Hamburg. Umweltminister Jan Philipp Albrecht sagt, warum Schleswig-Holstein nicht schnell helfen kann. Behörden hätten früher handeln müssen.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wollen dieser Tage über Nachbarschaftsthemen sprechen, dabei geht es auch um die Zukunft des Hamburger Hafens. Eines der Hauptthemen auf ihrer Tagesordnung ist die Frage: Wohin mit Hamburgs Hafenschlick?

Weil der Flutstrom der Elbe stärker ist als der Ebbstrom, werden immer mehr Sedimente flussaufwärts in den Hamburger Hafen transportiert und setzten sich dort ab. Hamburg kann den ausgebaggerten Schlick derzeit nur an zwei Stellen deponieren. Eine davon liegt bei Neßsand in der Elbe an Hamburgs Landesgrenze.

Auch Verklappung in der Nordsee ist möglich

Von dort wird der Schlick aber binnen weniger Wochen wieder in den Hafen zurückgespült. Die andere Möglichkeit ist eine Verklappung in der Nordsee, 30 Kilometer nordwestlich von Scharhörn, beim Seezeichen Tonne E3. Das Meeresgebiet gehört aber Schleswig-Holstein, das die Verklappung genehmigen muss. Seit 2005 schließt Hamburg deshalb immer wieder Verträge zur Verbringung des Baggerguts zur Tonne E3.

Doch jetzt will der Senat kurzfristig deutlich mehr Schlick dorthin bringen. Grund ist, dass sonst spätestens im Herbst die Vorteile der Elbvertiefung verpuffen, die großen Schiffen mit viel Tiefgang den Zugang zum Hafen garantieren soll. Im Exklusiv-Gespräch mit dem Abendblatt erklärt Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht, warum das nicht geht. Er wirft Hamburg Versäumnisse vor und beklagt sich über das Auftreten der Stadt gegenüber ihrem nördlichen Nachbarn.

Hamburger Abendblatt: Herr Albrecht, Hamburgs Behörden stehen bei der Sedimentverbringung unter Zeitdruck. Offenbar fehlen Schlickablagerungsstellen. Sehen Sie auch die Notwendigkeit, dass der Hafen schnell eine neue Lösung benötigt?

Jan Philipp Albrecht: Auch uns in Schleswig-Holstein ist bewusst, dass der Hamburger Hafen eine enorme wirtschaftliche Bedeutung hat. Wir verstehen Hamburgs Wunsch, eine Lösung für die Unterhaltung der Fahrrinne zu finden. Deshalb hat Schleswig-Holstein als bisher einziger Partner an der Seite Hamburgs in den vergangenen 15 Jahren substanziell und vielfach zur Lösung des Schlickproblems beigetragen.

Aus Teilen der Hafenwirtschaft und der Behörden wird aber kolportiert, Schleswig-Holstein würde sich jetzt sperren.

Albrecht: Das ist nicht annähernd der Fall. Wir haben uns immer selbst in die Verantwortung genommen, um Lösungen für die Sedimentunterbringung zu entwickeln und vorzuschlagen. Wir sperren uns keineswegs. Wir können aber auch nicht zaubern. Wir arbeiten konstruktiv daran mit, einen gangbaren Weg zu finden.

Da Hamburg jetzt besonders in Not ist, um die Sedimente loszuwerden, hat sich die Stadt vielleicht zu spät darum gekümmert?

Albrecht: Wir haben jedenfalls nicht gemauert. Wir haben uns bereits 2019, als absehbar war, vor welchen Problemen Hamburg steht, dazu bereiterklärt, die eigentlich ab 2021 geltende Zulassung für die Unterbringung von weiteren fünf Millionen Tonnen in fünf Jahren, vorzuziehen. Das geschah auf Hamburgs Wunsch. Wir haben das ohne große zusätzliche Prüfungen unbürokratisch gemacht. Das war ein großes Entgegenkommen Schleswig-Holsteins.

Jetzt steht Hamburg aber wieder vor dem Schlickproblem. Hätte Schleswig-Holstein noch mehr helfen müssen?

Albrecht: Wir haben doch damals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Hamburg frühzeitig melden muss, wenn es die Verbringung weiterer Sedimente über die vertraglich vereinbarten Mengen
hinaus wünscht. Damit verbunden war das klare Angebot, über die Verbringung weiterer Sedimente zu sprechen. Erst vor Kurzem wurde darauf überhaupt eingegangen. Wenn die Hamburger Behörden jetzt quasi von heute auf morgen nach deutlich größeren Verbringungsmöglichkeiten suchen, wird die Tonne E3 dazu natürlich nur begrenzt beitragen können.

