Hamburg. Chef Lars Wagener ist erst seit März 2019 im Amt. Doch er hat bei dem Unternehmen aus Hittfeld schon viel verändert.

Manche Vorstellungsgespräche verlaufen anders als man denkt. Lars Wagener kann davon berichten. Als der gestandene Manager der seit 25 Jahren in verschiedenen Führungspositionen der Lebensmittelbranche tätig ist, sich 2019 bei Europas führendem Tee­anbieter, der Laurens Spethmann Holding (Meßmer, Milford, Onno Behrends) um einen Vorstandsposten bewarb, wäre er beinahe an der letzten Frage des
Bewerbungsgesprächs gescheitert. Der heutige Aufsichtsratschef, Michael Spethmann fragte nämlich, ob Wagener Anhänger eines Fußballclubs sei. Nun muss man wissen, dass Spethmann glühender Fan des HSV ist und Wagener gebürtiger Bremer. Und so antwortete er wahrheitsgemäß, er sei Werder-Fan. „Dass er mir dennoch den Job gab, zeugt von Größe“, sagt Wagener und lacht.

Aus Unternehmenssicht war es aber wohl die richtige Entscheidung, dass Spethmann damals über seinen Schatten gesprungen ist. Denn Wagener hat mit neuen Ideen und Produkten dem Familienunternehmen zusätzlichen Schwung gegeben. Nach kurzer Einarbeitungszeit führt er seit März 2019 das Unternehmen mit Hauptsitz in Hittfeld (Seevetal). Es ist der zweite Versuch der Familie, die Geschicke der Firma in fremde Hände zu legen, die Laurens Spethmann, Enkel des Gründers der ostfriesischen Teegesellschaft (OTG) groß gemacht hat. Und diesmal scheint es zu klappen. Immerhin hat Wagener den Posten schon deutlich länger, als Vorvorgängerin Martina Sandrock, von der sich das Unternehmen 2018 nach nur zehn Monaten Amtszeit, „wegen unterschiedlicher Auffassungen“ getrennt hatte.

Zusammenarbeit mit der Familie sei sehr gut

Wagener, der verheiratet ist und zwei erwachsene Söhne hat, gilt als Lebensmittelspezialist. Begonnen hat er seine Karriere bei Mars in verschiedenen Funktionen. Später übernahm er die Geschäftsführung bei Danone, bevor er Marketing- und Vertriebschef bei Griesson-de Beukelaer wurde. Zuletzt verantwortete er mehrere Länder in der Green­yard Gruppe. Jetzt macht er Tee.

Die Zusammenarbeit mit der Familie sei sehr gut. „Sie bringt sich weiter aktiv ein, aber es gibt eine klare Regelung. Das tägliche operative Geschäft überlässt die Familie dem Vorstand. Wichtige unternehmerische Weichenstellungen und die Kontrolle der Firma liegen aber weiter in ihrer Hand“, sagt Wagener.

Kaum hatte der neue Chef die Führung bei LSH übernommen, machte er blau. Genauer gesagt: Wagener verpasste der Hauptmarke Meßmer einen Relaunch: Grundfarbe aller Teeverpackungen ist nun Blau. „Es wirkt“, sagt er. „Im Supermarkt stehen die Kunden vor kunterbunten Teeregalen. Da heben wir uns mit dem Blau heraus, das die Kunden mit unserem Tee verbinden. Sie können sich nun einfacher bewusst für Meßmer entscheiden.“

Jüngere Zielgruppen

Zudem versucht Wagener konsequent jüngere Zielgruppen für die Teeprodukte der Firma zu gewinnen. Das neueste Angebot der Meßmer-Reihe heißt Cold Tea. Eine Erfindung die auf der Straße entstanden ist: „Man sieht vor allem junge Frauen unterwegs vielfach mit einer Flasche Wasser in der Hand. Da haben wir uns gedacht, dem Wasser geben wir Geschmack – aber ohne zusätzliche Kalorien und ohne Zucker.“ So wurde der Teebeutel für die Wasserflasche geboren. Der Clou: „Sie legen morgens beim Befüllen den Teebeutel mit in die Flasche und er kann den Tag über darin bleiben.“ Seit Kurzem ist Cold Tea im Handel zu haben.

