Hamburg. Reiner Brüggestrat hört nach rund 20 Jahren als Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank auf. Ein Abschiedsinterview.
In der kommenden Woche ist Schluss, zumindest als Chef der Hamburger Volksbank. Mehr als 30 Jahre war Reiner Brüggestrat dann in verschiedenen Funktionen bei Sparkassen und Banken tätig. Warum wird man überhaupt Banker? Wie wohl fühlt man sich als Kind des Ruhrgebiets an der Elbe? Und wie gut ist die Hamburger Volksbank nach den jüngsten Sparrunden für die Zukunft aufgestellt?
Hamburger Abendlatt: Wie kommt man als junger Mensch auf die Idee, Banker zu werden?
Reiner Brüggestrat: Ich stamme aus einer typischen Ruhrgebietsfamilie, in welcher der Urgroßvater Bergmann, der Großvater Kohlenhändler war. Mein Vater hat dieses Geschäft dann übernommen und erweitert. Für mich als Junge war aber schnell klar, dass ich das später beruflich nicht machen wollte. Dennoch haben mich die finanziellen Aspekte des Geschäfts meines Vaters sehr interessiert. So habe ich schon als Kind Überweisungen zur Sparkasse im Ort gebracht und von dort Geld abgeholt – ich war so eine Art Geldbote. Dann habe ich Wirtschaftswissenschaften studiert.
Zunächst sind Sie an der Universität hängen geblieben …
Brüggestrat: Ich hatte ein gut dotiertes Angebot und konnte nebenbei promovieren. Zudem hat mich damals schon das Unterrichten gereizt. Nach der Promotion war mir aber klar, dass ich in ein Unternehmen wollte. Da bekam ich dann ein Angebot von der Sparkasse Essen, habe dort vor allem das Kreditgeschäft gelernt. Dann bin ich zur Sparkasse Gelsenkirchen gegangen als Leiter der Gesamtrevision.
War Ihnen schnell klar, dass Sie gerne eine Bank leiten würden?
Brüggestrat: Ja, ich wollte schon – seit ich denken kann – in Leitungsfunktionen. Meine Oma hatte immer den Wunsch, dass ich Lehrer werde. Da habe ich ihr schon als Kind gesagt, dass ich dann aber gerne Schulleiter werden würde. Also dieses Leitungs-Gen hatte ich wohl schon immer in mir. Aber klar ist auch: Man kann sich nicht ernsthaft als Ziel setzen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank zu werden.
Aber Sie wären letztlich doch gerne Deutsche-Bank-Chef geworden, wenn man es Ihnen angeboten hätte?
Brüggestrat: Nein. Denn ich will gestalten. Und als Chef der Deutschen Bank reden dir zu viele Menschen von außen rein, da sie sich als größte Bank des Landes auch immer in einem politischen Umfeld bewegt. Deshalb habe ich auch die Sparkasse verlassen, denn gerade bei einer Sparkasse im Ruhrgebiet mischt sich die Politik doch stark ein. So habe ich auch nicht lange gezögert, als mich ein Headhunter wegen der Stelle bei der Hamburger Bank anrief.
Dann ging es zusammen mit Ihrer Ehefrau und Ihren zwei damals noch recht kleinen Kindern aus dem Ruhrgebiet nach Hamburg. Ein einfacher Schritt?
Brüggestrat: Für mich ja, für meine Familie zunächst nicht. Das liegt ein wenig an der unterschiedlichen Mentalität der Menschen im Ruhrgebiet und hier in Hamburg. Mittlerweile geht es uns hier allen glänzend. Es gab halt die üblichen Eingewöhnungsschwierigkeiten. Meine Frau hat hier ihre eigene Praxis aufgebaut, und unsere Kinder leben und arbeiten beide in Hamburg.
Kommen wir zum Geschäftlichen. Wie groß war die Hamburger Volksbank, als Sie in den Vorstand kamen?
Brüggestrat: Die Hamburger Bank als Vorgängerinstitut hatte im Jahr 2000 eine Bilanzsumme von knapp einer Milliarde Euro, 360 Beschäftigte und 30 Filialen. Nach der Fusion mit der Volksbank lag die Bilanzsumme bei zusammen 1,5 Milliarden Euro, es gab 510 Beschäftigte und 47 Filialen.
Da sind die Zahlen heute ganz andere …
Brüggestrat: Das stimmt. Aktuell haben wir eine Bilanzsumme von mehr als vier Milliarden Euro, 440 Beschäftigte und 15 Filialen. Das heißt: Wir bewegen mit nur geringfügig weniger Beschäftigten als im Jahr 2000 das Vierfache an Kapital. Wir sind also extrem effizient geworden.
