Berlin. In Deutschland sinkt in der Pandemie der Auto-Absatz. In China dagegen steigt er. Das hat Folgen für die deutsche Schlüsselindustrie.
Als die Corona-Pandemie vor einem Jahr Deutschland erreichte, traf das auch die Autoindustrie weitestgehend unvorbereitet. Ob bei Volkswagen und seinen Konzerntöchtern Audi und Porsche, bei Daimler, BMW, Opel oder der Kölner-Europazentrale von Ford – überall standen die Bänder still. Dennoch konnten die deutschen Autobauer mit schwarzen Zahlen glänzen.
Nach Steuern wird Volkswagen im Jahr 2020 rund 8,8 Milliarden Euro eingefahren haben, Daimler verkündete einen Nettogewinn von vier Milliarden Euro, bei BMW steht ein Plus von 3,86 Milliarden Euro zu Buche. Der Grund für den Erfolg: Der wichtige Absatzmarkt China brummt.
Daran ändert sich auch im aktuellen Jahr wenig. Während hierzulande die Verkäufe von neuen Autos eingebrochen sind, sind sie in China regelrecht durch die Decke gegangen. Das zeigen neue Daten einer Studie des Duisburger CAR-Center Automotive Research, die unserer Redaktion vorliegt. Für die deutsche Schlüsselindustrie könnte das perspektivisch große Folgen haben.
Autoindustrie: 25 Prozent weniger Autos im Januar und Februar verkauft
Schon im vergangenen Jahr waren nach Daten des Kraftfahrtbundesamtes ein Fünftel weniger Autos in Deutschland verkauft worden als im Jahr zuvor. Dieser Trend setzt sich derzeit vor. Sogar 25 Prozent weniger Fahrzeuge wurden der CAR-Center Automotive Research-Studie zufolge im Januar und Februar des aktuellen Jahres hierzulande weniger verkauft.
Im Januar und Februar 2020, als die Corona-Pandemie hierzulande noch nicht wirklich präsent war, kauften die Deutschen 486.243 Autos. Ein Jahr später herrschte im Lockdown trotz teils hoher Förderprämien etwa für Elektro- oder Hybrid-Fahrzeuge offenbar Kauffrust. Nur noch 364.103 Neuwagen wurden abgesetzt.
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Nur Norwegen verzeichnet ein Plus zu Jahresbeginn
Als einzige westeuropäisches Land konnte Norwegen ein Absatzplus verzeichnen: Mit 20.988 verkauften Autos verbesserte das nördlichste europäische Land seinen Absatz um fünf Prozent. Die Skandinavier gelten als Musterland für Elektroautos, im vergangenen Jahr waren mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen Batterie-elektrisch betrieben. Diese Entwicklung fördert Norwegen mit Steuervorteilen und Vorteilen im Straßenverkehr, etwa Gratis-Parkplätze oder die Möglichkeit, dass E-Autos auch Busspuren benutzen dürfen.
Doch selbst mit seinem E-Autoboom kann Norwegen mit seinem kleinen Absatzmarkt, der nur rund 1,4 Prozent des westeuropäischen Marktes ausmacht, die Gesamtentwicklung nicht stoppen. In West-Europa ist der Autoabsatz der Studie zufolge in den ersten beiden Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 24 Prozent eingebrochen.
Besonders hart hat es Portugal erwischt, hier halbierte sich der Absatz nahezu. Auch Spanien mit einem Minus von 45 Prozent und Dänemark mit einem Rückgang von 40 Prozent waren deutlich härter getroffen vom sinkenden Autoabsatz als Deutschland.
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China im Kaufrausch: Autoabsatz um 147 Prozent gestiegen
Ganz anders sieht die Situation in China aus. Dort stieg der Absatz der CAR-Center Automotive Research-Studie zufolge um satte 147 Prozent an – von 1,6 Millionen verkauften Fahrzeugen im Januar und Februar 2020 auf nun 3,96 Millionen verkaufte Neuwagen. Berücksichtigt werden muss dabei allerdings, dass vor einem Jahr in China die Corona-Pandemie bereits im Januar und Februar präsent war und die chinesische Regierung mit harten Maßnahmen Kontaktbeschränkungen und Abriegelungen ganzer Städte vorantrieb.
Und dennoch: In China wurden noch nie in den ersten beiden Monaten eines Jahres so hohe Pkw-Zulassungszahlen wie im Jahr 2021 realisiert“, schreibt Studienleiter Ferdinand Dudenhöffer. Dies sei ein klares Zeichen, dass China wirtschaftlich die Corona-Pandemie hinter sich gelassen habe, während sich West-Europa noch sehr tief in der Krise befinde.
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Chinas Automarkt könnte in diesem Jahr eine neue Schallmauer durchbrechen
Studienleiter Ferdinand Dudenhöffer ist überzeugt, dass sich die Corona-Pandemie strukturell auf die Autoindustrie auswirken wird. „Die deutlichen Schwächen in der Pandemie-Bekämpfung in Europa werden damit den Automobilstandort Deutschland und Europa in der Zukunft weiter schwächen“, schreibt der CAR-Center Automotive Research-Direktor in der Studie.
Wurden im Jahr 2015 in China noch 51,9 Prozent mehr Fahrzeuge in China als in West-Europa verkauft, lag dieser Vorsprung im abgelaufenen Jahr bereits bei 83,2 Prozent. Im laufenden Jahr rechnet Dudenhöffer damit, dass sich die Differenz erhöhen wird, fast doppelt so viele Fahrzeuge könnten in diesem Jahr in China im Vergleich zu West-Europa verkauft werden.
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Immer mehr deutsche Autos werden in China gebaut
Diese Entwicklung wird nach Einschätzung von Dudenhöffer nicht folgenlos bleiben. „Wer in China Autos verkaufen will, muss diese in China bauen“, schreibt er. 2019 seien 99 Prozent der in China gebauten Fahrzeuge auch in China verkauft worden. Zwar gibt es noch einige Exporte ins Reich der Mitte. Das aber könnte sich bald umkehren.
BMW baut etwa seine Elektrovariante des SUV X3, den iX3, beispielsweise im Nordosten Chinas, in der Millionenmetropole Shenyang. Auch der neue BMW Mini in seiner elektronischen Variante sowie der zukünftige Elektro-Smart sollen in China produziert werden.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer rechnet daher damit, dass immer mehr Elektroautos aus China nach Deutschland importiert werden. „Die Entscheidung über Investitionsstandorte wird mit Blick auf den Absatz getroffen“, schreibt er – und rechnet nach dem schleppenden Impfbeginn und den wirtschaftlichen Beschränkungen auch mit der europäischen Corona-Politik ab: „In China liegt die Zukunft und durch das schlechte Krisenmanagement in Europa wird der Abstand im Wettlauf mit China noch schneller noch größer.“