Warum?

Albrecht: Geprüft und genehmigt ist die Unterbringung von jährlich 1,5 Millionen Tonnen Baggergut über fünf Jahre. Man kann die Gesamtmenge vorziehen. Alles, was aber darüber hinausgeht, bedarf zunächst einmal eines ordentlichen Antrags und einer Reihe von Untersuchungen des Schlickfallgebiets. Dazu gehören eine Prüfung der Ausbreitung der Sedimente, weitere fachliche Untersuchungen und ein Beteiligungsverfahren. Das dauert seine Zeit und wird nicht vor Ende nächsten Jahres abzuschließen sein, aber auch nur, wenn Hamburg das auch zügig angeht. Deshalb ist es nicht möglich, kurzfristig eine neue Genehmigung zu erteilen. Die rechtlichen Vorgaben können wir nicht beiseiteschieben. Es wäre sicher hilfreich gewesen, die Stadt hätte den nötigen Prozess frühzeitig in Gang gesetzt. Das geschah nicht, deshalb sieht sich Hamburg dazu gedrängt an anderen Stellen nach Lösungen für die Sedimentunterbringungen zu suchen.

Die Wirtschaftsbehörde möchte auch auf Hamburger Gebiet bei Scharhörn in der Außenelbe Schlick verklappen. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass er ins Meer hinausgespült wird. Niedersachsen lehnt das vorerst ab. Wie stehen Sie dazu?

Albrecht: Das oberste Gebot muss sein, dass das Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer geschützt bleibt und nicht von Sedimentablagerungen bedroht werden darf. Dieser Grundsatz eint uns mit Niedersachsen, aber auch mit Hamburg. Es bedarf also Untersuchungen und Nachweisen, die solche Auswirkungen ausschließen. Das ist bislang nicht der Fall, weshalb das aus unserer Sicht nicht die bestgeeignete Stelle ist. Aber es liegt in der Hand Hamburgs, das weiter zu untersuchen und uns als Anrainern nachzuweisen, dass kein schadstoffbelasteter Schlick in das benachbarte geschützte Gebiet weitergetragen werden kann. Das muss nach Recht und Gesetz geschehen, damit die Lösung auch langfristig hält. Hamburg sollte jetzt seine Hausaufgaben machen – möglichst frühzeitig.

Hamburg plant auch die Verbringung des Schlicks weit draußen in der Nordsee in der ausschließlichen Wirtschaftszone. Ist das für Schleswig-Holstein ein gangbarer Weg?

Albrecht: Das liegt in der Verantwortung des Bundes. Ich bin überzeugt, dass auch er den Schutz unseres Weltnaturerbes im Blick hat. Unter dieser Maßgabe halte ich es für richtig und gut, dass auch diese Option weiter geprüft wird.

Im Forum Tideelbe haben die drei Länder nach Möglichkeiten gesucht, das Schlickaufkommen durch Beeinflussung des Tidehubs zu senken. Sehen sie darin eine Lösung?

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Albrecht: Auch in dieses Verfahren haben wir uns intensiv eingebracht um ein zukunftsfähiges Konzept für das Sedimentmanagement zu finden. Wir sind auch weiter offen, über die Maßnahmen, auf die man sich in dem langen Prozess verständigt hat, zu sprechen. Dann geht es aber nicht, dass Hamburg eigenmächtig wenige Tage nach der Vorlage des Abschlussberichts, eine der drei Maßnahmen, nämlich den Anschluss der Dove Elbe ans Tidegeschehen, eigenmächtig wieder herausnimmt. Das schafft nicht gerade Vertrauen bei den Nachbarländern.

Im Abschlussbericht steht aber auch, dass dies die am wenigsten wirksamste Lösung für das Tidegeschehen wäre ...

Albrecht: Ich verstehe, dass es Vorbehalte gibt. Die gibt es gegenüber den anderen beiden Maßnahmen aber auch. Es kann nicht sein, dass zum Schluss wieder nur von Schleswig-Holstein etwas erwartet wird. Die in Ergänzung zu den Hamburger Maßnahmen denkbare Wiederanbindung der Haseldorfer Marsch kann zudem nur erfolgen, wenn sie im Einklang mit Küsten- und Naturschutz steht, und wenn sie von Hamburg finanziert wird. Nur so kann Hamburg auf die Akzeptanz der Nachbarländer bauen.