Hamburg. Ob Deutsche Bank, Commerzbank, Haspa oder Volksbank – alle müssen sparen. Auch die Zahl der Arbeitsplätze dürfte weiter deutlich sinken.

Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 sind bei Banken in Hamburg rund 6000 der damals noch 23.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Für die Kunden der Geldhäuser ist aber vor allem dies von Bedeutung: Allein die Haspa, die Hamburger Volksbank, die Commerzbank und die Deutsche Bank haben im selben Zeitraum fast genau die Hälfte ihrer seinerzeit zusammen etwa 360 Filialen in der Stadt geschlossen. Und bereits vor Beginn der Corona-Pandemie haben bei den Kreditinstituten die Planungen für eine neue Welle von Abbauprogrammen begonnen.

So will sich die Haspa bis 2023 von 19 ihrer derzeit noch 119 Zweigstellen trennen. Rechnet man die bei der Commerzbank und der Deutschen Bank kursierenden Angaben zur Schrumpfung der bundesweiten Filialnetze auf Hamburg herunter, könnten allein bei diesen drei Instituten in den nächsten Jahren bis zu 44 Niederlassungen wegfallen – das ist fast jede vierte Filiale dieser Banken in der Hansestadt.

Schon im vergangenen Jahr hat zudem die Hamburger Volksbank zehn ihrer 25 Filialen dichtgemacht. Bei der Haspa werden nach Angaben der Sparkasse vier Zweigstellen in diesem Jahr ihre Türen für immer schließen. Darin sind die Standorte an der Tonndorfer Hauptstraße und an der Wandsbeker Chaussee, die im Februar bzw. im März aufgegeben werden (das Abendblatt berichtete), nicht enthalten. Ihre Schließung sei noch für 2020 vorgesehen gewesen, habe sich wegen der Pandemie aber verzögert, hieß es von der Haspa.

Banken haben gemerkt, dass sie mit weniger Filialen auskommen

„Die Banken haben in der Corona-Krise gemerkt, dass sie mit weniger Filialen auskommen“, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. So seien immer mehr Kunden zu Beratungsgesprächen per Telefon oder Videokonferenz bereit. Während der Pandemie hätten sie sich zunehmend an diese Form des Kontakts gewöhnt.

"Auch in unseren Filialen finden immer mehr Kundentermine digital statt“, sagt dazu Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Auf der anderen Seite wandeln sich die verbleibenden Niederlassungen: Die Haspa hat schon mehr als 80 ihrer Geschäftsstellen zu einer Art Nachbarschaftstreff für das jeweilige Umfeld umgestaltet. Zumindest punktuell geht die Hamburger Volksbank einen ähnlichen Weg. Das im Oktober eröffnete „FinanzKontor Blankenese“ verfügt unter anderem über eine „Eventfläche“. Noch im ersten Halbjahr soll in Wedel ein weiterer Standort nach diesem Muster hinzukommen.

Dem Bankenstandort Hamburg geht es nicht gut

Dem Bankenstandort Hamburg geht es nicht gut: Seit dem Finanzkrisen-Jahr 2008 sind hier rund 6000 der damals noch 23.000 Arbeitsplätze bei Geldhäusern verloren gegangen. Allein die Hamburger Sparkasse (Haspa), die Commerzbank, die Deutsche Bank und die Hamburg Commercial Bank (HCOB) haben im vorigen Jahr zusammen rund 540 Stellen in der Stadt abgebaut; das entspricht knapp sechs Prozent ihrer Belegschaft in Hamburg.

Doch man muss befürchten, dass die Beschäftigtenbilanz in diesem Jahr mindestens genauso schlecht aussehen wird. Dafür sorgen schon die bereits angekündigten oder in Kürze erwarteten Kostensenkungspläne der Institute. So will die Haspa 19 ihrer aktuell noch 119 Filialen bis 2023 schließen, außerdem kündigte die Sparkasse vor rund einem Jahr die Streichung von 800 bis 900 Stellen bis Ende 2023 an. Bei der HCOB läuft ein noch weit drastischeres Sparprogramm, denn sie will die Zahl der Vollzeitstellen in Hamburg von zuletzt gut 800 bis Jahresende auf dann nur noch etwa 550 senken. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 beschäftigte die damalige HSH Nordbank in Hamburg noch gut 1900 Personen.

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Spannend macht es die Commerzbank: Voraussichtlich Anfang Februar wird der neue Konzernchef Manfred Knof seine Strategie vorstellen. In Finanzkreisen geht man davon aus, dass firmenweit mindestens jede vierte der zuletzt knapp 40.000 Vollzeitstellen wegfallen soll. Das wäre eine drastische Verschärfung des Ende 2019 – also vor der Corona-Krise – verkündeten Sparprogramms, das den Abbau von 2300 Jobs und die Schließung von 200 der insgesamt 1000 Filialen vorsah. Einem angeblich intern diskutierten Extremszenario zufolge könnten womöglich gar nur 200 Geschäftsstellen bundesweit übrig bleiben, heißt es.

