Hamburger Unternehmer stellen in der Krise mit ärztlicher Beratung ihren Betrieb um. Unterschiedliche Corona-Tests im Angebot.

Der Firmenname ist verhängt. „Covid19 Schnelltest-Hamburg“ steht jetzt über der Eingangstür. In den Schaufenstern kleben Plakate, auf denen Corona-Tests ohne Anmeldung angepriesen werden. Drinnen steht ein Mann im weißen Ganzkörper-Schutzanzug mit Maske und Plexiglas-Visier. Auch die beiden Frauen hinter dem Empfangstresen tragen weiße Kittel. Auf den ersten Blick deutet kaum etwas darauf hin, dass das Ladenlokal in der Gertigstraße eigentlich ein Sonnenstudio ist.

„Wir haben überlegt, was wir während des Lockdowns in unseren Räumen machen können“, sagt Unternehmer Stefan Kraul, der mit seinem Bruder Tim die Kette Smartsun mit vier Standorten in Hamburg betreibt. Jetzt gibt es in Winterhude statt sanfter Bräune Rachen- und Nasenabstriche für unterschiedliche Corona-Tests.

Seit Anfang November sind die vier Studios in Winterhude, Barmbek, Poppenbüttel und Allermöhe geschlossen. Zum zweiten Mal in diesem Jahr. An der Gertigstraße stehen 16 Kabinen leer, in denen sich normalerweise körperbewusste Kunden in futuristischen Maschinen unter Regenbogenfarben bräunen, das Bindegewebe durch Lymphmassagen straffen lassen oder mit speziellen Spektralbereichen des Lichts etwas für ihr Hautbild tun wollen.

Inzwischen summiert sich die Zeit des Corona-Stillstands auf fast 17 Wochen — und ein Ende ist nach der Verlängerung des Lockdowns erst mal nicht in Sicht. Für die Unternehmer-Brüder, die 1999 ihr erstes Sonnenstudio eröffnet haben, eine wirtschaftliche Katastrophe.

Smartsun rechnet mit rund 40 Prozent weniger Umsatz

Normalerweise macht die Kette etwa 1,8 Millionen Euro Jahresumsatz. „Für 2020 rechnen wir mit einem Minus von 40 Prozent“, sagt Stefan Kraul. Unter anderem hat Smartsun die Mitgliedsbeiträge im November und Dezember ausgesetzt. Die 50 Mitarbeiter haben sie wieder in Kurzarbeit geschickt, aktuell laufen neue Verhandlungen mit den Vermietern. Trotzdem bleiben hohe Fixkosten etwa für Betriebskosten, Versicherungen und Leasingraten. Auch die Löhne müssen erst mal vorgestreckt werden – 25.000 Euro im Monat. Die Rückerstattung kommt erst vier Wochen später.

Corona: Diese Testverfahren gibt es

  • PCR-Test: Weist das Virus direkt nach, muss im Labor bearbeitet werden – hat die höchste Genauigkeit aller Testmethoden, ist aber auch die aufwendigste
  • PCR-Schnelltest: Vereinfachtes Verfahren, das ohne Labor auskommt – gilt als weniger zuverlässig als das Laborverfahren
  • Antigen-Test: weniger genau als PCR-(Schnell)Tests, dafür zumeist schneller und günstiger. Laut RKI muss ein positives Testergebnis durch einen PCR-Test überprüft werden, ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn die Viruskonzentration noch gering ist.
  • Antigen-Selbsttest: Die einfachste Test-Variante zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus. Wird nicht von geschultem Personal, sondern vom Getesteten selbst angewandt. Gilt als vergleichsweise ungenau.
  • Antikörper-Test: Weist keine akute, sondern eine überstandene Infektion nach – kann erst mehrere Wochen nach einer Erkrankung sinnvoll angewandt werden
  • Insgesamt stellt ein negatives Testergebnis immer eine Momentaufnahme dar und trifft keine Aussagen über die Zukunft

