Berlin. Der Reisekonzern TUI fliegt trotz Corona-Warnung wieder nach Spanien. Die Urlauber sollen entscheiden, ob sie stornieren oder nicht.

Die Herbstferien in der Sonne verbringen – nach der jüngsten drastischen Ausweitung der Corona-Reisewarnungen ist eine Reise in den Süden kaum noch denkbar. Der Tourismuskonzern TUI will seine Kunden künftig selbst entscheiden lassen, ob sie ihren Urlaub trotz Reisewarnung antreten. Trotz des Risikos, dass sie sich bei der Rückkehr nach Deutschland in Quarantäne begeben müssen.

Das kündigte Deutschlandchef Marek Andryszak im Gespräch mit unserer Redaktion an.

„Wir gehen fest davon aus, dass viele Kunden dies genau abwägen werden“, sagte er. „Aber durch die Möglichkeit, sich testen zu lassen, glaube ich schon, dass viele Kunden ihren Urlaub trotz Reisewarnung antreten werden.“

Konkret gehe es um die Kanarischen Inseln. Seit der Reisewarnung für ganz Spanien habe auch TUI die Flüge dorthin stark reduziert. „In der Zwischenzeit haben wir Vorbereitungen getroffen, sodass wir Reisen auf die Kanaren ab dem 3. Oktober wieder aufnehmen können – trotz Reisewarnung“, sagte Andryszak.

Auswärtiges Amt spricht Reisewarnung für Spanien aus

Damit stelle sich der Reisekonzern nicht gegen die Bundesregierung. Bei den Reisewarnungen handele es schließlich nicht um ein Reiseverbot, sondern um eine Empfehlung, vorsichtig zu sein. „Und genau dieser Empfehlung folgen wir“, sagte er. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte jedoch erst am Freitag betont, dass die Bundesregierung mit den Warnungen von nicht notwendigen Reisen dringend abrate – und eine Urlaubsreise ins Ausland sei in der Regel nicht zwingend notwendig.

Derzeit gibt es auf drei der vier Kanarischen Inseln wieder weniger als die kritischen 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Und meistens sei die Inselhauptstadt besonders betroffen, während die touristischen Regionen sehr viel weniger Fälle hätten, sagte Andryszak. „Wir fühlen uns da durch die Datenlage und unsere Erfahrungen vor Ort bestätigt.“

Deutschlandchef Marek Andryszak von TUI sieht in der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes keinen Grund die Flüge auf die Kanaren einzustellen.
Deutschlandchef Marek Andryszak von TUI sieht in der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes keinen Grund die Flüge auf die Kanaren einzustellen. © localpic | imago stock

Die neuen Einschränkungen belasten das Geschäft der schwer angeschlagenen Reisebranche und durchkreuzen die Pläne vieler Urlauber. „Für die Kunden ist es aktuell schwierig zu entscheiden, wann sie wohin fliegen können. Sie handeln kurzfristiger“, sagte Andryszak. Mit dem Angebot, trotz Reisewarnung in den Urlaub zu fliegen, soll es wieder mehr Sicherheit bei den Planungen geben. Die Kunden könnten weiter von der Reise zurücktreten oder umbuchen. „Aber wer fliegen möchte: Wir sind am Start.“

Mit dem Schritt wolle TUI lernen, ob die Kunden trotz Corona-Warnung in den Urlaub fliegen – und anschließend über eine Fortsetzung entscheiden. Schließlich sind die Herbstferien mit die beliebteste Reisezeit. Für den Winter gebe es bislang hingegen kaum Buchungen.

Corona: Reiserückkehrer machen 40 Prozent der Infizierten aus

Während das Robert-Koch-Institut Ende August davor warnte, dass 40 Prozent der Infizierten in Deutschland Reiserückkehrer waren, verweist TUI-Manager Andryszak ebenfalls auf Zahlen zum Infektionsgeschehen. Am Frankfurter Flughafen testete der Anbieter Centogene unter 40.000 Spanien-Rückkehrern bislang 0,27 Prozent positiv auf das Corona-Virus.

Darin sind auch Passagiere aus den Hotspots Barcelona und Ma­drid enthalten. „Dann wird klar, dass die Zahl der Fälle aus den touristischen Regionen wie den Balearen und Kanaren sehr klein ist“, sagte Andryszak. Aus dem Bereich der Pauschalreisen gebe es so gut wie keine Fälle – aus den vergangenen drei Monaten kenne er keinen einzigen.

Sollte sich ein Reisender infizieren, greife bei TUI eine Covid-Versicherung, die die Kosten für Hotelquarantäne, Behandlung und notfalls auch Rücktransport übernehme.

Die Reisebranche leidet wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig unter der Corona-Pandemie. Die Lufthansa wird mit Staatshilfen von neun Milliarden Euro in der Luft gehalten. Die Fluggesellschaft überlegt, ob sie im Oktober Schnelltests vor dem Abflug am Flughafen einführt, um den internationalen Reiseverkehr wieder anzukurbeln. Nach einem Frühjahr ohne jegliches Geschäft musste auch TUI mit Krediten über drei Milliarden Euro gestützt werden.

Flughäfen fürchten um Zehntausende Arbeitsplätze

Das Bundesverkehrsministerium arbeitet an einem Rettungsplan für die Flughäfen, denen im August 75 Prozent der Passagiere fehlten. Vor allem der Langstreckenverkehr liegt wegen weltweit geschlossener Grenzen lahm. Den deutschen Flughäfen entgingen laut ihrem Verband ADV seit März rund zwei Milliarden Euro Umsatz und derzeit täglich weitere zehn Millionen Euro.

Der Flughafen Paderborn musste als erster vergangene Woche Insolvenz beantragen – die Airports sehen bundesweit 30.000 ihrer 180.000 Arbeitsplätze in Gefahr.

Die Reiseindustrie hofft, dass die Geschäfte spätestens 2021 wieder anlaufen. Die Urlauber setzen offenbar auch darauf, dass Corona bis dahin unter Kontrolle ist.

TUI-Manager Andryszak verweist auf die Buchungszahlen: „Für den nächsten Sommer hatten wir einen sehr guten Buchungsstart. Zugegeben – auch aufgrund vieler Umbuchungen aus diesem Jahr“, sagt er. „Stand heute ist der Sommer 2021 besser gebucht, als es für das Jahr 2020 der Fall war.“

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