Hamburg. Fernbus-Anbieter werden laut einer Studie auch nach der Pandemie mit Problemen zu kämpfen haben – ebenso wie der Fahrdienst Moia.

Mit 58 Jahren ist der Hamburger Helge M. älter als der Durchschnitt der Fernbus-Nutzer. Er hat aber, wie er sagt, „bisher immer gute Erfahrungen mit Flixbus gemacht“, und er hat besonders die „bequeme Verbindung an die Ostseeküste“ genossen. Vor wenigen Wochen aber musste er eine herbe Enttäuschung erleben: Die rechtzeitig zuvor gebuchte Rückfahrt aus Grömitz wurde storniert, die Linie 350 über Scharbeutz und Timmendorfer Strand nach Hamburg aus dem Programm gestrichen. Besonderes Pech für den Hamburger: Auch die ersatzweise gebuchte Bahnfahrt wurde später storniert.

Zwar hat Flixbus bereits Ende Mai nach zweimonatigem Stillstand, erzwungen durch die Corona-Pandemie, den Betrieb wieder aufgenommen. Doch schon zu Jahresbeginn, noch vor dem Ausbruch der Krise, kündigte André Schwämmlein, Mitgründer des Fernbus-Unternehmens und Chef der Muttergesellschaft FlixMobility, eine Ausdünnung des Streckennetzes vor allem im ländlichen Raum an. Man verliere Fahrgäste, nach jahrelangem Wachstum stehe das Geschäft ex­trem unter Druck.

Flixbus will Geschäft auf die Schiene verlagern

Als Grund dafür gab Schwämmlein an: „Wir gehen davon aus, dass wir uns mit dem Busgeschäft gegen die massive Subventionierung der Deutschen Bahn sehr schwer tun werden.“ So war für Bahnfahrten ab 50 Kilometer ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz eingeführt worden, nicht aber für Bustickets.

„Unser Geschäft in Deutschland wird sich definitiv in Richtung Schiene verschieben“, hatte Schwämmlein zu Jahresbeginn gesagt. Schon 2019 ging das Wachstum in Deutschland von rund drei Prozent auf etwa 22 Millionen Fahrgäste allein auf die auch von Hamburg aus eingesetzten Flixtrain-Fernzüge zurück, bei den Bussen hingegen musste man ein Minus hinnehmen.

Zur aktuellen Auslastung der Busse will sich das Unternehmen nicht äußern. Dass zuletzt einige Strecken wieder gestrichen wurden, räumt Flixbus-Sprecherin Franziska Schleicher aber indirekt ein: „Im Herbst haben wir natürlich nicht die gleiche Nachfrage wie während der Sommerferien“. Langfristig wolle man das „Mobilitätsnetzwerk wieder umfassend betreiben“.

Ob das gelingt, ist angesichts der Ergebnisse einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Pricewater­houseCoopers (PwC) allerdings fraglich. In einer repräsentativen Umfrage sagten 44 Prozent der Teilnehmer, sie wollten auch nach der Covid-19-Pandemie weniger in den Urlaub fahren. Sogar 61 Prozent der Befragten wollen auf längere Sicht die Geschäftsreisen reduzieren.

Corona-Pandemie stürzt Fahrdienste in die Krise

Den Unterschied zwischen diesen Werten erklärt Peter Kauschke, Director Transport, Logistik, Mobilität bei PwC Deutschland: „Bei den Dienstreisen sehen wir auch einen strukturellen Effekt, der schon vor dem Beginn der Corona-Pandemie zu wirken begann: Immer mehr Unternehmen setzen sich das Ziel, in einigen Jahren CO2-neutral zu sein.“ Schon daher würden viele Geschäftsreisen durch Videokonferenzen ersetzt.

„Für die Mobilitätsanbieter ist dies die größte Krise, an die ich mich erinnern kann“, sagt Kauschke dem Abendblatt. Der PwC-Studie zufolge ist auch eine Verschiebung zwischen den Verkehrsmitteln zu erwarten. „Die Devise lautet ganz allgemein: Mehr ‘i‘, weniger ‘ö‘“, so Kauschke. Das bedeutet: „Die individuelle Mobilität, also etwa Fahrten mit dem eigenen Auto, profitiert gegenüber dem öffentlichen Personenverkehr und gegenüber Sharing-Angeboten.“ Gerade jüngere Menschen könnten sich derzeit häufiger vorstellen, künftig mit dem Auto in den Urlaub zu fahren.

Fernbusse böten zwar die günstigste Art des Reisens. „Aber dafür verbringen die Gäste auch mehr Zeit auf engem Raum im Bus als in einem Zug oder im Flugzeug“, so Kauschke. „Gleichzeitig ist bei Fernbusanbietern die Wirtschaftlichkeit an die hohe Auslastung gebunden. Es fällt daher schwer, die Auslastung durch blockierte Sitze bewusst zu verringern.“ Tatsächlich hatte Flixbus-Chef Schwämmlein gesagt, man werde keine Sitzplätze sperren: „Das ist wirtschaftlich nicht darstellbar.“

Corona-Krise auch bei Sammeltaxi-Dienst Moia zu spüren

Beim wesentlich kleinen Konkurrenten BlaBlaBus sah man das anders und kündigte Ende Mai an, zunächst solle höchstens jeder zweite Sitzplatz besetzt werden. BlaBlaBus hat von Hamburg aus allerdings nur wenige Ziele, darunter Berlin und München, im Programm. Flixbus ist in Deutschland mit einem Marktanteil von 95 Prozent klar die Nummer eins, nachdem die Münchner in den zurückliegenden Jahren praktisch alle anderen bedeutenden Wettbewerber übernommen oder verdrängt haben.

Doch nicht nur Fernbusunternehmen werden nach Einschätzung der PwC-Experten unter dem nachhaltig veränderten Nutzerverhalten leiden. „Geschäftsmodelle für geteilte Mobilität werden es besonders schwer haben“, sagt Kauschke. So rangiert etwa der Sammeltaxi-Dienst Moia in der Liste der Verkehrsmittel, die die Befragten nach Ende der Corona-Beschränkungen nutzen wollen, noch hinter den Fernbussen.

Seit Ende der Zwangspause Ende Mai hat Moia die Zahl der Elektrokleinbusse, die in Hamburg unterwegs sind, schrittweise von 140 im Juni auf zuletzt 240 hochgefahren; Anfang März waren noch 330 Fahrzeuge aktiv. „Bei den Fahrgastzahlen geht es langsam wieder aufwärts“, sagt eine Moia-Sprecherin.

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Für die jungen Unternehmen der Mobilitätsbranche ist die Corona-Pandemie schon deshalb ein so schwerer Schock, weil sie gerade noch zu den umjubelten Stars der Gründerszene zählten. So erhielt FlixMobility im vorigen Jahr rund 500 Millionen Euro von Investoren – das war die größte je an ein deutsches Start-up geflossene Summe.

Doch die private Beteiligungsgesellschaft der FlixMobility-Chefs setzt jetzt auf ein ganz anderes Geschäftsmodell: Sie investierte in den Campingmobil-Vermieter FreewayCamper. Der wirbt mit dem Argument, bei dieser Form des Reisens könne man die Mindestabstände gut einhalten: „In einem Camper kannst du der Masse entgehen, denn er bietet dir deine Wohnung auf vier Rädern.“