Hamburg. In der Kategorie Existenzgründer gewinnt ein Unternehmen mit innovativer Software. Produktprogramm soll ausgeweitet werden.
Mehr als zwei Drittel aller Deutschen können theoretisch das Produkt des Hamburger Start-ups Nect nutzen, ohne die Firma überhaupt zu kennen. Denn allein schon die beiden größten der rund 25 Geschäftskunden von Nect, der ADAC und der Versicherer R+V, geben zusammen rund 30 Millionen Menschen die Möglichkeit, ihre Identität bequem per Smartphone-Video feststellen zu lassen, wenn sie personenbezogene Dienstleistungen des jeweiligen Anbieters in Anspruch nehmen wollen.
Dazu muss ein Nutzer nur die Vorder- und Rückseite einer Ausweiskarte mit ihren Sicherheitsmerkmalen abfilmen und abschließend ein Selfie-Video aufnehmen. Das klingt ganz einfach, die Entwicklung dieser Funktion war aber äußerst komplex: „Auch wenn man ein normales Smartphone unter alltäglichen Bedingungen verwendet, kann unser System Sicherheitsmerkmale wie die Hologramme präzise erkennen“, sagt Nect-Geschäftsführer Benny Bennet Jürgens.
Online-Dienstleistungen gewinnen an Bedeutung
Es ist daher kein Zufall, dass inzwischen fünf promovierte Physiker und Mathematiker unter den rund 50 Beschäftigten des Unternehmens sind. Jürgens selbst ist ausgebildeter Informatiker, der zuvor zehn Jahre bei dem Versicherungskonzern Generali in Hamburg gearbeitet hat. „Dort habe ich gesehen, wie stark die Online-Dienstleistungen an Bedeutung gewinnen“, so Jürgens. „Aber der Engpass ist die gesetzliche Anforderung, die Identität des Nutzers eindeutig feststellen zu können.“
Zwar gibt es schon seit 2014 das sogenannte Videoident-Verfahren, das unter anderem von einigen Banken genutzt wird. „Hierbei müssen die Nutzer aber darauf warten, dass ein Mensch in einem Callcenter per Webcam-Chat die Identität bestätigt“, so Jürgens: „Die Wartezeit beträgt häufig über 15 Minuten, was zu hohen Abbruchraten führt.“
Maschinelles Verfahren
So entstand die Idee, ein maschinelles Verfahren zu entwickeln, das wesentlich schneller und zudem günstiger ist, weil kein Mensch dafür bereitstehen muss. Mit dem Ziel, eine solche Lösung zu schaffen, gründete Jürgens im Jahr 2016 zusammen mit Carlo Ulbrich, bis dahin Vertriebsleiter einer Logistikfirma, ein eigenes Unternehmen. „Kennengelernt hatten wir uns über unsere Frauen, die gemeinsam Abitur gemacht haben“, sagt Jürgens. „Später, beim Schieben der Kinderwagen, haben wir festgestellt, dass wir beide ein hohes Interesse haben, selbstständig etwas aufzubauen.“
Ein Jahr danach konnten es sich die beiden dank eines Zuschusses durch die Investitions- und Förderbank Hamburg leisten, einen ersten Angestellten einzustellen. Für 2020 wird ein Umsatz „im niedrigen bis mittleren siebenstelligen Bereich“ angepeilt, zumal die Corona-Pandemie der Digitalisierung einen zusätzlichen Schub gegeben hat.
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Für die nächsten Jahre haben sich die beiden Gründer vorgenommen, Kunden auch in anderen europäischen Ländern zu gewinnen und das Produktprogramm auf digitale Unterschriften zu erweitern. Schon 2021 soll sich die Mitarbeiterzahl von Nect auf 100 Personen verdoppeln. Jürgens ist stolz auf den Erfolg, der dies ermöglicht: „Es ist ein tolles Gefühl, in meiner Heimatstadt, die uns so unterstützt hat, nun so viele Arbeitsplätze schaffen zu können.“