Hamburg. Branche verzeichnet deutlichen Nachfragerückgang. Doch mittelfristig könnten die Anbieter zu den Gewinnern der Krise gehören.
Man findet sie in traditionsreichen Kontorhäusern, im 16. Stock moderner Glas- und Stahlbauten mit beeindruckendem Blick über Hamburg, aber auch im alten Quarantänestall des Schlachthofs im Karoviertel: Zwischen 30 und 40 sogenannte „Co-Working-Spaces“, also Bürogemeinschaftsräume oder geteilte Büros, gibt es in der Hansestadt. Mit ihren offenen Räumen, Besprechungszonen und gemeinsam genutzten „Kaffee-Ecken“ sollen sie auch ein Ort der Begegnung und damit ein guter Nährboden für neue Ideen sein. Doch gerade diese Merkmale sind in den zurückliegenden Wochen der Corona-Pandemie zum Problem geworden.
Besonders getroffen wurden Anbieter, die stark auf Veranstaltungen und auf gemeinschaftliche Aktivitäten ihrer Nutzer setzen – so wie etwa das „Hamburger Ding“ auf St. Pauli mit diversen Veranstaltungsräumen wie einer Whiskey Lounge und einem Sportbereich, in dem man sich unter Anleitung von Trainern der „Hamburg Towers“-Basketballer in Form bringen kann. „Events und Entertainment sind bei uns ein zentraler Bestandteil des Konzepts“, sagt Katarina Talanga, die Leiterin des erst im vorigen Jahr eröffneten Hauses. Weil zudem Gemeinschaftsbüros während des Lockdowns gemieden wurden, sei generell die „Auslastung gesunken“, sagt Talanga.
Anderen Anbietern geht es ähnlich. Beim Betahaus Hamburg, das 2010 der Pionier der Szene in der Hansestadt war, hat man für alle der knapp 20 Beschäftigten Kurzarbeit angemeldet, sie sind nur 50 Prozent der Zeit im Dienst. Einer der beiden Standorte, der „Finhaven“ in der HafenCity, ist außer für Dauermieter vorübergehend geschlossen worden. „Es fällt uns schwer, mit der reduzierten Personalkapazität zwei Häuser zu betreuen“, sagt Robert Beddies, Geschäftsführer des Betahaus Hamburg.
"Riesenchance" für die Co-Working-Branche
Viele der Anbieter hätten auf Corona-Soforthilfen zurückgegriffen, sagt Tobias Kollewe, Vorstand des Bundesverbandes Coworking Spaces Deutschland, bei dem man bundesweit knapp 1300 einzelne Standorte zählt. „Seit Mitte März sind die Nutzerzahlen deutlich zurückgegangen, außerdem stammen in der Branche rund 50 Prozent der Einnahmen aus Events“, so Kollewe. Dennoch sieht er trotz Corona-Krise keinen Abbruch des Wachstumstrends mit einer Vervierfachung der Standorte in Deutschland seit Anfang 2018. „Seit gut zwei Wochen sehen wir, dass die Nutzer zurückkommen, auch die Anfragen für Firmenveranstaltungen nehmen wieder stark zu“, sagt Kollewe.
Beddies sieht die während der Pandemie gemachten Erfahrungen über Arbeitsformen gar als „Riesenchance“ für die Co-Working-Branche: „Bisher mussten wir immer ganz viel Aufklärungsarbeit leisten. Aber jetzt hat ein Großteil der berufstätigen Bevölkerung selbst erlebt, dass es möglich ist, außerhalb des Unternehmens zu arbeiten.“ Aktuell täten sich vor diesem Hintergrund neue Kundengruppen auf, so Beddies: Menschen, deren Wohnsituation kein Homeoffice zulässt und deren Arbeitgeber das Co-Working-Büro bezahlt. Aber auch Firmen, die ihre Büroflächen in der Krise aus Kostengründen verkleinern. „Wir haben erste Anfragen von solchen Kunden“, sagt Beddies.
Auch Kollewe weist auf das Kostensenkungspotenzial hin: Studien zufolge müssten Großunternehmen für einen Büroarbeitsplatz mit monatlichen Kosten von rund 1000 Euro kalkulieren. In der öffentlichen Verwaltung rechne man dafür mit 600 Euro, während man für einen festen Co-Working-Platz in der Regel nur 250 bis 450 Euro pro Monat ausgeben müsse. Hinzu kommt, dass man keinen über viele Jahre laufenden Mietvertrag schließen muss.
Immer gefragter sind separate, abschließbare Büros
Mit einem „Spezialangebot“ von monatlich 190 Euro für eine „handelsregisterfähige Geschäftsadresse“ zielt der Hamburger Anbieter Baze mit Mietbüros am Baumwall auf Kunden ab, die jetzt zum Sparen gezwungen sind: „Ihr Unternehmen ist wirtschaftlich betroffen von der Corona-Krise? Sie wollen oder müssen Ihren Mietvertrag beenden oder Ihren Unternehmensstandort verlassen? Ziehen Sie kurzfristig und unkompliziert ein und genießen den Vorteil einer flexiblen Vertragslaufzeit mit monatlicher Kündigungsmöglichkeit“, heißt es da.
Dennoch dürfte das Virus wegen der Infektionsschutzmaßnahmen auf absehbare Zeit das Co-Working-Geschäft einschränken. Beim in Hamburg aktiven Branchengiganten WeWork bedeutet das in den Community-Bereichen, dass die Kapazität durch größere Sitzplatzabstände verringert wird. Eine Vierer-Sitzgruppe bietet nur noch ein bis zwei Personen Platz.
Immer gefragter sind separate, abschließbare Büros. „Da sind wir auch weiter nahezu voll ausgelastet“, sagt Talanga. Das Hamburger Ding hat sich Ende Mai vom Labor Dr. Fenner aus Hamburg als „Corona Safe House“ zertifizieren lassen und bietet nun unter anderem Besprechungsräume mit Plexiglas-Trennwänden auf den Tischen für eine stundenweise Nutzung an. „Meetings sind schließlich im Homeoffice kaum möglich, insofern sind wir eine gute Ergänzung dazu“, so Talanga. Sie ist überzeugt: „Flexibles Arbeiten und geteilte Infrastruktur werden in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen.“
Im Hamburger Ding läuft nun sogar das Sportprogramm, das man zunächst komplett einstellen musste, allmählich wieder an, auch wenn die Kurse vorläufig auf maximal drei Teilnehmer begrenzt sind. „Wir nutzen dazu jetzt unsere Dachterrasse“, sagt Talanga: „Da hat man einen so tollen Ausblick, dass wir das zumindest bei gutem Wetter vielleicht beibehalten.“