Berlin. Das große Börsenbeben ist ausgeblieben. Stattdessen zogen die Kurse nach dem Wahltag in den USA an. Auf wen die Anleger jetzt setzen.
Nichts hassen Börsen mehr als Unsicherheit. Diese Binsenweisheit der Finanzwelt galt am Mittwoch nur kurz. Eineinhalb Stunden nach der außergewöhnlichen Rede, in der US-Präsident Donald Trump sich zum Sieger ausrief und ankündigte, eine weitere Auszählung der Stimmen vom Obersten Gerichtshof stoppen lassen zu wollen, öffneten die europäischen Börsen – tief im Minus.
Der Deutsche Aktienindex (Dax), der vorbörslich bei 12.165 Punkten notierte, sackte auf 11.848 Punkte ab. Auch das Leitbarometer der Eurozone, der EuroStoxx 50, fiel um 0,9 Prozent.
Doch die Sorge, dass der starke Aufwärtstrend der vergangenen Tage damit gestoppt ist und es nun wieder in Richtung der Tiefpunkte der vergangenen Woche geht, als der Dax unter die 11.500-Punkte-Marke gefallen war, schwand schnell.
Börse: Kurse klettern trotz unsicherem Wahlausgang
Stattdessen drehten sich die Kurse, bereits zur Mittagszeit waren sie wieder im Plus. Der Dax verteidigte seinen fast zweiprozentigen Zuwachs. Und auch der Dow Jones kletterte zum Handelsstart, gewann über zwei Prozent.
„Der ganz große Knall ist ausgeblieben“, sagte Börsenanalyst Timo Emden von Emden Research unserer Redaktion. „Das liegt auch daran, dass es gar nicht so wichtig ist, wer Präsident wird. Beide Präsidenten sind für den Markt nicht verkehrt“, so Emden.
Zuletzt hatten die Börsen sich mit Joe Biden arrangiert
Klassischerweise profitieren die Börsen von Wahlsiegen der Republikaner – stehen republikanische Präsidenten doch in der Regel für geringe Unternehmenssteuern. Doch zuletzt hatte sich das Blatt gewendet.
Trumps Missmanagement bei der Corona-Pandemie und der seit seiner Amtszeit schwelende und immer wieder aufflammende Handelskrieg mit China hatten auch den Finanzmärkten zugesetzt. Hier setzten viele Anleger Hoffnungen in die ruhigere Hand von Joe Biden. Zumal der demokratische Herausforderer ein großes Konjunkturpaket versprochen hat, bei dem er Klimaschutz und wirtschaftlichen Aufschwung kombinieren wollte.
Tech-Werte stark im Plus
Doch mit Trumps Aufholjagd wendete sich auch das Geschehen auf dem Parkett. Als Trumps Sieg in Florida verkündet wurde, schnellten die Aktienkurse der großen US-Tech-Unternehmen nach oben.
Zwar sind die meisten digitalen Schwergewichte im demokratisch geprägten Kalifornien ansässig, profitieren würden sie aber vor allem von einem Wahlsieg Trumps. Denn Joe Biden will nicht nur die Auslandsgewinne stärker besteuern – die Demokraten setzen sich auch maßgeblich für die Zerschlagung großer Plattformen wie Amazon, Apple, Facebook oder Google ein, um einen fairen Wettbewerb herzustellen.
Aber nicht nur die Tech-Riesen würden von einem Trump-Sieg profitieren. Auch die Ölpreise zogen am Mittwoch an, ebenso die Aktien der US-Rüstungskonzerne wie etwa Lockheed Martin, die fast neun Prozent zulegen konnten.
Solar- und Cannabisaktien tief im Minus
Mögliche Biden-Profiteure steckten dagegen tief in den roten Zahlen. Das Photovoltaik-Unternehmen First Solar rutschte über acht Prozent ins Minus. Auch die Cannabis-Branche hatte auf einen Wahlsieg Bidens gehofft, gilt dessen Vizekandidatin Kamala Harris doch als Befürworterin einer möglichen Legalisierung. Markt-Primus Canopy Growth verlor über acht Prozent.
„Bullen und Bären geben sich die Klinge in die Hand, es ist eine Pattsituation“, sagt Analyst Emden. Mit der unklaren Lage sei die Situation eingetreten, die alle befürchtet hätten. Aber: „Was Trump sagt und was die Märkte glauben, sind zwei Paar Schuhe. Aktuell signalisieren die Marktdaten, dass Anleger nicht damit rechnen, dass Trump seine Ankündigung wahr macht und vor den Supreme Court zieht“, schätzt Emden. Sollte Trump seinen Worten aber Taten folgen lassen, so könnte es auch an den Börsen „sehr schnell zu Verwerfungen kommen“, warnt Emden.
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