Im Oktober will die LSH eine völlig neue Teemarke etablieren: Yasashi. Das ist japanisch und hat zwei Wortbedeutungen: gut sein und einfach. „Genau darum geht es. Einfach nur Tee“, sagt Wagener. „Keine Zusatzstoffe, alles bio, sogar die Verpackung.“ Und auch hier hat sich sein Haus etwas Besonderes einfallen lassen: Erstmals wird auf Teever­packungen eine Herkunftsbezeichnung angegeben. „Orangenschale aus Paraguay und Mandarinenschale aus Ägypten“ steht beispielsweise auf einer Verpackung. „Damit folgen wir dem Wunsch der Verbraucher nach mehr Transparenz.“ Preisgünstig sind die schicken runden Dosen allerdings nicht: 16 Teebeutel kosten 4,49 Euro.

Tochterfirmen produzieren auch Fitnessriegel

Tee ist zwar das Geschäft, dass die Laurens Spethmann Holding groß gemacht hat. Es ist aber bei Weitem nicht die einzige Sparte mit der die Firma Geld verdient. So produzieren Tochterfirmen auch Fitnessriegel, Fruchtschnitten, Süßstoffe und Cerealien sowie seit Neuestem auch Nüsse und Trockenfrüchte. Dazu hat die LSG 25 Prozent an dem Hamburger Unternehmen Fruitwork/Nutwork erworben. Die 1999 gegründete Firma Nutwork ist mit rund 150 Millionen Euro Umsatz einer der führenden deutschen Lieferanten von Nüssen, Trockenfrüchten und Saaten. „Wir haben eine Halle im Hamburger Hafen gemietet, in der die importierten Nüsse verpackt werden.“ Und das ist noch nicht das Ende. „Mal sehen, was wir mit dieser Beteiligung noch vorhaben“, sagt Wagener vieldeutig.

„Risikodiversifizierung“ nennt er das. Läuft eine Produktlinie nicht so gut, geht eine andere besser. Das habe sich auch jetzt in der Corona-Krise bewahrheitet. „Der Absatz unserer Müsliprodukte ist in der Zeit signifikant nach oben gegangen, weil die Menschen mehr gemeinsam zu Hause frühstücken.“ Im Gegenzug sei der Absatz von Riegeln deutlich gesunken, weil weniger Snacks unterwegs verzehrt würden. „In diesem Bereich haben wir deshalb auch Kurzarbeit anmelden müssen“, sagt Wagener. „Ebenso im Meßmer Momentum, dem Teehaus in der HafenCity, wo der Betrieb derzeit nur eingeschränkt läuft.“ Insgesamt rund 60 Mitarbeiter des etwa 2000 Beschäftigte zählenden Unternehmens seien derzeit noch in Kurzarbeit.

Unternehmen erwartet kein schlechtes Jahr

Dennoch erwartet das Unternehmen kein schlechtes Jahr. „Wir werden im Plan sein“, sagt Wagener. Im vergangenen Jahr hat die LSH einen Umsatz von 660 Millionen Euro erwirtschaftet. In der Corona-Pandemie sei der Teeabsatz im einstelligen Prozentbereich gestiegen, weil die Menschen mehr zu Hause sind und sich gerne eine gute Tasse Tee zubereiten“, sagt Wagener. Eine genauere Prognose will der Chef aber nicht abgeben. „Dafür sind die Rahmenbedingungen nicht sicher genug.“

Nur auf eines müssen sich die Teekonsumenten einstellen: steigende Preise. „Wir rechnen wegen des Lockdowns mit Ernteausfällen und Lieferproblemen. Tee wird zwar nicht knapp, weil der deutsche Verbrauch am Weltmarkt dafür zu gering ist. Aber es wird schwieriger ihn in der gewünschten Qualität zu bekommen und es wird mehr Aufwand kosten, die von uns geforderte Qualität auch sicherzustellen.“

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Letztlich bezahlen müssen die Mehrkosten die Kunden an der Kasse. Wagener tut sich schwer damit, zu sagen, um wie viel es geht. Er rechnet aber mit fünf Prozent pro Teepackung. Kostet also eine Packung 1,95 Euro, dann muss man künftig etwas über zwei Euro bezahlen.

Zum Abschluss gibt es noch eine Tasse Tee. Am liebsten trinkt Wagener Kräutertee. Nur bei der Geschmacksrichtung Fenchel-Kümmel hört für den Werder-Bremen-Fan die Liebe auf.