Hamburg. 200 Mitarbeiter des Traditions-Warenhauses gehen in eine unsichere berufliche Zukunft. Am Ende fließen Tränen.
Um 10 Uhr öffnet Galeria Kaufhof in der Mönckebergstraße seine Türen. Pünktlich wie fast immer in den vergangenen 53 Jahren. Etwa 50 wartende Kunden strömen in das Warenhaus – auch das ist Normalität. Doch, was dann folgt, ist anders. Denn an diesem Mittwoch öffnet das Haus zum letzten Mal. Dass das bekannte Warenhaus schließen muss, wissen alle Kunden, die vor Ort sind. Sie sind gekommen, um ein paar Schnäppchen zu ergattern, oder einfach Abschied zu nehmen von dem einst so stolzen Warenhaus, das als Tor zur einer der wichtigsten Einkaufstraßen der Stadt bezeichnet werden kann.
Eigentlich sollte erst am Sonnabend Schluss sein, aber der Ausverkauf ging schneller als geplant zu Ende. Ein paar Jeans, Größe 26 für sieben Euro, ein Ständer mit Bikinis und Osterdeko. Das ist alles was nach 53 Jahren übrig bleibt. So drängen sich die Kunden um die wenigen Restposten, die noch da sind.
Kaufhof Mönckebergstraße: Ware stammt fast nur noch von Vermarktungsfirma
„Viel ist es ja nicht“, sagt eine Frau, die mit einem Einkaufsbeutel und skeptischem Blick durch den Verkaufsraum schlendert. Die meisten Produkte waren bereits in den vergangenen Wochen mit bis zu 90 Prozent Nachlass an die Kunden abgegeben worden. So sind von den einst 14.000 Quadratmetern Verkaufsfläche noch etwa 50 Quadratmeter übrig geblieben, auf denen die Verkäufer die Reste zusammengetragen haben. In den anderen Bereichen des Geschäfts werden bereits die Regale abgebaut.
„Die meiste Ware stammt gar nicht mehr von uns, sondern von der Vermarktungsfirma, die für den Schlussverkauf ins Haus geholt wurde“, erklärt die Betriebsratsvorsitzende Ines Reinhard. Sie hat in den vergangenen Wochen für den Erhalt ihres Hauses gekämpft und am Ende doch verloren. „Ich wechsele jetzt in die Transfergesellschaft wie die meisten meiner Kollegen.“
„Mit uns stirbt ein Stück Einzelhandel“
Am 19. Juni hatte die Konzernzentrale von Galeria Karstadt Kaufhof in Essen die Liste der 62 Filialen bekanntgegeben, die geschlossen werden müssen. Auch fünf Hamburger Häuser standen darauf. Nach zähen Verhandlungen wurde die Liste aber reduziert. In Hamburg blieb es für Karstadt Sports und Galeria Kaufhof an der Mö sowie die Karstadt-Filiale in Bergedorf beim Aus. Sie muss Ende Januar schließen.
Es ist die Stunde der Schnäppchenjäger. „Mal sehen, was noch geht“, sagt eine Frau die neugierig durch die Seitenscheibe schaut. Zwei Kreuze hängen dort. Man sieht Protestschilder. „Mit uns stirbt ein Stück Einzelhandel“ oder „Wir werden unsere Kunden vermissen“ steht darauf. Der Konzernbetriebsrat hat sie an das Fenster gehängt. „In diesen Tagen werden die Belegschaften der Galeria-Filialen, bei denen es weiter geht, mit ganzem Herzen bei den Kollegen dieser Filiale sein“, liest man auf einem Plakat.
Mitarbeiter mit Tränen in den Augen
Zwei ältere Damen kommen durch die Tür, Helga Schult und Ursula Hermann aus Wilhelmsburg. „Wir gehörten zu den ersten Kunden, die 1967 bei der Eröffnung dabei waren – und wir sind heute bei der Schließung die letzten“, sagt Schult. Vor allem Kleidung und Taschen hätten sie immer bei Kaufhof gekauft, erzählt Hermann. „Die hatten so wunderbare Blusen.“ Jetzt heißt es für sie Abschied nehmen.
Etwas abseits steht Verkäuferin Veronique Holthaus mit Tränen in den Augen. „Das hat was von Leichenfledderei“, sagt sie zu dem Gewusel an den Wühltischen. Sie hatte 1999 bei Kaufhof ihre Lehre begonnen. „Und ich hatte gedacht, hier bis zur Rente zu arbeiten.“ Auch sie wechselt jetzt in die Transfergesellschaft. „Ich hoffe auf eine gute Qualifizierung, weil ich im Einzelhandel wohl nicht mehr arbeiten werde.“
Stau ab den Kassen
Obgleich die Verkaufsfläche auf ein Minimum geschrumpft ist, sind alle rund 200 Mitarbeiter gekommen. „Wir sind bis Ende Oktober angestellt“, sagt Betriebsrätin Reinhard. „Morgen fangen wir an, abzubauen und auszufegen.“
An der Kasse staut es sich. Ein Mitarbeiter achtet auf die Einhaltung der Abstände. Künstliches Ostergras liegt herum. Zwei Päckchen Batterien stehen in einem Regal, auf dem der Name Yves Saint Laurent prangt. Nicht alle Kunden benehmen sich in dem Durcheinander seriös. „Gestern habe ich einen in einer dunklen Ecke im Untergeschoss gesehen, der mit seiner Kamera filmte. Er wolle sich noch einmal umschauen, hat er zu mir gesagt. Als ob, wir schon das Ziel von Katastrophentouristen sind“, sagt Reinhard und schüttelt den Kopf.
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Kaufhof Mönckebergstraße: Mitarbeiter feiern Abschied
Um 12 Uhr kippt die Stimmung: Die Verkäufer beginnen die übrig gebliebene Ware wegzuräumen. Die Rabattplakate am Eingang sind gegen Schilder getauscht worden auf denen „Dauerhaft geschlossen“ steht. Die Mitarbeiter versammeln sich in einem abgetrennten Bereich, um voneinander Abschied zu nehmen. Aber noch immer strömen Kunden in den inzwischen nahezu leeren Verkaufsraum. Betriebsrätin Reinhard ist sichtlich sauer. „Eigentlich sollten wir um 12 Uhr schließen. Aber die Vermarktungsfirma entscheidet, wann die Türen zumachen.“ Die will offenbar auch noch die letzten Grußkarten vom Grabbeltisch loswerden. Und so lässt man weitere Kunden hinein.
Die Geschäftsführung ist wohl nicht mehr Herr im eigenen Haus. Völlig konsterniert verfolgen Mitarbeiter, wie Personalchef Ulrich Spielmann zu seiner letzten Rede ansetzt. „Das können die Kunden gerne hören“, sagt er über die Lautsprecher. Der Manager bedauert, dass es nicht gelungen sei, die Filiale zu retten. Er dankt allen Mitarbeitern für ihre Loyalität und ihren Einsatz. „Und ich wünsche uns allen, alles Gute.“ Dann gibt es Beifall, nicht von den Mitarbeitern, die mit ihren eigenen Gefühlen und Tränen kämpfen, sondern aus dem Kreis der Kunden.
Eine ältere Dame mit Gehwagen schiebt sich durch die Menge bis an die Absperrung heran, hinter der die Mitarbeiter versammelt sind. Sie reicht ihre Hand hinüber. „Ich wollte noch Tschüss sagen.“ Und dann ist wirklich Schluss bei Kaufhof in der Mö.