Berlin. Coca-Cola und Lidl, Aldi und Rewe setzen immer mehr auf recycelte PET-Flaschen. So wollen sie den Plastikmüll in den Meeren reduzieren.

Ob im Atlantik, Pazifik oder Mittelmeer: Plastikmüll an Stränden gehört weltweit zum Alltag. Dies zu stoppen, haben sich nicht nur Umweltschützer zum Ziel gesetzt. Immer mehr Hersteller und Händler setzen den Schutz der Meere auf ihre Agenda. Gebrauchtes Plastik wird zu Fleece-Pullis oder Verpackungen verarbeitet – und Verbraucher greifen zu. Recyceltes liegt im Trend.

Eine große Herausforderung ist das Recycling von Plastik-Trinkflaschen: In Deutschland werden pro Jahr rund 25 Milliarden PET-Flaschen verbraucht – das ist pro Bürger fast eine Flasche pro Tag. Doch es gibt Hürden: So muss die Technik für eine 100-prozentige Wiederverwertung teils noch entwickelt werden.

Denn recyceltes PET (Rezyklat) für Getränkeflaschen darf keine Schadstoffe enthalten – und es muss die strengen Auflagen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erfüllen.

In Deutschland kümmern sich immer mehr Hersteller und Händler um Recycling, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergab. Coca-Cola will noch bis Ende dieses Jahres alle PET-Flaschen seiner Getränkemarke Vio in Deutschland komplett auf Flaschen umstellen, die zu 100 Prozent aus recyceltem Material hergestellt werden. „Dadurch erwarten wir für das nächste Jahr eine Einsparung von 4000 Tonnen PET“, sagte Ralf Peters, Chefeinkäufer für Westeuropa.

Coca-Cola erfüllt bereits heute die künftigen EU-Vorgaben für PET-Flaschen

Bislang verwendet der weltweit größte Getränkehersteller in Europa für die Herstellung seiner PET-Flaschen schon durchschnittlich 30 Prozent an recyceltem Material, bis 2023 sollen es 50 Prozent sein, so Peters. Der Konzern erfüllt damit bereits heute die künftigen EU-Vorgaben, wonach alle Hersteller 25 Prozent ihrer PET-Flaschen bis zum Jahr 2025 aus recyceltem Material herstellen müssen, bis zum Jahr 2030 sollen es 30 Prozent sein. Zudem wird durch die Reduzierung der Verpackungsgewichte immer mehr Material eingespart.

Auch der Discounter Lidl verkauft sein Wasser ohne Kohlensäure der Eigenmarke Saskia bereits seit einem Jahr in vollrecycelten Flaschen. Das Gewicht der 1,5-Liter-Flaschen wurde um bis zu 30 Prozent reduziert, wodurch weniger PET-Neumaterial nötig sei, berichtet der Discounter. Die anderen PET-Flaschen der Eigenmarken Saskia und Freeway enthielten bis zu 50 Prozent recyceltes PET.

Lidl hat sich über seine Pfandsammelstellen in den Filialen einen eigenen Kreislauf aufgebaut, in dem das Unternehmen die zurückgegebenen Flaschen auch selbst wiederverwerten kann. Ziel des Konzerns ist es, bis 2025 den Kunststoffeinsatz bei Eigenmarkenverpackungen um 20 Prozent zu senken. Die Konkurrenten Aldi Nord und Süd setzen bei mehreren Getränkeverpackungen Rezyklate ein – ihre Anteile liegen zwischen 30 Prozent und höher, so der Konzern. Dieses Angebot soll ausgeweitet werden.

Die Handelskette Rewe hat ihre Wasser-Einwegflaschen seit einem Jahr auf vollrecycelte Flasche umgestellt. Ziel sei es, den Anteil des recycelten Materials in Getränkeflaschen der Eigenmarken auf mindestens 25 Prozent bis zum Jahr 2025 zu erhöhen, berichtet der Pressesprecher Andreas Krämer.

Edeka reduziert PET-Flaschen auf ein Minimalgewicht

Edeka entwickelt derzeit gemeinsam mit dem WWF einen sinnvollen Einsatz von Recyclingmaterial bei Getränke-Einwegflaschen und befindet sich in einer Testphase mit Lieferanten, berichtet der Edeka-Sprecher Gernot Kasel. Die PET-Flaschen wurden auf ein Minimalgewicht reduziert, wodurch schon jetzt 80.000 Tonnen Plastik bei der Produktion eingespart werden. Grundsätzlich setzt Edeka zudem auf das Prinzip „Mehrweg statt Einweg“.

