Hamburg. In der Pandemie finden sogenannte Coworking-Spaces in Hamburg großen Anklang. Sie ziehen bereits in leere Kaufhäuser.
Firmenpräsentationen für größere Teams, gemeinsames Training im Fitnessraum, Computerspiel-Veranstaltungen für die „Gamer“-Szene – all das gehört eigentlich zum Programm des Coworking-Hauses „Hamburger Ding“ am Nobistor auf St. Pauli. Im Moment geht natürlich nichts davon. Katarina Talanga, die Leiterin des im Mai 2019 eröffneten Hauses, ist dennoch zuversichtlich: „Unsere Event-Angebote wurden im Sommer, nach dem ersten Lockdown, wieder sehr gut angenommen. Das hat uns darin bestätigt, dass wir mit unserem Konzept richtig liegen.“
Zudem bleiben die Mietschreibtische keineswegs leer: „Die gut 150 Arbeitsplätze sind derzeit voll ausgebucht, da gab es keinen starken Einbruch“, so Talanga. Offenbar wird das Coworking-Haus, das im Mai für seine Corona-Schutzmaßnahmen von einem Hamburger Hygienelabor zertifiziert wurde, von den Nutzern als willkommene Alternative zur Homeoffice-Eintönigkeit gesehen.
Imvest will in in Norddeutschland expandieren
Ungeachtet der Pandemie, will der Hamburger Immobilienentwickler Imvest, dem das Coworking-Haus gehört, mit diesem Konzept in Norddeutschland expandieren. Ein „Kieler Ding“ soll im Frühjahr 2022 eröffnen. „Auch in Osnabrück haben wir schon ein Gebäude gekauft, die Planungen sind aber noch in einem frühen Stadium“, sagt Imvest-Geschäftsführer Jens-Michael Janssen. „In Lübeck und Bremen sind wir auf der Suche nach dem passenden Objekt, auch in Hannover schauen wir uns intensiv um.“
Infrage kämen jeweils Immobilien von 5000 bis 6000 Quadratmetern, so wie auch in Hamburg. Zwar habe jede Stadt ihre Eigenheiten, ebenso jedes Gebäude, aber im Wesentlichen wolle man die auf St. Pauli realisierte Idee auch an den neuen Standorten umsetzen. „Die Grundidee ist, dass unsere Häuser ein Begegnungsort sind, an dem man nicht nur arbeitet, sondern sich auch sportlich betätigen und sich mit anderen austauschen und vernetzen kann“, sagt Janssen.
Konzept stößt bei Geldgebern auf Interesse
Imvest könne Chancen nutzen, die sich aus dem allmählichen Wandel der bisher sehr „einzelhandelslastigen“ Innenstädte ergeben: „Uns werden leer stehende Kaufhäuser angeboten, die wir wie in Osnabrück und Kiel transformieren.“ Auf der anderen Seite trage ein Coworking- und Event-Zentrum zur Belebung der City bei: „Wir können neue Besuchergruppen in die Innenstadt bringen, zum Beispiel über E-Sport-Veranstaltungen in unseren Standorten.“
An Geldgebern für solche Ideen fehlt es offenbar nicht. Immobilieninvestoren würden erkennen, dass Hotellerie und Einzelhandel leiden, sagt Janssen: „Als Folge der Corona-Pandemie werden nun auch sehr große Bürogebäude zunehmend hinterfragt. Unser Konzept stößt vor diesem Hintergrund auf Interesse.“
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Darüber hinaus hat Covid-19 nach Auffassung des Managers im Hinblick auf die Arbeitswelt „verknöcherte Strukturen“ aufgebrochen: „Die Verantwortlichen in den Unternehmen haben jetzt gesehen, dass ihre Beschäftigten auch arbeiten, wenn sie nicht im firmeneigenen Büro sitzen. Das kommt uns zugute.“ Und schließlich würden die Menschen, sobald die Corona-Schutzmaßnahmen gelockert werden könnten, auch wieder das Bedürfnis nach direktem Austausch haben: „Es wird definitiv nicht so sein, dass man sich auch noch in zwei oder drei Jahren nur per Videokonferenz treffen kann.“
Mehr als 60 Coworking-Standorte gibt es in Hamburg
Mehr als 60 Coworking-Standorte gibt es mittlerweile in Hamburg. Die Preise sind recht unterschiedlich, starten aber meist bei rund 200 Euro im Monat. Wer immer den gleichen Schreibtisch haben möchte, zahlt dafür üblicherweise schon 300 bis 400 Euro.
Während die Büros auf Zeit, als sie vor etwa zehn Jahren in Deutschland aufkamen, zunächst meist von Start-ups und von Selbstständigen vor allem aus kreativen Branchen gebucht wurden, kommen nun andere Nutzergruppen hinzu. „Auch etablierte Unternehmen erkennen jetzt die Vorteile von Coworking“, sagt Janssen: „Wir arbeiten mit einer größeren Bank zusammen, die Arbeitsplätze im Block bei uns mietet. Das gibt ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, am Puls der Zeit zu sein.“ In den USA ist so etwas längst üblich. Konzerne wie Microsoft, die Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst & Young oder die Schweizer Großbank UBS setzen dort zunehmend auf die flexiblen Arbeitsplätze.
In einer Studie des Immobilienberaters Jones Lang LaSalle (JLL) aus dem vergangenen Jahr heißt es sogar, bis 2030 würden voraussichtlich rund 30 Prozent aller Büroflächen flexibel genutzt. Gerade die Pandemie hat nach Auffassung von Janssen mit dazu beigetragen, dass große Unternehmen sich hinsichtlich ihres Flächenbedarfs nicht mehr für so lange Zeit festlegen wollen. In einem Coworking-Space müsse man eben keinen Zehnjahresvertrag unterschreiben wie für eine eigene Büroetage. „Bei uns ist auch gleich das Mobiliar vorhanden“, so Janssen: „Wir hatten sogar schon Anfragen von Firmen, die das komplette Haus mieten wollten.“
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Nicht nur der Eigentümer des Hamburger Dings ist auf Expansionskurs. Auch das Betahaus Hamburg, das 2010 der Pionier der Szene in der Hansestadt war, plant einen weiteren Standort. Neben dem Stammhaus im Schanzenviertel gibt es seit 2019 noch den „Finhaven“ in der HafenCity. Im vorigen Jahr, mitten in der Corona-Krise, gab Betahaus bekannt, bis Mitte 2022 in der Großen Bergstraße in Altona das Gebäude des Alten Finanzamts in einen „Kreativstandort“ von mehr als 6000 Quadratmetern umwandeln zu wollen.
Das Besondere dabei: Die Nutzer des Coworking-Hauses sollen die Möglichkeit erhalten, Miteigner zu werden. Zwar musste das Betahaus-Team im Frühjahr 2020 den Standort in der HafenCity kurzzeitig schließen – außer für Dauermieter. Aber schon seit dem Sommer sei er wieder in Betrieb, sagt Geschäftsführer Mathias Zinke. Die Betahaus-Nutzerzahlen hätten sich „nach dem ersten Lockdown im Frühjahr schnell wieder weitgehend normalisiert“, so Zinke. Nach einem nochmaligen leichten Rückgang im November seien die Arbeitsplätze nun „gut ausgelastet“.