Berlin. Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer. In der Corona-Pandemie kürzen vor allem Mütter ihre Arbeitszeit – zulasten ihres Lohns.
Homeoffice, Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit. Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt für viele Beschäftigte auf den Kopf gestellt. Vor allem für Mütter und Väter, die gleichzeitig ihre Kinder betreuen. Die Einkommenskluft – der sogenannte Gender Pay Gap – zwischen Frauen und Männern könnte sich dadurch wieder etwas verschlechtern.
Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Es spricht vieles dafür, „dass sich die bereits vor der Krise existierenden Ungleichheitsstrukturen in der Krise verschärfen und damit auch langfristig zu einer wachsenden Ungleichheit zwischen den Geschlechtern führen könnten, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird“, fasst Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI, die aktuellen Trends zusammen.
- Das Virus bleibt: Neue Corona-Variante – Sorgt KP.2 für eine Sommerwelle?
- AstraZeneca: Corona-Impfstoff in der EU nicht mehr zugelassen – die Gründe
- Nach Corona: Diese Viren könnten eine neue Pandemie auslösen
- Studie: Depressionen möglich? Corona attackiert die Glückshormone im Gehirn
- Jugendliche: Was eine verfrühte Pubertät mit der Corona-Pandemie zu tun hat
Männer bekommen 22,26 Euro Stundenlohn, Frauen nur 17,98 Euro
Seit Jahrzehnten werden Frauen in Deutschland schlechter bezahlt als Männer – und zwar oft auch dann, wenn sie den gleichen Beruf ausüben. Immerhin: Die Diskrepanz hat sich in den vergangenen zehn Jahren etwas verringert.
Lag der Lohnunterschied im Jahr 2009 noch bei 22,5 Prozent, so liegt er 2019 „nur“ noch bei 19 Prozent, berichten die Forscherinnen mit Verweis auf eine OECD-Studie. Konkret heißt dies: Männer verdienen jetzt 22,26 Euro brutto die Stunde, während Frauen nur 17,98 Euro erhalten.
Hauptgründe für die schlechtere Bezahlung liegen darin, dass Frauen in Deutschland deutlich seltener in Führungspositionen arbeiten und zudem oft in Frauen-dominierten Jobs – wie in der Pflege oder im Handel - beschäftigt sind, in denen Gehälter bezahlt werden, die unter dem Durchschnitt liegen.
Hintergrund:Höhere Rente: So sorgen Frauen besser fürs Alter vor
Frauen sind zu selten in Führungspositionen
So waren 2018 nur 26 Prozent aller Führungsjobs mit Frauen besetzt, obwohl sie 44 Prozent aller Beschäftigten stellen. Gleichzeitig arbeitet fast jede zweite Frau Teilzeit (46 Prozent), während dies nur 11 Prozent der Männer machen.
Die Corona-Pandemie hat Männer und Frauen zwar vor ähnliche Herausforderungen gestellt, aber unterschiedlich betroffen. Da in der ersten Welle der Pandemie mehr Männer als Frauen arbeitslos oder in Kurzarbeit geschickt wurden, dürften ihre Einkommen im Durchschnitt etwas gesunken sein – und damit auch der Verdienstabstand zu Frauen geschrumpft sein, analysieren die WSI-Forscherinnen Yvonne Lott und Aline Zucco.
Doch dieser vermeintlich positive Effekt habe nicht zu einem höheren Einkommen der Frauen geführt und dürfte sich im zweiten Lockdown wieder umkehren. So sei die Arbeitslosigkeit von Frauen im Januar 2021 stärker gestiegen als bei Männern.
Außerdem erhielten verheiratete Frauen durch das Ehegattensplitting bei Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit häufig niedrigere Sozialleistungen, was ihre Einkommen zusätzlich schmälert. Da für 2020 noch keine amtlichen Statistikdaten vorliegen, stützen sich die Gender-Forscherinnen bei ihrer Analyse vor allem auf repräsentative Befragungen ihres Instituts.
Corona: Frauen verkürzen oft ihre Arbeitszeit
Größere Veränderungen gab es während der Pandemie bei den Arbeitszeiten. So haben vor allem Frauen aufgrund geschlossener Schulen und Kitas ihre Arbeitszeiten seit Beginn der Pandemie reduziert, um ihre Kinder zu betreuen. Im April gaben 24 Prozent der Frauen in einer Befragung an, ihre Arbeitszeiten deshalb verkürzt zu haben, unter den Männern waren es nur 16 Prozent. Im November sank der Anteil wieder auf zehn Prozent bei den Müttern und auf 6 Prozent bei den Vätern.
Dennoch sehen die Forscherinnen ein Risiko: „Es besteht die Gefahr, dass ein Teil dieser Arbeitszeitreduzierungen auch nach Ende der akuten Krise nicht zurückgenommen werden kann, falls Arbeitgeber an einer Aufstockung der Arbeitszeit kein Interesse haben.“ Verkürzte Arbeitszeiten aus familiären Gründen würden von Arbeitgebern oft als „geringeres Engagement“ bewertet, was sich wiederum auf die Karriere negativ auswirke.
Lesen Sie auch:Wie man seine gesetzliche Rente aufbessert
Frauen arbeiten oft ohne Bezahlung - auch in Corona-Zeiten
Die meiste unbezahlte Arbeit wird unterdessen auch in der Pandemie weiter von Frauen erledigt – auch wenn sie berufstätig sind. So hat sich in 75 Prozent der Familien laut Umfrage bei der Verteilung der Kinderbetreuung nichts verändert – und liegt weiter vorwiegend bei den Müttern. In gut sieben Prozent hat sich die traditionelle Arbeitsteilung sogar noch verschärft.
Bei gut jedem Achten hat die Corona-Krise aber auch für mehr Geschlechtergleichheit gesorgt. 12 Prozent der Befragten berichten, dass die Kinderbetreuung nun ausgeglichener verteilt werde. Bei fast fünf Prozent habe sich die Tradition sogar umgekehrt – in diesen Haushalten haben sich vor allem die Väter um die Kinder kümmert. Bleibt abzuwarten, ob und wie sich mögliche Änderungen verfestigen. Vor der Corona-Pandemie haben Frauen laut Studien etwa 3,5 Stunden pro Tag in unentgeltliche Arbeiten in den Haushalt gesteckt, während Männer dafür nur knapp zwei Stunden aufwendeten.