Zeiten ausrichten. Ein weiteres Beispiel: In der Regel werden 400 bis 500 Papiere von Experten eingereicht, die sie im Rahmen des Kongresses vorstellen wollen. Wir liegen jetzt schon bei mehr als 1000 Präsentationsangeboten, dabei hat die offizielle Anmeldung noch nicht einmal begonnen.
Reicht denn der Platz in den Messehallen? Derzeit wird doch geimpft.
Geimpft wird in den A-Hallen der Messe; wir haben die B-Hallen für den Kongress reserviert. Der Platz wird nicht ausreichen. Die Messehallen sind schon zu mehr als 90 Prozent ausgebucht. Wir bereiten zusätzliche Demonstrationsflächen auf dem Heiligengeistfeld vor, die noch einmal den Umfang von zwei Messehallen haben werden.
Das Kongresszentrum CCH können Sie wohl nicht nutzen. Denn das wird ja nicht rechtzeitig fertig werden, oder?
Doch, es wird fertig. Wir haben unsere Eröffnungs- und unsere Abschlussveranstaltung mit insgesamt 3500 bis 4000 Besuchern im CCH fest eingeplant – natürlich unter den gegebenen Corona-Schutzbedingungen.
Was müssen Besucher vorweisen, einen negativen Test oder gar eine Impfung?
Das steht noch nicht abschließend fest. Da müssen wir die Vorgaben der Bundesregierung abwarten. Die Registrierung wird vorsehen, dass man digital ein- und auschecken sowie einen digitalen Impfausweis mitbringen kann.
Was können die Fachbesucher und die Hamburger beim Weltkongress konkret sehen und miterleben?
Im Zentrum unserer Veranstaltungen stehen neben den Ausstellungen vier thematische Demonstrationstouren durch die Stadt: Bei einer Fahrt mit dem Elektrobus zeigen wir den Besuchern beispielsweise die Fortschritte der Digitalisierung in der Verkehrssteuerung zur Vermeidung von Staus und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Die zweite Tour mit einem Jasper-Bus befasst sich mit Innovationen in der Logistik, dem Warenumschlag, -transport und der Lagerung. In einer weiteren Tour mit Ioki-Fahrzeugen geht es um verbrauchernahe Themen wie Buchung von Shuttle-Fahrten mit dem Handy, aber auch um HVV-Fahrkarten auf dem Smartphone oder digitales Parkplatzmanagement. Vierter Punkt ist die selbstfahrende S-Bahn ohne Lokführer vom Hauptbahnhof nach Bergedorf. Das führt die Deutsche Bahn bundesweit das erste Mal im Rahmen des Weltkongresses vor. Hinzu kommt das Thema Einsatz von Drohnen, für das wir auf dem ehemaligen Gelände von Blohm+Voss am anderen Elbufer große Flächen vorgesehen haben.
Was wird da konkret zu sehen sein?
Es haben sich Hersteller großer Drohnen, mit denen sogar Menschen fliegen können, zu Vorführungen angekündigt. Es wird aber sicherlich auch um die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten kleinerer Drohnen gehen.
Es sollen Drohnen gezeigt werden, in die man sich hineinsetzen kann?
Ja. Drohnen werden ein Milliardenmarkt. Viele dieser Anwendungen erhöhen Sicherheit und Komfort. Nur ein Beispiel: Heute gibt es schon Lösungen, die, wenn der Airbag in einem Auto ausgelöst wird, direkt die Rettungsleitzentralen benachrichtigt. Drohnen könnten rasch ein Bild vom Unfallgeschehen machen. Das wird die Erste Hilfe vor Ort deutlich verbessern. So lassen sich durch technische Verbesserungen viele Hunderte Leben retten.
Der Hafen steckt in einer Krise. Welche wichtigen Impulse kann mit Blick auf diese Probleme der ITS-Kongress liefern?
Wir können im Austausch mit anderen Häfen lernen, was wir besser machen können. Auch da sind wir wieder schnell beim Thema Drohnen – damit lassen sich zum Beispiel Kosten senken sowie die Sicherheit und Effizienz erhöhen. Das haben die Hafenbehörde HPA und der Terminalbetreiber HHLA erkannt. Auch die Mobilfunkstandards 5G und 6G versprechen Effizienzsteigerungen, damit lassen sich der Containerumschlag erhöhen und die Anbindung an das Hinterland verbessern.
Sähe Hamburg anders aus, wenn es den Weltkongress nicht geben würde?
Der Kongress ist ein Schaufenster, in dem sich Hamburg der Welt präsentiert. Die Politik unterstützt diesen Prozess seit Jahren, und die Verwaltung hat die Chancen erkannt. Deshalb gibt es die klare Zielvorgabe, Probleme zu lösen und Neues zu wagen – das Gelingen steht im Mittelpunkt.
Und wenn die Pandemie schließlich doch bis bis in den Herbst reicht?
Wir haben eine Exit-Strategie und fahren permanent mit fünf unterschiedlichen Szenarien. Im schlimmsten Fall, wenn etwa im Oktober eine Mutante tatsächlich einen neuerlichen Lockdown erfordern sollte, kann der Kongress nicht stattfinden – in diesem Fall greift eine Option der Verschiebung des Weltkongresses um drei Jahre. Dann wäre Hamburg 2024 Gastgeber.
Wird denn nach dem Weltkongress etwas für Hamburg dauerhaft bleiben – oder wird am Ende alles abgebaut, und die Karawane zieht weiter?
Da haben wir bei früheren Gastgebern nachgeschaut: Wien etwa hat die Austria Tech für Mobilität der Zukunft gegründet, die weiterhin viele Impulse gibt. Die Netzwerke, die wir heute aufbauen, sollen in Zukunft weiter funktionieren. Hamburg wird für den Weltkongress das Reallabor für Mobilität – und soll es bleiben. So sprechen wir mit der Europäischen Kommission, wie der Green Deal auf die Straße gebracht werden kann.
Was wird denn dieser Kongress die Stadt am Ende kosten?
Der Bund unterstützt die Aktivitäten mit 3,5 Millionen Euro, insgesamt kalkulieren wir mit Gesamtkosten in Höhe von elf Millionen Euro für Bewerbung, Durchführung und Nachbereitung. Die konkreten Projekte liegen eher bei einem Faktor 10, die in den letzten fünf Jahren an Projekt- und Fördermitteln für Hamburg eingeworben wurden – das hätten wir ohne den Kongress nie erreicht. Die Woche im Oktober wird über Buchungen in Hotels, Restaurants und Handel noch einmal weitere zehn bis 15 Millionen Euro in der Hansestadt einspielen.