Hamburg. Im Ursprungsland des Coronavirus legen die Geschäfte bei Steinway, Eppendorf, Beiersdorf und Hapag-Lloyd zu. So profitiert Hamburg.
Als die Corona-Krise Anfang des Jahres China mit voller Wucht traf, dürfte mancher Hamburger Geschäftsmann sich große Sorgen gemacht haben. Schließlich unterhalten mehr als 700 Firmen aus der Hansestadt mit der Volksrepublik Handelsbeziehungen , rund 150 von ihnen haben dort Niederlassungen. Doch in den vergangenen Wochen mehrten sich die positiven Nachrichten aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Während in Europa die Volkswirtschaften einen Einbruch erleben, wird das Reich der Mitte wohl als einzige große Ökonomie in diesem Jahr schon wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. Wichtige Indikatoren wie Bruttoinlandsprodukt, Ex- und Importe zeigen nach oben, die Stimmung in den dortigen Chefetagen ist so gut wie seit fast zehn Jahren nicht – kommt das auch bei den Handelspartnern an Elbe und Alster an? Das Abendblatt machte eine Umfrage unter großen und bekannten Hamburger Unternehmen. Und bei den meisten Firmen läuft es in China schon wieder rund.
Steinway & Sons hat in China eine Vertriebsniederlassung
Etwa jedes dritte in Bahrenfeld hergestellte Piano wird nach China verkauft. Das Land gehört nach den USA zu den wichtigsten Ländern des traditionsreichen Klavier- und Flügelbauers. Seit 16 Jahren gibt es dort eine eigene Vertriebsniederlassung. Inklusive der sechs eigenen Läden stehen bei Steinway rund 100 Menschen in China in Lohn und Brot.
Nach einem sehr guten Start ins Jahr 2020 sei das Geschäft durch den radikalen Lockdown fast zum Erliegen gekommen, sagte Sprecherin Sabine Höpermann: „Seit Sommer jedoch erholen sich der Markt und auch unser Umsatz in China kräftig.“ Für das Gesamtjahr erscheine damit im Vergleich zum Vorjahr sogar noch ein Wachstum erreichbar.
Leben und Arbeiten dort sei für die Mitarbeiter fast wieder normal möglich. Die Schutzmaßnahmen seien hoch, die Corona-Fallzahlen sehr gering. Dank der Verbreitung westlicher Musik, Stars wie Lang Lang oder Yuja Wang und dem hohen Ansehen von Handwerkskunst „made in Germany/Hamburg“ wurden die Umsätze in der Vergangenheit kontinuierlich gesteigert. Das soll in der Zukunft fortgeführt werden. Die Entwicklung in China sei eine wichtige Stütze für das Unternehmen, sagt Höpermann, auch wenn parallel in viele weitere Märkte investiert werde.
Eppendorf AG hat 300 Mitarbeiter in China
Der Laborbedarfshersteller beschäftigt rund 300 Mitarbeiter in China, den Großteil in der Vertriebsniederlassung in Shanghai. Der Lockdown in den ersten Monaten brachte erhebliche Umsatzeinbußen. „In den vergangenen zwei Quartalen hat sich das Geschäft jedoch sehr gut erholt, sodass aktuell sogar ein Umsatzplus im mittleren einstelligen Prozentbereich gegenüber dem äußerst guten Vorjahr zu verzeichnen ist“, sagte Unternehmenssprecher Ralph Esper.
Eppendorf verkauft im Reich der Mitte Produkte und Verbrauchsartikel unter anderem für Corona-Tests sowie für die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten. Vieles davon stammt übrigens aus der Produktion in Hamburg und Oldenburg in Holstein. China sei ein bedeutender Wachstumsmarkt mit starken Zuwachsraten. Zum Gesamtumsatz der Eppendorf-Gruppe trägt er rund 15 Prozent bei und leiste daher „auch in dieser herausfordernden Zeit einen substanziellen Beitrag für das gute Gesamtergebnis, das die Eppendorf-Gruppe in diesem Jahr anstrebt“, sagte Esper.