Schrumpfkur bei der Deutschen Bank

Bei der Deutschen Bank ist eine erneute Schrumpfkur bereits angelaufen. Im September vorigen Jahres kündigte der damalige Chef des Privatkundengeschäfts in Deutschland – eben jener Manfred Knof, der nun die Commerzbank führt – an, dass die Zahl der Filialen von 500 auf 400 sinken soll. Nach Angaben des Konzern will man das möglichst schnell in diesem Jahr umsetzen. Zudem will die Deutsche Bank in den Jahren 2021 und 2022 zusammen 100 der noch rund 800 Filialen der Postbank, die 2009 übernommen wurde, dichtmachen. Schon im Sommer 2019 hatte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing den Abbau von rund 18.000 Stellen bis 2022 verkündet. Damit fällt fast jeder fünfte Arbeitsplatz weg. Es handele sich um die „umfassendste Transformation der Deutschen Bank seit Jahrzehnten“, hatte Sewing dazu gesagt. Dies sei ein „echter Neustart“.

Anhand des Zeitpunkts der Bekanntmachungen wird klar, dass die Geldhäuser bereits vor dem Ausbruch der Pandemie die Notwenigkeit einer neuen Sparwelle sahen. „Sie stehen schon seit Jahren unter Ertragsdruck, verursacht durch die Niedrigzinsen, aber auch durch stark gestiegene Kosten für die Digitalisierung und wegen erhöhter Regulierungsanforderungen“, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management.

Einer der größten Kostenblöcke der Kreditinstitute aber sei das Zweigstellennetz – „und die Banken haben in der Corona-Krise gemerkt, dass sie mit weniger Filialen auskommen“, so Faust. So hatte etwa die Commerzbank bundesweit 200 ihrer Geschäftsstellen wegen der Pandemie „vorsorglich geschlossen“, wie sie es nennt. In Hamburg betrifft das mindestens neun Filialen.

Bisher sahen sich die Banken, wie Faust erklärt, einem Dilemma gegenüber: „Sie verdienen ihr Geld mit dem Verkauf von Finanzprodukten, aber es ist nicht so leicht, diese ohne Beratung allein über das Internet abzusetzen.“ Allerdings seien nun immer mehr Kunden zu Beratungsgesprächen per Telefon oder Videokonferenz bereit. Gerade während der Corona-Pandemie habe man sich zunehmend daran gewöhnt.

Noch sind Baufinanzierungen ein Wachstumstreiber

Im Hinblick auf den Filialabbau ist Faust sicher: „Die Krise war ein Beschleuniger, das wäre früher oder später ohnehin gekommen.“ Die Hamburger Volksbank bestätigt das indirekt. Sie hat sich kürzlich von zehn ihrer 25 Standorte getrennt – was langfristig so geplant war, nun aber schnell umgesetzt worden ist. „Wir werden jene Filialen, die wir coronabedingt geschlossen haben, nicht wiedereröffnen“, sagte der damalige Volksbank-Chef Reiner Brüggestrat im vergangenen Jahr. Trotz erhöhter Bereitschaft der Kunden zu digitaler Beratung achten die Banken darauf, sich nicht komplett aus der Fläche zurückzuziehen.

Der Weg zur nächsten ihrer Geschäftsstellen solle eben auch nicht zu lang werden, sagt Faust. Im Umkehrschluss heißt das: In Großstädten, wo die einzelnen Geldhäuser noch an etlichen Stellen vor Ort präsent sind, ist der Spielraum für Filialschließungen größer. Das bestätigte ein Sprecher der Deutschen Bank dem Abendblatt: „Wir haben Konsolidierungschancen in den Innenstädten.“ Bei der Commerzbank dürfte man das ganz ähnlich sehen.

Was bedeutet das für Hamburg?

Was heißt das nun für Hamburg? Rechnet man die Zahlen, die für den bundesweiten Filialabbau im Gespräch sind, auf die Hansestadt herunter, so könnten hier durchaus zwischen 15 und 20 Commerzbank-Geschäftsstellen wegfallen. Bei der Deutschen Bank dürften es drei bis fünf sein.

Von der Haspa gibt es hierzu klare Angaben: „2021 werden wir vier Filialen schließen“, so Stefanie von Carlsburg, Sprecherin der Sparkasse. Man reduziere das Netz nur dort, wo der Bedarf aufgrund der verstärkten Nutzung der digitalen Angebote so weit zurückgehe, „dass ihn eine Nachbarfiliale gut abdecken kann“, oder wo sich aus der Entwicklung des Stadtteils ergebe, dass „wir nicht mehr zwingend dort sein müssen“. Außerdem sei geplant, an den betroffenen Standorten die Bargeldversorgung durch einen Geldautomaten aufrecht zu erhalten.

Nach Einschätzung von Finanzexperte Faust haben die neuen Sparprogramme der Banken auch mit einer befürchteten Nachwirkung der Corona-Krise zu tun: „Die Kreditinstitute fahren jetzt ihre Risikovorsorge hoch, was die Gewinne weiter drücken wird.“ Zwar bedeuteten die vorsorglichen Rückstellungen noch nicht, dass Kredite tatsächlich ausfallen. Bei Immobilienfinanzierungen etwa für Hotelprojekte oder für Einkaufszentren sei damit allerdings zu rechnen.

Im Baufinanzierungsgeschäft für Wohnimmobilien – dies war für etliche Banken gerade auch in Hamburg jahrelang ein Wachstumstreiber – ist ein deutlicher Anstieg der faulen Kredite nach Auffassung von Faust aber nicht zu befürchten. Dazu käme es nur, wenn die Zahl der Arbeitslosen infolge der Pandemie sehr stark zunehmen sollte. Doch genau das versucht die Bundesregierung mit ihren milliardenschweren Hilfspaketen zu verhindern.