Inzwischen sind Rücklagen und Eigenmittel fast aufgebraucht. „Das größte Problem ist, dass die versprochenen Hilfsgelder immer noch nicht ausgezahlt wurden. Das ist Psychoterror“, beschreibt der 50-Jährige das Gefühl der Ohnmacht, zusehen zu müssen, wie seine Firma immer tiefer in eine schwere Krise gerät. „Unverschuldet“, sagt Kraul. „Ich habe echte Existenzängste.“ 

 Viele Anlagen in Deutschland stehen massiv unter Druck

Das Unternehmerduo ist kein Einzelfall. In der Branche mit einem Jahresumsatz von 762 Millionen Euro stehen viele der 3334 Anlagen in Deutschland massiv unter Druck. „Es ist zu befürchten, dass es im Laufe des Jahres 2021 Insolvenzen geben wird“, sagt der Sprecher des Bundesfachverbands für Besonnung, Holger Ziegert. In Hamburg gibt es nach einer aktuellen Studie 66 Studios. Damit rangiert die Hansestadt mit 3,6 Anlagen pro 100.000 Einwohner im Vergleich der Bundesländer im Mittelfeld. Spitzenreiter ist Hessen mit sechs Anlagen pro 100.000 Einwohner.

Dort, in Berlin und in einigen sächsischen Städten unterliegen die Sonnenstudios anders als im Rest der Republik nicht dem Corona-Lockdown. „Grundsätzlich tragen wir die Beschlüsse und Einschränkungen zum Infektionsschutz“, so Ziegert. „Aber wir wünschen uns eine andere Kategorisierung.“ Im Moment gehören Sonnenstudios in der Regel zur gleichen Gruppe wie Saunen und Schwimmbäder. „Dabei haben wir mitnichten die gleichen Infektionsrisiken, weil bei uns nach jedem Besuch desinfiziert wird“, so der Verbandssprecher.

Auch die Krauls kritisieren, dass sie wie Saunen und Schwimmbäder behandelt werden. „In den vergangenen Jahren ist sehr viel in Sachen Sicherheit und Hygiene passiert“, sagt Stefan Kraul. Zudem habe auch Smartsun ein spezielles Corona-Hygiene-Konzept entwickelt. Trotzdem befürchtet er, dass die Sonnenstudios wie schon nach Frühjahrs-Lockdown zu den letzten gehören, die wieder aufmachen dürfen.

 Eine behördliche Genehmigung ist nicht nötig

Auch deshalb hat er Mitte Dezember, als sich der Nachfrage-Run auf Corona-Tests vor Weihnachten und Silvester abzeichnete, mit Geschäftspartner Streten Stamenkovic die Idee für einen temporären Wechsel des Geschäftsmodells entwickelt. „Wir haben den steigenden Bedarf gesehen“, so der gelernte Kaufmann. „Unsere Studios mit Kabinen, Empfangsbereich und den hygienischen Grundvoraussetzungen eignen sich perfekt dafür, es in der aktuellen Pandemie in ein Testzentrum umzufunktionieren.“ Für die fachliche Beratung holten sie Dr. Joel Lüthy an Bord, im Hauptberuf Arzt in einem Hamburger Krankenhaus.

Kraul und Stamenkovic gründeten die Medi Service GbR, beantragten einen Gewerbeschein, ließen eine Homepage erstellen und bestellten Plakate und das neue Firmenschild. Gerade mal zwei Wochen später, am 28. Dezember, startete Covid19 Schnelltest-Hamburg. Eine behördliche Genehmigung ist nicht nötig. Allerdings, so der Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, Martin Helfrich, gelten Auflagen. So müssen die verwendeten Schnelltests vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassen sein, durchgeführt werden dürfen sie nur von geschultem Personal. Positive Testergebnisse sind meldepflichtig. „Das erfüllen wir“, sagt Kraul.