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Hapag-Lloyd: Starke Nachfrage nach Containertransporten
Etwa ein Viertel des Geschäfts der Containerreederei hat einen Bezug zu China. Dort kümmern sich rund 800 Mitarbeiter in 16 Büros (und zumeist nicht mehr im Homeoffice) um die Bedürfnisse der Kunden. Auf ein gutes erstes Quartal in das Fahrtgebiet Transpazifik folgte im zweiten ein Einbruch beim Transportvolumen um 15 Prozent auf 418.000 Container im Vergleich zum Vorjahresquartal. Zuletzt habe es insbesondere bei den Exporten aus Asien wieder eine starke Nachfrage nach Containertransporten in China (und in anderen asiatischen Ländern) gegeben, sagte Firmensprecher Tim Seifert.
Im dritten Quartal waren es immerhin schon wieder 478.000 Boxen. „Das hat positiv zu unserer Geschäftsentwicklung beigetragen“, sagte Seifert, auch wenn es noch weniger war als im Vorjahresquartal. Wesentlicher Treiber der Entwicklung waren Konsumgüter. So seien in den USA und Europa Möbel-, Küchen- und Badartikel, Sportbekleidung sowie Spielwaren und Haushaltsgeräte sehr gefragt. Dank der positiven Marktentwicklung und anderer Maßnahmen konnte im Oktober die Ergebnisprognose für das Gesamtjahr erhöht werden.
Beiersdorf: Cina einer der Hauptmärkte für Luxusmarke La Prairie
Der Beiersdorf-Konzern beschäftigt in China rund 670 Mitarbeiter im Bereich Consumer. Sie sind in der Verwaltung, in der Forschung und Entwicklung sowie im Werk in Shanghai tätig. Im Juni eröffnete dort ein neues Innovationszentrum für Hautpflege mit 100 Beschäftigten. Mit Beginn der Krise habe es „wesentliche Umsatzrückgänge“ gegeben, sagte Sprecherin Anke Schmidt: „Im Laufe des Jahres konnten wir jedoch in einigen Bereichen eine starke Erholung erkennen.“
So lägen im dritten Quartal die Umsätze pro Laden für die Luxusmarke La Prairie, für die China einer der Hauptmärkte ist, höher als im Vorjahresquartal. Die Erholung habe sich im dritten Quartal fortgesetzt und sei ein Indiz für die langfristig steigende Nachfrage nach Luxus-Kosmetikprodukten.
Tesa hat in China rund 700 Mitarbeiter
Auch die Beiersdorf-Tochter ist in China sehr aktiv. Rund 700 Mitarbeiter sind für Tesa dort in der Verwaltung, Forschung und Entwicklung und im Werk in Suzhou tätig. Zum Jahresanfang mussten die Klebstoffspezialisten starke Umsatzeinbußen hinnehmen. Im dritten Quartal meldete Tesa aber ein mittleres einstelliges positives organisches Wachstum gegenüber dem Vorjahreszeitraum. China sei dabei einer der Haupttreiber, so Schmidt. Dies liege zum einen am Wiederanspringen des nationalen und weltweit größten Automobilmarktes, zum anderen an der starken Erholung im Elektronikbereich, bei dem sich der internationale Trend zur verstärkten Nutzung des Homeoffices bemerkbar mache. In einem Mobiltelefon könnten beispielsweise rund 70 Tesa-Tapes mit verschiedenen Zusatzfunktionen verbaut sein.
Für den Beiersdorf-Konzern gelte, dass man als weltweit tätiges Unternehmen nicht von einem singulären Markt abhängig sei, sagte Schmidt und ergänzt: „Die Region Asien inklusive China ist für beide Beiersdorf-Geschäftsbereiche eine wichtige strategische Säule, von der wir auch zukünftig Wachstumsimpulse erwarten.“
Lufthansa Technik Asien-Pazifik gilt als Wachstumsregion
Weltweit leidet die Branche unter dem massiven Einbruch der Passagierzahlen. Weil weniger geflogen wird, müssen die Flugzeuge auch seltener gewartet, repariert und überholt werden – das ist schlecht für den Weltmarktführer. In China ist die Lage aber deutlich besser. „Die Einlastung kommt mittlerweile fast wieder an ein Vor-Corona-Niveau heran“, sagte Unternehmenssprecher Jens Krüger. Am Hauptstandort in Shenzhen sind rund 650 Mitarbeiter beschäftigt. Allerdings gibt es im Geschäft mit den nichtchinesischen Kunden noch starke Einbußen.