So kann man es ausdrücken, aber letztlich geht dies auf Kosten von Jobs und Filialen. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen?
Brüggestrat: Ich gehe davon aus, dass wir mit unseren aktuell 15 Filialen auf absehbare Zeit gut aufgestellt sein werden.
Der neue Vorstand
- Der Vorstand der Hamburger Volksbank stellt sich neu auf. Nachfolger von Reiner Brüggestrat als Vorstandssprecher wird zum 1. Oktober Thorsten Rathje. Der 50-jährige gebürtige Rendsburger ist seit 2007 bereits im Vorstand der Bank. Nils Abels (52) wird in dem dreiköpfigen Vorstand für den Bereich Steuerung (Finanzen) zuständig sein. Er ist in Hamburg geboren und bereits seit 1989 – mit kurzer Unterbrechung – bei der Volksbank bzw. dem Vorgängerinstitut Hamburger Bank angestellt. Neu im Volksbankvorstand ist Rita Herbers, die das Ressort Markt (Vertrieb) verantworten wird. Die 53-Jährige stammt aus Lathen bei Papenburg und war vor ihrem Engagement unter anderem bei der Mittelstandsbank und der Commerzbank. ode
Auf absehbare Zeit?
Brüggestrat: In den nächsten drei, vier, fünf Jahren. Danach könnte vielleicht noch die eine oder andere Filiale verschwinden, was letztlich daran liegt, dass sie von unseren Kunden weniger in Anspruch genommen werden, sich die Bankgeschäfte ins Internet verlagern. In den Filialen sehe ich dann auch kaum noch Möglichkeiten, Personal abzubauen. Allerdings werden wir uns die Verwaltung genauer anschauen müssen, denn dort haben wir in den vergangenen Jahren die Zahl der Stellen annähernd gehalten. Hier sehe ich in den kommenden Jahren durchaus noch Chancen, effizienter zu werden.
Wie ist die Ertragslage bei der Volksbank?
Brüggestrat: Der Zinsüberschuss dürfte in diesem Jahr ähnlich hoch liegen wie 2019, als er 54 Millionen Euro betrug. Vielleicht wird es etwas weniger sein. Hier spüren wir die Corona-Krise kaum. Das sieht beim Provisionsüberschuss anders aus. Hier werden wir wohl zehn bis 15 Prozent unter dem Vorjahr liegen, in absoluten Zahlen wären das drei Millionen Euro. Das hängt stark mit der Pandemie zusammen: So werden unter anderem unsere Geldautomaten, an denen wir Gebühren von Fremdkunden bekommen, weniger frequentiert. Aber auch die Vermittlungsprovisionen bei Versicherungen und Bausparprodukten sind gesunken. Deshalb dürften wir in diesem Jahr ein geringeres Gesamtergebnis vor Steuern haben als 2019, als dieses 18 Millionen Euro betrug.
Wird die Volksbank auch nach Steuern in diesem Jahr noch einen Gewinn machen?
Brüggestrat: Davon gehen wir aus, allerdings nicht in der gleichen Größenordnung wie 2019, als das Nachsteuerergebnis bei acht Millionen Euro lag.
Auch mit Blick auf Effizienz gab es den Versuch, die Hamburger mit der Lübecker Volksbank zu verschmelzen. Ein Projekt, das Sie vorangetrieben haben, aber am Ende gescheitert ist. Eine persönliche Niederlage?
Brüggestrat: Klar ist das auch eine Niederlage für mich gewesen. Allerdings waren meine persönlichen Einflussmöglichkeiten wegen der Pandemie leider nur begrenzt. Wenn Corona nicht gekommen wäre, hätten wir einen anderen Ausgang der Gespräche gehabt. Da bin ich mir sicher. Der persönliche Kontakt bei diesem komplexen Thema hat gefehlt. Aber das kann ich nun nicht mehr ändern.
Am 30. September ist Ihr letzter Arbeitstag als Vorstandssprecher. Wie wird der 1. Oktober im Hause Brüggestrat aussehen?
Brüggestrat: Vielleicht mal ein wenig länger schlafen. (lacht) Dann werde ich mich auf meine Rotary-Sitzung vorbereiten. Am Tag darauf geht es dann mit den Rotariern in den Harz.
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Und die Volksbank wird dann für immer Vergangenheit sein?
Brüggestrat: Nein. Ich bleibe zunächst noch Geschäftsführer unserer Immobilientochter Frankenstraße 10. Dort werden wir für 80 Millionen Euro ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. Das begleite ich noch ein paar Monate. Endgültig werde ich mich dann auf der nächsten Vertreterversammlung verabschieden. Und der Kontakt zu vielen lieb gewonnen Kolleginnen und Kollegen sowie anderen Menschen in unserer Stadt wird ohnehin immer bleiben.