Umwandlung eines zweiten Standortes wird erwogen

20 Mitarbeiter managen den Betrieb montags bis sonnabends von 10 bis 20 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr. „Alle Tester sind von unserem fachlichen Berater Dr. Lüthy geschult worden“, sagt Stefan Kraul. Neben der Durchführung der Tests geht es auch um Hygieneschutzmaßnahmen und den richtigen Umgang mit der persönlichen Schutzkleidung. Im Team sind auch fünf Smartsun-Beschäftigte, die eine medizinische Ausbildung haben und aus der Kurzarbeit zurückgeholt werden konnten. Dazu kommen medizinische Fachangestellte und Medizinstudenten sowie Mitarbeiter für den Empfang, die Datenerfassung, Rechnungen und die Abwicklung mit dem Labor managen.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

An diesem Januarmorgen ist David Kühl einer der ersten Kunden. Kurz nach zehn Uhr stand er vor der Tür des neuen Corona-Testzentrums, um einen Schnelltest zu machen. „Ich will meinen Vater besuchen, dem es nicht gut geht“, sagt der 34-Jährige. Nach wenigen Minuten Wartezeit kam er dran. Alles habe gut geklappt. „Ich habe mich sicher gefühlt.“ Für die Abstriche in Nase und Rachen war er von Tester Nikolai Turan, einem Medizinstudenten im neunten Semester, in eine der Kabinen geführt worden, hatte dann etwa 10 Minuten auf das Test­ergebnis gewartet.

In der Kabine hängt ein Merkblatt mit genauen Angaben zu dem vom Bundesinstitut gelisteten Schnelltest, das Lüthy erstellt hat. Demnach werden 96,17 Prozent der Erkrankten (Sensitivität) und 99,9 Prozent der Gesunden (Spezifität) richtig erkannt. Insgesamt dauert das Ganze etwa 20 Minuten. Dann hält Kühl das schriftliche Attest mit dem negativen Testergebnis in der Hand - und kann aufatmen, auch wenn es nur eine Momentaufnahme ist.

So viel kosten Corona-Schnelltests in Hamburg

„99 Prozent der Tests bei uns sind negativ“, sagt Stefan Kraul. Aber es gab auch einige positive Fälle, die dem Gesundheitsamt gemeldet wurden. Angeboten werden ein Antigen-Schnelltest für 49 Euro, ein PCR-Test für 129 Euro in Zusammenarbeit mit einem Labor und Auswertung innerhalb von maximal 24 Stunden sowie für 59 Euro ein Antikörper-Test, der eine überstandene Infektion bestätigen kann. „Wir richten uns nach der Kundennachfrage“, sagt der Unternehmer. Dabei haben die Brüder schon einmal die Preise erhöht. Den PCR-Test hatten sie zunächst für 99 Euro angeboten, jetzt kostet er 129 Euro. „Das hätte sich angesichts der hohen Beschaffungskosten sonst nicht gelohnt.“

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Aktuell gibt es in Hamburg ein gutes halbes Dutzend private Anbieter für Schnelltests, deren Preise zwischen 29 und 79 Euro variieren. Vor Weihnachten und Silvester, als viele sich für Feiern und Besuche testen lassen wollten, war der Andrang hoch. Teilweise bildeten sich Warteschlangen. Inzwischen hat die Nachfrage nachgelassen. In der neuen Teststation in der Gertigstraße lassen sich im Schnitt 20 bis 40 Kunden am Tag testen — bei Kapazitäten von bis zu 300. „Wir sind in der Anfangsphase“, macht Stefan Kraul sich Mut.

Die Rettung für das Unternehmen ist das noch nicht, aber die Sonnenstudio-Betreiber sehen Potenzial für eine Steigerung der Testwilligen in den nächsten Monaten. „Wir machen das so lange, wie die Sonnenstudios geschlossen sind“, sagt Stefan Kraul. Dabei rechnet er noch mit einer längeren Durststrecke. „Ich glaube nicht, dass wir den normalen Geschäftsbetrieb vor Ende Februar wieder aufnehmen können.“ Inzwischen gibt es auch Überlegungen, im Smartsun-Studio in Barmbek ein Testzentrum einzurichten.