Berlin. Der Wohnungsbau stockt. Jetzt macht der Deutsche Städtetag Druck. Und auch das Handwerk hat einen Vorschlag, um schneller zu bauen.

Die Corona-Pandemie hat ganze Branchen aufgemischt, Strukturen verändert und Entwicklungen gestoppt. Doch dem aufgeheizten Wohnungsmarkt kann auch die wohl schwerste Rezession der Nachkriegszeit nichts anhaben.

Immobilien werden immer teurer, und die Mieten steigen unbeirrt. Die Bauwirtschaft, die die Krise über durcharbeitete, ächzt unter der Last der Aufträge, die sie nicht so schnell abarbeiten kann, wie sie eingehen. Es ist, als wäre nie etwas gewesen.

Wohnungsbau: Städtetag mahnt Bundesregierung zur Eile

Während in vielen Bereichen die Rückkehr zum Vorkrisenniveau herbeigesehnt wird, sieht das auf dem Wohnungsmarkt anders aus. Das Problem, dass insbesondere in Metropolen immer mehr Geld für das Wohnen ausgegeben werden muss, ist ungelöst. Und es könnte sich angesichts knapp 2,85 Millionen Arbeitsloser und 4,24 Millionen Menschen in Kurzarbeit weiter verschärfen.

Nur ist es gerade in den Ballungsräumen gar nicht so einfach, überhaupt neues Bauland zu finden. Die Bundesregierung arbeitet daher aktuell an einem Gesetz, das es erleichtern soll, Bauland auszuweisen. „Wir benötigen das Gesetz dringend, um den Wohnungsbau in den Städten wirksam anzukurbeln“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, unserer Redaktion.

Umwandlungsverbot für Mietwohnungen sorgt für Streit

Seit Juni ist ein erster Entwurf des Gesetzes bekannt, seitdem gibt es Diskussionen – die Helmut Dedy mit Sorge betrachtet. „Die Koalition verhakt sich. Wichtige Instrumente für die Städte drohen aus dem Entwurf rauszufallen“, sagt Dedy.

Er plädiert dafür, dass Städte erweiterte Vorkaufsrechte für Grundstücke erhalten. „Sie müssen Flächen leichter erwerben und diese für den Bau bezahlbarer Wohnungen anbieten können“, fordert der Städtetags-Hauptgeschäftsführer. „Und in Gebieten mit großem Wohnungsmangel müssen Städte per Baugebot für preiswerten Wohnungsbau sorgen können. Wichtig ist außerdem die neue Möglichkeit, den Bauherren Vorgaben machen zu können, damit sie günstige Mietwohnungen bauen.“

Zudem brauche es Regeln, die verhindern, dass Mietwohnungen beliebig in Eigentumswohnungen umgewandelt werden können – doch gerade daran hat sich zuletzt in der Koalition ein Streit entfacht. Während die SPD auf ein Umwandlungsverbot dringt, ist die Unionsfraktion dagegen. Auch der Eigentümerverband Haus und Grund hatte daran zuletzt scharfe Kritik geübt.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, fordert ein Baugebot in Städten mit großem Wohnungsmangel.
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, fordert ein Baugebot in Städten mit großem Wohnungsmangel. © imago images/biky

Jedes Bundesland hat seine eigene Bauordnung

Um schneller bauen zu können, könnte auch mehr Einheitlichkeit bei den Bauordnungen helfen. Jedes Bundesland verfügt aktuell über seine eigene Landesbauordnung. Zwar gibt es eine bundesweite Musterbauordnung, an der sich die Länder orientieren können, von einem einheitlichen Standard ist man in Deutschland aber weit entfernt.

Dieser föderale Flickenteppich sorgt in der Praxis für Streit. Etwa bei der „kleinen Bauvorlageberechtigung“. Wer in Deutschland ein Haus bauen möchte, muss vorab eine Baugenehmigung erhalten. In acht Bundesländern ist es möglich, dass Anträge für kleinere Bauvorhaben, also etwa der Bau eines Hauses mit maximal 200 Quadratmetern Wohnfläche, von dem ausführenden Handwerksmeister erarbeitet und bei den Behörden eingereicht werden. Das spart Zeit und Kosten, so die Idee dahinter.

In den anderen Bundesländern – darunter mit Ausnahme von Berlin alle ostdeutschen Bundesländer sowie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland – dürfen nur Ingenieure oder Architekten die Anträge einreichen.

Handwerk will Bauanträge selbst einreichen können

„Es ist nicht einzusehen, dass etwa in Schleswig-Holstein ein Zimmermeister, der ein Holzgebäude plant, konzipiert, berechnet und die Statik erstellt, vorlageberechtigt ist, und ein paar Kilometer weiter in Mecklenburg-Vorpommern ist er das nicht mehr“, sagt Hans Peter Wollseifer , Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Er fordert, dass bundesweit Handwerksmeister die Genehmigungen erteilen können.

Lesen Sie hier: So lange muss man auf einen Termin beim Handwerker warten

Damit stößt er auf Widerstand. Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, weist auf die gestiegenen Anforderungen beim Bauen, etwa im Bereich der Energieeffizienz oder beim Brandschutz, hin: „Nur die Mitglieder der Architektenkammern sind in der Lage, die Potenziale der begrenzt zur Verfügung stehenden Bebauungsflächen für vermehrten Wohnungsbau mit hohem gestalterischen Anspruch auch für das Umfeld zu heben und gleichzeitig die in ihrer Arbeitsfähigkeit stark durch die Pandemie betroffenen Bauverwaltungen zu unterstützen.“

Auch die Bundesingenieurkammer verweist auf gestiegene Sicherheitsanforderungen, die eine qualifizierte Planung erfordern würden. „So sind zum Beispiel auch in bestimmten KfW-Förderprogrammen aus diesem Grund nur Ingenieure und Architekten zugelassen“, sagt Hauptgeschäftsführer Martin Falenski.

Wollseifer weist Sicherheitsbedenken zurück

Geht der Vereinfachungswunsch des Handwerks also auf Kosten der Sicherheit? Handwerkspräsident Wollseifer verneint das. „Wir sprechen hier nicht von Hochhäusern oder Glaspalästen, sondern von Ein- und Zweifamilienhäusern und An- und Umbauten“, sagt er.

Dass es kein einheitliches Vorgehen gibt, sieht Wollseifer vor allem als Problem der Bildungsabschlüsse an. „Aktuell liegt eine mangelnde Wertschätzung und Anerkennung der beruflichen Bildungsabschlüsse vor. Das muss sich ändern“, fordert Wollseifer. Dass Genehmigungen nur von Akademikern erstellt werden, hält er nicht für zeitgemäß.

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