Die Region Asien-Pazifik gilt als Wachstumsregion, China als größter Einzelmarkt sei attraktiv und von sehr hoher wirtschaftlicher Bedeutung für den Flugzeugdienstleister. Zwar spiele das Land nur einen kleinen Teil der Erlöse des gesamten Unternehmens ein, aber es sei eine wichtige Stütze für Lufthansa Technik. Zumal die Entwicklung einen wichtigen positiven psychologischen Effekt habe, so Krüger: „Denn in den allermeisten Bereichen unserer Geschäftsaktivitäten sind wir von einem ,zurück zur Normalität‘ weit entfernt und ein solcher ,Leuchtturm‘ hilft natürlich, mental besser durch die Krise zu kommen.“
Airbus: Tianjin ist der vierte Airbus-Endmontageort
Ende Oktober gab es einen der derzeit seltenen Gründe zum Feiern in der Luftfahrt. Der Flugzeugbauer lieferte in seinem Werk in Tianjin die 500. dort endmontierte Maschine an die Fluglinie China Southern aus. Tianjin ist neben Hamburg, Toulouse und Mobile (USA) der vierte Airbus-Endmontageort. Für die A320-Familie wurde die Fertigungsrate wegen der Corona-Krise von 60 auf 40 Maschinen pro Monat gesenkt. Mehr als die Hälfte davon kommen aus Finkenwerder, wo auch die Bausätze für China gepackt und verschifft werden.
Vor der Krise dürften es eine Handvoll Maschinen pro Monat aus Tianjin gewesen sein. Die Reduzierung der Raten werde einigermaßen proportional auf die Standorte heruntergebrochen, sagte Airbus-Topmanager Michael Schöllhorn vor Kurzem dem „Handelsblatt“. Auch in China trete man momentan kürzer. Aber er ergänzte: „Wir haben über eine Ausweitung der Kapazitäten in China nachgedacht. Das ergibt Sinn, wenn man genügend Aufträge bekommt und wenn wir die Krise irgendwann hinter uns haben.“ Immerhin: In China, wo Airbus rund 2000 Beschäftigte zählt, befindet sich der Inlandsflugverkehr schon fast wieder auf Vorkrisenniveau.
Otto Group: Produktion in China ohne Einschränkungen
630 Mitarbeiter managen in Festland-China und der Sonderverwaltungszone Hongkong Einkaufs- und Qualitätssicherungsaufgaben für Töchter der Otto Group und externe Auftraggeber. In allen für den Konzern fertigenden Fabriken laufe die Produktion ohne Einschränkungen, allerdings mit unterschiedlichen Auslastungen und Kapazitäten, sagte Sprecher Martin Zander: „Wir gehen davon aus, dass das kommende Weihnachtsgeschäft von der Beschaffungs- und Logistikseite her reibungslos verlaufen wird.“ Die Kunden in Europa dürften also von Corona in China kaum noch etwas spüren.
Außenhandelsbeauftragter: China für die Händler ein Lichtblick
Die Ergebnisse der Abendblatt-Umfrage decken sich auch mit Erkenntnissen der Handelskammer. Es laufe für die Hamburger Firmen schon wieder rund, sagte der Außenhandelsbeauftragte Robert Lorenz-Meyer. „China wird von den Händlern eindeutig als Lichtblick eingestuft. Viele Unternehmen gehen davon aus, dass dieses Jahr besser als das Vorjahr wird.“ Der Handel habe sich sehr schnell erholt, weil nach dem Lockdown dort auch ein gewisser Nachholbedarf besteht. Fehlende Teile in Lieferketten mussten nachgeordert werden.
„Die Chinesen bauen auch eigene Kapazitäten auf“, sagt Lorenz-Meyer, sodass beispielsweise die Produkte deutscher Maschinenbauer gefragt seien. Beim Aufstellen der Maschinen gibt es allerdings noch Probleme – wegen der verschärften Einreisebestimmungen, auf die auch mehrere der befragten Unternehmen wie Beiersdorf, Steinway und Otto hinwiesen. Beispielsweise gibt es eine 14-tägige Quarantäne-Pflicht. Und es müssen zwei Corona-Tests auf der Basis unterschiedlicher Methoden negativ sein. Lorenz-Meyer: „Das macht es sehr, sehr kompliziert, Personal nach China zu bringen.“