„Aktuell bestehen PET-Flaschen durchschnittlich zu 26 Prozent aus dem Material recycelter PET-Flaschen“, berichtet Franziska Krüger, Expertin für Produktverantwortung beim Umweltbundesamt. „Damit erfüllt Deutschland schon heute die Recyclingvorgaben der EU von 25 Prozent für 2025. Um die Quote von 30 Prozent ab 2030 zu erfüllen, muss aber noch deutlich mehr passieren“, weiß die Umweltexpertin.

Grundsätzlich seien die Recyclingbedingungen hierzulande gut. Durch das Pfand auf PET-Flaschen werden etwa 97 Prozent der Einwegflaschen zurückgegeben. „Davon werden wiederum etwa 97 Prozent recycelt“, berichtet Krüger. „Das Pfandsystem für PET-Flaschen in Deutschland ist hocheffizient und hat sich bewährt. Wegen des hohen Pfandes von 25 Cent landen nur wenige Flaschen in der Umwelt, denn sie sind bares Geld.“

Deshalb ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass Plastikflaschen aus Deutschland in den Weltmeeren landen.

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    Um noch mehr Plastik zu sammeln, wäre es gut, wenn die Pfandpflicht auch auf PET-Saftflaschen erweitert würde, sagt Krüger: „Damit könnte die sortenrein gesammelte PET-Menge erhöht werden. Dies setzt aber voraus, dass die Hersteller auf die Recyclingfähigkeit der PET-Saftflaschen achten.“

    Hier taucht ein weiteres Problem auf: Wer recyceln will, braucht Material. „Gebrauchte PET-Flaschen sind sowohl bei Getränkeherstellern als auch in allen Branchen, die PET als Rohstoff nutzen, beliebt. So zum Beispiel bei Textilproduzenten und Folienherstellern“, so der Coca-Cola-Chefeinkäufer. „Sie sind eine der begehrtesten Handelswaren in Europa.“

    Hochwertige Qualitäten, die sich für Lebensmittelverpackungen eignen, seien schwer zu angemessenen Preisen zu bekommen. Auch der Discounter Aldi sieht das „größte Hemmnis“ für Rezyklate in deren mangelnder Verfügbarkeit.

    So habe der niedrige Rohölpreis in der Corona-Krise dazu geführt, dass recyceltes PET (rPET) noch höher gehandelt wird als Neuware, berichtet Thomas Probst, Experte beim Recyclingverband bvse. „Recyceltes PET ist etwa 20 bis 25 Prozent teurer als Neuware. Eine Tonne Neuware kostet etwa 800 Euro.“

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    Zudem ist es nicht leicht, passende Lieferanten zu finden. Coca-Cola schließt sich deshalb mit Herstellern zusammen, die speziell für den Konzernbedarf den Rohstoff für die Herstellung von recyceltem PET entwickeln. Die Herausforderung besteht darin, das PET-Material möglichst oft zu nutzen und gleichzeitig die Stabilität des Materials zu erhalten.

    Ziel von Coca-Cola ist es, möglichst viele Produkte in vollrecycelten Flaschen abzufüllen. Doch dies ist derzeit schwer zu erreichen. „Durch die begrenzte Verfügbarkeit von Rezyklaten und die Aufbereitungsverluste beim Recycling wird es niemals möglich sein, alle Flaschen aus 100 Prozent Rezyklat herzustellen“, weiß auch Krüger vom Umweltbundesamt.

    Sehr schwierig ist auch die Wiederverwendung von Plastik aus dem Meer für neue Getränkeflaschen. „Zum Beispiel können gebrauchte Spülmittelflaschen mit heutiger Technologie noch nicht zu Getränkeflaschen oder anderen Lebensmittelverpackungen recycelt werden“, sagte der Coca-Cola-Chefeinkäufer. Zwar hat Coca-Cola weltweit als erster Hersteller eine Musterflasche für Lebensmittel aus Plastik aus dem Meer entwickelt.

    Doch wann dieses Verfahren tauglich für die Massenproduktion ist, mag Peters nicht vorhersagen. So weit sei die Technik heute einfach noch nicht.